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Seit April 2021 koordiniert Rolf Engelmann den Transfer des Botanischen Gartens der Universität Leipzig. Der Austausch von Wissen mit Besucher:innen und verschiedenen Gruppen der Gesellschaft, wie Schulen, Behörden, Kunstschaffenden und Verbänden sei in einer Zeit der gesellschaftlichen Transformation besonders wichtig, sagt Engelmann. Wer dem Biologen zuhört, vergisst schnell die Zeit.

Etwa 150.000 Menschen pro Jahr zieht es in den Botanischen Garten in Leipzig in der Linnéstraße. Auf 3,1 Hektar kultivieren Gärtner:innen rund 6.300 Pflanzenarten aus verschiedenen Kontinenten. „Für viele Leipzigerinnen und Leipziger ist der Garten eine schöne Oase in der Stadt, oft sehe ich ein Lächeln im Gesicht der Menschen, die unseren Eingangsbereich durchschreiten“, sagt Rolf Engelmann. Seit April 2021 ist der Biologe Koordinator für Transfer des Botanischen Gartens. Neben Forschung und Lehre ist nämlich der Transfer – also der Austausch mit unterschiedlichen Gruppen der Gesellschaft – das dritte Standbein der Universität und damit auch Aufgabe des Gartens. Diesen Austausch zu gestalten ist Engelmanns Aufgabe und Privileg, wie er sagt. Besondere Anerkennung für diese Aufgabe erhielt das Team des Botanischen Gartens 2023 mit der Verleihung des Transferpreises durch die Universität.

Wichtige Stammgäste: Schulklassen und Kindergartenkinder

„Neben Gästen aus der Öffentlichkeit kommen viele Schulklassen zu uns, um in der Botanikschule Pflanzenarten in ihrer Vielfalt zu erleben sowie ihre Lebensvorgänge zu begreifen“, so Engelmann. Die Botanik-Schule, die im Garten angesiedelt ist und zum Schulbiologiezentrum der Stadt Leipzig gehört, beschäftigt hierzu in Kooperation mit dem Sächsischen Landesamt für Schule und Bildung zwei Lehrerinnen. „Darum beneiden uns andere Gärten“, gibt er zu.

Im Projekt „Gartenkinder – Kindergarten“ kommen ganzjährig einmal pro Woche die Kleinen der nahe gelegenen Kita, um sich gärtnerisch in einem Teil des Geländes zu betätigen, natürlich mit Anleitung. Dabei gehen sie mit Arten um, die zum offiziellen Pflanzenbestand gehören. „Das ist ein sehr wichtiger Teil unserer Bildungsarbeit, dass insbesondere Stadtkinder schon möglichst früh die Möglichkeit bekommen, selbst mit Pflanzen umzugehen und prägende Erlebnisse haben“, so der Botaniker.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen Ist Rolf Engelmann an einem Tisch im Gespräch mit Bürger:innen.
Rolf Engelmann im Bürger:innengespräch. Foto: Wolfgang Teschner.

Bildungsarbeit ist ein zentrales Anliegen

Im Kern verfolge diese Arbeit zwei Ziele: Bildung für nachhaltige Entwicklung und globales Lernen. „Wenn Kinder zum Beispiel sehen, wie ‚ihre‘ Pflanzen wachsen und dass die Kompostwürmer in unserer Wurmkiste innerhalb kurzer Zeit die hineingelegten organischen Abfälle zu Kompost verwandeln, wird der Kreislauf der Natur sehr deutlich“, sagt Rolf Engelmann. Es sei wichtig, ein Bewusstsein für die Auswirkungen eigenen Handelns zu schaffen – nicht nur lokal, wenn es etwa um die richtige Befüllung von Biotonnen gehe, sondern auch global: „Mache ich mir bewusst, wenn ich Kaffee trinke, wo dieser herkommt und wie er angebaut wird?“ Er sagt deutlich: „Solches zu vermitteln ist eine gesellschaftliche Verpflichtung, denn wenn wir da nicht weiterkommen, brauchen wir über Klimawandel gar nicht weiter zu reden.“

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist Rolf Engelmann mit gesammelten Pflanzen im Regenwald
Rolf Engelmann auf Feldarbeit mit gesammelten Pflanzen in den Tropen. Foto: Almir Lopes Moraes.

Vom Erzgebirgsvorland in die Tropen und zurück

Seine eigene Naturverbundenheit führt Rolf Engelmann auf seine Kindheit im Erzgebirgsvorland zurück. „Als kleiner Junge war ich oft mit meinem Großvater unterwegs – er war Förster und arbeitete in der Landwirtschaft“, erläutert er. Das Wetter, die Jahreszeiten und auch die Kreisläufe der Natur waren prägende Erfahrungen. „Ich denke, dass ich deshalb diesen Weg eingeschlagen habe, Biologie an der Uni Leipzig zu studieren“, reflektiert er. Schon im Studium spezialisierte er sich auf Botanik. Sein erstes Interesse galt den Tropenwäldern, seine Diplomarbeit schrieb er in Brasilien. Die typischen, großen Herbarien-Kisten mit selbst gesammelten Pflanzen – zwischen brasilianischen Tagungszeitungen getrocknet und säuberlich beschriftet – stapeln sich auf dem Büroschrank. Seinen Beruf könnten Besucher:innen aber auch an der Sammlung riesiger Tannenzapfen erkennen oder an den botanischen Abbildungen, die dem Büro einen besonderen Charakter verleihen. Viele Jahre seiner Arbeit widmete Rolf Engelmann auch dem Leipziger Auwald. Hier arbeitete er vor allem als klassischer Feld-Biologe, erhob beispielsweise Daten für das Naturschutzprojekt Lebendige Luppe oder steuerte Wissenschaftler:innen durch die Baumkronen mit dem Leipziger Auwaldkran.

Kunst erlaubt andere Perspektiven

„Zu uns kommen seit vielen Jahren auch Studierende der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig sowie Kunstschaffende, um Pflanzen zu zeichnen“, so der Transfer-Koordinator. Die Kunst sei eine der Fachrichtungen, mit der der Botanische Garten in regem Austausch stehe. „Der künstlerische Blickwinkel bietet ganz andere Perspektiven als der naturwissenschaftliche und das ist sehr bereichernd“, sagt er.

Ältester Botanischer Garten in Deutschland

Da der Botanische Garten der älteste universitäre Garten in ganz Deutschland ist, blickt er auf eine lange Tradition zurück. „Als 1542 im Zuge der Reformation das Paulinerkloster mit seiner Kirche an die Universität fiel, beinhaltete dies auch die Klostergärten“, erläutert Rolf Engelmann. „Es gab den Auftrag, einen dezidierten Medizinalgarten für den Uni-Betrieb zu schaffen.“ Ab 1580 seien die Namen der Präfekten – also der Direktoren – des Gartens schriftlich belegt. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts gibt es eine Besucherordnung. „Das zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die Leipziger Öffentlichkeit die Gärten besuchte – Transfer als solchen gibt es also schon sehr lange, auch wenn wir diesen Bereich offiziell erst 2021 eingerichtet haben“, so der Koordinator.  

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist Rolf Engelmann auf dem Aufwaldkran in luftiger Höhe zwischen Baumwipfeln
Der Auwaldkran wird für Feldstudien von der Universität Leipzig, der Stadt Leipzig, dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem iDiv genutzt, um Veränderungen im Leipziger Auwald zu beobachten. Häufig auf ihm…

Wissenschaftlicher Austausch über die Uni hinaus

Die Hauptaufgabe des Botanischen Gartens mit seiner umfangreichen Pflanzensammlung liegt neben dem Transfer freilich in der Forschung und Lehre. Studierende bekommen hier botanisches Wissen vermittelt. „Dieses spielt zum Beispiel in der Biologie, in der Pharmazie und in der Veterinärmedizin eine Rolle“, berichtet der Fachmann. Für Forscher:innen stellt der Garten seine Pflanzensammlung oder auch Pflanzen-Anzuchten für Experimente zur Verfügung. Auch mit anderen Forschungseinrichtungen wie dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig oder dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung arbeitet der Botanische Garten in verschiedenen Projekten eng zusammen.

Einen intensiven Austausch gibt es selbstverständlich mit anderen Botanischen Gärten weltweit, mit denen der Leipziger Garten jährlich Saatgut tauscht. „Im Winter quellen bei uns dann die Postfächer über, das freut uns“, so Engelmann.

Für den sehr engagierten Förderverein sei er sehr dankbar. Er freue sich über jeden und jede, die dort mitwirke, Ideen und Tatkraft einbringe.

Kooperationen mit Behörden und Umweltverbänden

Das botanische Fachwissen des 30-köpfigen Teams unterstützt auch Behörden wie etwa das Zollamt oder Behörden der Stadt Leipzig. Mit Umweltverbänden wie dem NABU und dem BUND gibt es verschiedene Kooperationen, wie beispielsweise im Projekt „VielFalterGarten“ mit dem BUND.

Wer Rolf Engelmann zuhört, gerät schnell in Gefahr, die Zeit zu vergessen, so anschaulich und begeistert teilt er sein Wissen. Schon während des Studiums habe er den Drang verspürt, Menschen für die Natur zu gewinnen, sagt er. Über viele Jahre leitete er ehrenamtlich einen kleinen Umweltverein, hielt Vorträge, organisierte Führungen und Lehrgänge.

Ein fester Programmpunkt bei seinen Führungen im Botanischen Garten ist die Vorführung der Kompostkiste. „Dann greife ich ohne Vorwarnung mitten hinein und habe plötzlich einen Haufen Erde voll wimmelnder Würmer in der Hand. Die Reaktionen sind jedes Mal wunderbar.“

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