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Botanische Gärten Deutschlands haben die Woche vom 14. bis 22. Juni zur Aktionswoche „BioBlitz – Artenvielfalt in Botanischen Gärten“ ausgerufen. Auch der Botanische Garten der Universität Leipzig lädt naturbegeisterte Gartenbesucher:innen dazu ein, selbst aktiv zu werden und wildlebende Pflanzen, Pilze und Tiere, die sie im Botanischen Garten beobachten, zu dokumentieren. Dies soll dazu beitragen, das Bewusstsein für die Vielzahl an Lebewesen zu schärfen, die mit uns den städtischen Raum teilen, aber oft übersehen werden, sagt der Biologe Rolf Engelmann, Koordinator für Transfer im Botanischen Garten.

Herr Engelmann, die Woche der Botanischen Gärten steht unter dem Motto „BioBlitz –  Artenvielfalt in Botanischen Gärten“. Welche Rolle spielen Botanische Gärten im Allgemeinen und der Botanische Garten der Universität Leipzig im Besonderen für die Artenvielfalt in den Städten?

Botanische Gärten beherbergen nicht nur ihre artenreichen und gut dokumentierten Pflanzensammlungen, sondern sind auch wichtige Lebensräume für „wild“ vorkommende Organismen. Ob beispielsweise Vögel, Insekten, Fledermäuse, Pilze, Flechten oder Moose – viele Arten kommen in den Botanische Gärten vor. So wie kein Garten dem anderen gleicht, so schwierig ist es, den „Lebensraum Botanischer Garten“ zu beschreiben oder zu vergleichen. Einige Trends gibt es trotzdem, wie eine Studie zu den Botanischen Gärten als Orte urbaner Biodiversität zusammenfasst: Es gibt hier einen hohen Anteil an gefährdeten Arten. Botanische Gärten sind wichtige Sekundärlebensräume für gefährdete Arten in städtischen Gebieten und sie sind mit ihren Bildungsprogrammen wichtige Begegnungsorte für Naturerfahrung und Naturbeobachtungen.

Was wissen wir über die Vielfalt unseres Botanischen Gartens?

Es existieren einzelne Studien beispielsweise zu den bei uns vorkommende Pilzarten. Auch sind die hier vorkommenden Vogelarten gut dokumentiert. Besonders beeindruckt hat uns eine aktuelle Studie zu den hier vorkommenden Wildbienen: 214 verschiedene Arten konnten hier im Botanischen Garten in den Jahren 2022 und 2023 nachgewiesen werde. Das sind über die Hälfte der in Sachsen und über ein Drittel der in Deutschland vorkommenden Bienenarten! Die hohe Diversität unserer Pflanzensammlung bedingt also auch eine hohe Diversität an mitunter sehr spezialisierten Bienenarten, auch wenn wir von sehr kleinen Populationen ausgehen müssen. Aktuell werden die Ergebnisse der Studie in einer Publikation zusammengefasst. 

Die gemeinsame Aktionswoche der Botanischen Gärten zeigt, dass es eine starke Verbindung untereinander gibt. Worin spiegelt sich das wider, über die gemeinsame Themenwoche hinaus?

Botanische Gärten sind oft universitäre Forschungseinrichtungen und funktionieren eigentlich nur im Austausch so erfolgreich. Ob beim internationalen Samentausch, beim Austausch in ganz verschiedenen Fachgruppen oder bei den jährlichen Tagungen – Botanische Gärten sind eigentlich wie eine große Familie – man kennt sich, man hilft sich untereinander und wir arbeiten auf vielen Ebenen zusammen. Ich für meinen Teil engagiere mich sehr intensiv in der Arbeitsgruppe Bildung im Verband der Botanischen Gärten. Hier gibt es zahlreiche Austauschformate, aber auch jährliche Fortbildungen um das Bildungsangebot in den Botanischen Gärten auszubauen und zu verbessern. Das letzte Arbeitstreffen der Arbeitsgruppe Bildung fand übrigens im Februar hier in Leipzig statt. 

Unser Botanischer Garten setzt immer wieder Citizen-Science-Projekte um. Warum sind sie wichtig?

Der Kontakt mit vielen Akteuren der Gesellschaft und ein aktiv gestalteter Austausch ist wichtig für den Botanischen Garten und die Universität. Wir sind vermutlich die besucherstärkste und gleichzeitig eine sehr attraktive Forschungseinrichtung der Uni – ich würde sagen, der Botanische Garten ist ein toller „Lebensraum“ für die Menschen unserer Stadt, wenn auch eher tagsüber und temporär. Da liegt es für mich nahe, gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zu forschen, gemeinsam Erkenntnisse zu gewinnen, zu erleben wie Wissenschaft funktioniert und vieles mehr. Citizen Science-Projekte bringen forschungsbezogen Vorteile, wie Datenerhebungen in großem Umfang oder Langzeitbeobachtungen. Es ist ein toller Baustein in der wissenschaftlichen Bildung aller Beteiligten und bei der Öffentlichkeitsarbeit, es stärkt aber auch den Botanischen Garten und damit die Universität bei der Verankerung in der Gesellschaft, um nur ein paar Vorteile aufzuzählen.

Unser Projekt zur Erforschung der Artenvielfalt im Botanischen Garten ist dafür ein schönes Beispiel. Alle Besucherinnen und Besucher sind herzlich eingeladen, über die kostenlose App iNaturalist eigene Beobachtungen zu sammeln und beizusteuern. Je mehr Beobachtungen innerhalb des Botanischen Gartens gesammelt werden, desto besser ist der Einblick in die hier vorkommende Vielfalt. Bisher wurden von allen Beteiligten auf diesem Weg bereits über 500 verschiedene Arten gefunden und dokumentiert – und das über einige Jahre hinweg. Die gewonnen Daten helfen uns, die Artenvielfalt im Botanischen Garten zu untersuchen, aber sie fließen auch in globale wissenschaftliche Datenbanken ein. Sie sind später frei zugänglich nutzbar und damit eine wichtige Datenressource für weiter wissenschaftliche Analysen. Ich hoffe sehr, mit unserer Aktionswoche und dem BioBlitz diese Möglichkeit des Mitforschens noch bekannter zu machen.

Wenn Sie drei Highlights „Ihres“ Botanischen Gartens nennen könnten: Welche wären das?

Die Blüte der Frühblüher im März, die eurasische Steppe im Juni, das neue Mediterranhaus, die Lavendelblüte im Apothekergarten, wenn die Königin der Nacht ihre Blüten öffnet und nach Vanille und Schokolade riecht, wenn die Riesenseerose im Victoriahaus mit ihren Schwimmblättern das ganze Becken ausfüllt, wenn die Hanfpalmen vor meinem Bürofenster blühen und fruchten … Sie sehen, ich kann mich nicht auf drei Highlights festlegen – und die Liste ist eigentlich noch viel länger! Auf der anderen Seite beschreibt das Motto meiner Arbeit das eigentliche Highlight des Botanischen Gartens: „Im Botanischen Garten die Vielfalt erleben, Menschen treffen, sich austauschen und neue Möglichkeiten erkennen.“      

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