Nachricht vom

Zunächst war er sich nicht sicher, ob der Studiengang Musikwissenschaft wirklich zu ihm passt, heute ist er Intendant des Leipziger Bachfests. Alumnus Prof. Dr. Michael Maul berichtet über seine Erinnerungen an die Uni Leipzig und gibt Tipps für das bevorstehende Bachfest vom 8. bis 18. Juni 2023.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Studienzeit in Leipzig?

Überwiegend gute. Die späten 1990er Jahre – ich habe im Wintersemester 1997 mein Magisterstudium hier angefangen – waren geprägt von sehr vollen Hörsälen, namentlich in meinen Nebenfächern Betriebswirtschaftslehre und Journalismus. Da gab es dieses Zittern, wie viele Semester es dauern würde, bis man in bestimmte Seminare endlich mal reinkommt – das war der vielleicht etwas nervige Teil. Aber ansonsten war die Stimmung von Aufbruch und großen Visionen bestimmt. Im Hauptfach habe ich hier Musikwissenschaft studiert. Das Institut war gerade im Mendelssohnhaus eingezogen – alles dort frisch restauriert, eine herrliche Stimmung und ein schöner Mix aus Ossis und Wessis, was auch dazu führte, dass wir schnell bemerkten: Alle kochen nur mit Wasser.

Offen gestanden hatte ich damals meine beiden Nebenfächer so gewählt, weil ich glaubte „Wahrscheinlich bin ich für Musikwissenschaft zu blöd, muss mir das nach ein paar Semestern eingestehen und dann auf Diplom Betriebswirtschaftslehre – wie so viele meiner alten Schulkameraden – wechseln.“ Nun, es ist anders gekommen. Ich habe da viel Glück gehabt. An sich waren seinerzeit Abschlüsse in Orchideenfächern wie Musikwissenschaft ja oft genug erstmal nur Lizenzen zum Taxifahren, aber da ich sehr früh Hilfskraft am Institut und parallel am Bach-Archiv wurde und ich sehr gute Mentoren hatte, fügte sich bei mir alles ziemlich gut.

Welche Bedeutung hat die Uni Leipzig heute für Sie?

Das Bach-Archiv, mein Arbeitsplatz, ist ein An-Institut der Uni. Die Mitarbeiter unserer Forschungsabteilung lehren zugleich regelmäßig am Institut für Musikwissenschaft. Daher gibt es eine enge Verzahnung. Außerdem screenen wir permanent die Talente dort, sei es für unsere Forschungsabteilung oder als Helfer beim Bachfest. Ich genieße den Austausch aber auch mit anderen Instituten der Uni.

Gerade haben wir für das diesjährige Bachfest den großen Hörsaal der Anatomie als Spielort für eine Art „Requiem“ aus Werken Bachs ausgewählt. Das wird bestimmt speziell, zumal dort in den 1890er Jahren die ausgegrabenen Gebeine Bachs analysiert und seinerzeit ein Gipsabdruck von Bachs Schädel inklusive Gesichtsrekonstruktion erstellt wurden. Den Bach-Schädel wird der heutige Institutsleiter Professor Bechmann am Anfang des Konzertes dem Publikum vorstellen.
Ich bin ebenfalls ein riesiger Fan vom Paulinum – was für eine herrliche Antwort auf die alte Paulinerkirche. Wir haben diesen Bau direkt als Hauptspielort für unsere Bachfest-Konzerte „vereinnahmt“.

Ich bin sehr froh, dass die Uni hier so gedeiht. Ich glaube, sie war über Jahrhunderte – neben den Handelsmessen – der Innovationsmotor der Stadt und sorgte für permanente Fluktuation. Das hat die Stadt so weltoffen und zwar selbstbewusst, jedoch nicht selbstzufrieden, gemacht. Ich glaube, das macht Leipzig so speziell – und sympathisch!

Welche Tipps haben Sie für Gäste des bevorstehenden Bachfests?

Einen ganz klaren: Hingehen! Es wird enorm vielfältig. 160 Veranstaltungen zwischen dem 8. und 18. Juni. Es ist für jeden was dabei. Klassische Formate in den Bach-Kirchen, aber eben auch solche Konzerte wie in der Anatomie. Oder das kostenfreie Open-Air-Programm auf der BachStage am Markt mit Bach-Reflektionen genreübergreifend: von Jazz, Bigband bis Heavy Metal („Son of the Bach“).

Ganz toll wird sicher auch das große „Tribute to Bach“ am Abend des 9. Juni, wenn Weltstars wie Lang Lang, Daniel Hope und Albrecht Mayer gemeinsam mit den Thomanern und dem Gewandhausorchester Bach ihren Tribut zollen werden. Ich freue mich auch wahnsinnig auf den Barockgeiger Fabio Biondi und sein Europa Galante-Ensemble. Die spielen so unfassbar energetisch. Wegen ihm habe ich mich Anfang der 1990er Jahre in die Barockmusik verliebt.

 

Die Fragen stellte Christin Kieling.

Das vollständige Programm sowie Tickets sind auf der Webseite zum Bachfest zu finden.

 

Über das Alumni-Netzwerk der Universität können Ehemalige, Studierende und Mitarbeitende Rabatte für ausgewählte Konzerte im Rahmen des Bachfestes erhalten.

Michael Maul (geboren 1978 in Leipzig) studierte von 1997 bis 2002 Musikwissenschaft, Journalistik und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Leipzig. 2006 wurde er mit einer Arbeit zur "Barockoper in Leipzig (1693–1720)" an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg promoviert. Seit 2002 arbeitet Maul als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bach-Archiv. Hier ist er vor allem mit der Durchführung des Forschungsprojektes "Expedition Bach" – der systematischen Erschließung der mitteldeutschen Archivlandschaft – betraut. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig und an der Hochschule für Musik und Theater (HMT) Leipzig. Ein wichtiges Anliegen ist ihm die anschauliche Vermittlung aktueller musikwissenschaftlicher Forschung an ein breites Publikum in Form von Gesprächskonzerten und Radiofeatures (regelmäßig für Deutschlandradio Kultur).

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.