Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Studienzeit in Leipzig?
Das Studium hat mir viel eröffnet. Ich denke zum Beispiel an die großartigen Schreibseminare, die Peter Tosic in der Anglistik anbot und in denen ich den handwerklichen Aspekt des Schreibens begriffen habe. Oder an die Zugänge zur Literatur, die Prof. Dr. Elmar Schenkel legte. Für die Inhalte des Studiums habe ich mich wirklich begeistern können. Allerdings waren die äußeren Bedingungen der Studienzeit sehr prekär, weil ich meinen gesamten Lebensunterhalt verdienen musste – erst in der Gastronomie, später immerhin als Lektorin eines Verlages. Während meiner Leipziger Studienzeit war ich genau eine Woche im Urlaub, was die Herausforderungen ganz gut zusammenfasst. Die Erinnerungen sind also etwas gemischt.
Welche Bedeutung hat die Uni Leipzig heute für Sie?
Ich nutze gern die Albertina, die zu meinen Lieblingsplätzen in der Stadt gehört. Und ich arbeite noch immer an Projekten mit, die an der Leipziger Universität entstehen, zum Beispiel an der Leipziger Autoritarismus-Studie, die ich 2024 wieder lektorieren werde. Für meine Doktorarbeit zur Praxis des autobiografischen Schreibens musste ich allerdings ‚fremdgehen‘, weil das Deutsche Literaturinstitut zwar zur hiesigen Universität gehört, aber keine Promotionen betreut. Deswegen ist es das Institut für Sprachkunst in Wien geworden. Meine Zweitgutachterin, die Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr, kam aber von der Universität Leipzig.
Was fasziniert Sie am Schreiben?
Beim Schreiben wird aus einer Ahnung etwas Greifbares. Meine literarischen Texte beginnen oft nur mit dem Gefühl, dass ein Ort oder eine Erinnerung irgendetwas bedeutet. Aber auch beim wissenschaftlichen Schreiben durchdenke ich die Dinge erst richtig, wenn und weil ich sie aufschreibe. Man kommt damit immer ein bisschen tiefer, denn durch die nötige Form verbietet sich die Gedankenflucht. Es ist immer aufs Neue überraschend, wo die Texte hinführen, denn vieles weiß man vorher noch nicht, aber plötzlich steht es da – schreibend ist man gewissermaßen die klügere Version seiner selbst. Faszinierend ist auch, dass sich im Schreibprozess lernen lässt, Unsicherheiten auszuhalten und sogar zu genießen. Das macht das Schreiben zu einer guten Lebensschule. In meinen Kursen zum wissenschaftlichen und zum autobiografischen Schreiben versuche ich all das zu vermitteln.
Sie kommen aus der Buchbranche. Ist das Publizieren dadurch einfacher?
Als ich meinen ersten Roman „Wo ist Norden“ schrieb, war ich zu früh dran. Heute ist viel öfter von Büchern die Rede, die in der Nachwendezeit oder im Osten spielen, aber damals fand sich nicht einmal ein Verlag, obwohl sich sogar eine Agentur bemühte. Inzwischen ist der Roman in der Leipziger „edition überland" herausgekommen – abermals zu einem schlechten Zeitpunkt, denn da begann gerade Corona. Erst bei der Doktorarbeit hatte ich Glück mit dem Timing: Annie Ernaux wurde der Literaturnobelpreis zugesprochen, als meine Arbeit gerade fertig war. Das machte den Publikationsprozess viel einfacher, weil sofort mein Wunschverlag zusagte und das Buch nun schon da ist.
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