Nachricht vom

Eigentlich hätte er schon Anfang 2021 in Rente gehen können. Doch damals hatte Dr. Jürgen Ronthaler einfach noch zu viele Aufgaben zu erledigen, als dass er seiner Universität schon hätte adé sagen können. Aber nun ist es soweit: Der Anglist, Literaturwissenschaftler, Direktor des Zentrums für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) sowie glühende Harry-Potter- und Shakespeare-Fan verlässt zum 31. Mai die Alma mater Lipsiensis. „Ich gehe ungern, denn ich fühle mich noch nicht wie Ruhestand“, sagt der 68-Jährige aus tiefster Überzeugung. Aber gleich darauf versichert er: „Ich gehe voller Dankbarkeit und mit einem guten Gefühl.“

Genau genommen hält er der Universität Leipzig schon seit dem 1. September 1976 die Treue. Damals begann er hier sein Studium Lehramt Englisch und Deutsch, das der gebürtige Thüringer vier Jahre später beendete und ein dreijähriges Forschungsstudium anschloss. In dieser Zeit entstand seine Dissertation zu den Shakespeare-Monologen. Im Jahr 1980 hielt er als junger Dozent seine erste Vorlesung über englische Literatur. Seine Begeisterung für die Lehre hat sich Ronthaler bis heute erhalten. „Die Höhepunkte meines Tuns hier waren immer meine Lehrveranstaltungen“, antwortet er auf die Frage nach seinen ganz besonderen Momenten an dieser seiner Universität. Ein solcher Höhepunkt war für Ronthaler der 12. Oktober des Jahres 2011, als er bei der Immatrikulationsfeier im Gewandhaus aus den Händen der damaligen Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking den Theodor-Litt-Preis für besonderes Engagement in der Lehre bekommen hat.

Mit seiner eloquenten und humorvollen Art war Ronthaler bei seinen Studierenden über Generationen hinweg immer sehr beliebt. Als Dozent ist er jemand, der den Nachwuchs fördert und fordert. Seine Kurse im Tool waren immer schnell ausgebucht. Ganz besonders spannend sei für ihn die Lehre in der Zeit kurz nach der Wende gewesen, sagt er rückblickend. „Wir konnten machen, was wir wollten, waren frei von der DDR-Ideologie und den Rastern, in denen wir heute lehren.“ Die damals auch von ihm Ausgebildeten sicherten unter anderem heute als Lehrer:innen dem Freistaat Sachsen gute Plätze bei den PISA-Studien, berichtet Ronthaler nicht ohne Stolz. Auch den Bologna-Prozess hat er als Dozent der ersten Stunde an der Universität entscheidend mitgeprägt.

Was ich zunehmend als störend empfinde, ist die Bürokratisierung der Uni.

Dr. Jürgen Ronthaler

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Auf dem Bild von der Immatrikulationsfeier im Jahr 2011 ist Dr. Jürgen Ronthaler mit der damaligen Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking zu sehen.
Bei der Immatrikulationsfeier im Jahr 2011 bekam Dr. Jürgen Ronthaler den Theodor-Litt-Preis für besondere Verdienste in der Lehre von der damaligen Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking. Foto: Swen Reichhold

Zeit zum Lesen und Gärtnern

Er gilt als Organisationstalent, das ein enormes Arbeitspensum bewältigt, kein Blatt vor den Mund nimmt und auch mal unangenehme Themen anspricht. Was ihn in den vielen Jahren an der Universität genervt hat? „Nicht viel“, betont er und rückt dann doch raus mit der Sprache: „Was ich zunehmend als störend empfinde, ist die Bürokratisierung der Uni.“ Es sei nicht die Schuld des Einzelnen, sondern des Systems insgesamt, dass die Interaktion mit den Studierenden in den Hintergrund gerate, weil Verwaltungsakte immer schwieriger würden. „Früher hatten wir viel mehr Freiheiten. Jetzt sind die Strukturen so festgefahren“, kritisiert Ronthaler.

Wer seinen Namen hört, denkt sicherlich zuallererst an die fast schon legendäre „Letzte Vorlesung“ im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli zu Harry Potter, die bis auf den letzten Platz gefüllt war, oder auch an viele andere Gelegenheiten, bei denen der heute 68-Jährige auf ebenso kluge wie unterhaltsame Art sein Wissen über den Zauberlehrling, über Shakespeare oder das britische Königshaus an sein stets begeistertes Publikum oder seine Studierenden weitergegeben hat. Vor allem seine Begeisterung für Shakespeare ist sehr früh erwacht: Schon vor dem Abitur sammelte Ronthaler alle Informationen über den englischen Dramatiker, die in der DDR zu bekommen waren, organisierte ein Studierenden-Kolloquium, besuchte die Shakespeare-Tage in Weimar und war zur Wende Vorstandsmitglied der Shakespeare-Gesellschaft. „Ich liebe ihn bis heute“, sagt er. Etwas später kam sein Faible für Harry Potter hinzu. Dank dieser ganz besonderen Beziehung zu dem Zauberlehrling hat sich Ronthaler mit zahlreichen Vorträgen eine beachtliche Fangemeinde innerhalb und außerhalb der Universität aufgebaut.

Die muss trotz des Ruhestandes nicht auf Ronthalers Auftritte verzichten. Auch künftig möchte er Vorträge halten, etwa zu britischer Literatur und Kultur, wenn er angefragt wird. Die Studierenden müssen nicht gänzlich von ihrem Dozenten Abschied nehmen, der für seine streitbare und empathische Art sehr geschätzt wird. Zwei Stunden pro Woche will er weiter am Institut für Anglistik Lehrveranstaltungen geben. Auch am ZLS gebe es noch einiges für ihn zu klären, sagt er. Für das „Urgestein“ der Universität wird es also ein Abschied auf Raten. Da er ab Juni dennoch deutlich mehr Zeit als bisher haben wird, möchte er diese zum Lesen, Reisen und Gärtnern bei seiner Mutter nutzen. „Ich habe keine Sorge, dass mir nichts einfallen wird“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Kommentare

  • Wolfgang Lörscher,

    Alles Gute, lieber Jürgen. Deine übergroße Hilfsbereitschaft, deine Kompetenz und Kollegialität wird mir in bester Erinnerung bleiben. Ich wünsche dir viel Gesundheit, Glück und Lebensfreude im "Ruhestand", und dass du noch lange die Dinge tun kannst, die du dir wünschst.
    Alles Liebe, Wolfgang

    Antworten

  • Hans-Jochen Marquardt,

    Lieber Jürgen, über drei Jahrzehnte ist es her, dass wir einander gesehen haben, und nun lese ich, Alumnus wie Du, mit Freude den Artikel über Deinen sehr erfolgreichen beruflichen Lebensweg und Deinen Abschied von der Uni. Ich wünsche Dir alles Gute für den neuen Lebensabschnitt! Vielleicht können wir uns ja mal treffen, das würde mich freuen. Ich bin dienstags und donnerstags, jeweils von 15 bis 18 Uhr, im Reclam-Museum (Kreuzstraße 12) zu finden, das ich 2018 gegründet habe. Mit herzlichen Grüßen. Jochen (Motto: "Ever tried, ever failed. No matter. Try again, fail again. Fail better!" Das kennst Du gewiss ...)

    Antworten

Ihre Antwort

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.