Herr Leistner, wieso sind aktuell so viele Menschen so aufgebracht, so scharf in ihrem Protest, mitunter zu Sachbeschädigung bereit?
Ich würde eher von einer Aufmerksamkeitsverschiebung sprechen. Protest ist etwas Alltägliches, quasi ein Grundrauschen der Demokratie, aber nur ein Bruchteil davon bekommt überhaupt mediale Aufmerksamkeit. Seit Jahresbeginn hatten wir aber sehr unterschiedliche Protestphänomene, die erhebliche Aufmerksamkeit bekommen haben, auch weil sie gesellschaftliche Großkonflikte spiegeln: die Bauernproteste im Kontext diffuser Unzufriedenheiten mit der Bundesregierung, die großen Demokratie-Demonstrationen gegen die Radikalisierung und Stärke der AfD und schließlich die Pro-Palästina-Proteste im Kontext der antagonistischen Lagerbildung innerhalb der Nahostdebatte.
Nur bei einem Teil der Proteste würde ich eine besondere „Schärfe“ beobachten. Das liegt beim Nahostkonflikt in der Emotionalisierung, der Eskalation des Konflikts selbst und auch darin, dass sich ein Gelegenheitsfenster geöffnet hat, die Entwicklungen im Nahen Osten in erheblichem Maße und zum Teil auch sehr einseitig zu skandalisieren.
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