Herr Beensen, wie sind Sie auf das Thema Ihrer Promotion „Verschwörungsglaube aus religionssoziologischer Perspektive gekommen“?
Franz Beensen: Das Thema Verschwörungsglaube hat mich schon interessiert, als ich noch zur Schule ging. Ich hatte das als Spinnerei abgetan. Aber als es dann so zu Corona Zeiten ein Massenphänomen wurde und auch für Massendemonstrationen mobilisiert wurde, habe ich mich tiefergehend damit befasst. Dass das Thema auch wissenschaftlich interessant ist, ist mir während des Studiums aufgefallen. Es ist interessant zu sehen, wie Menschen, die sich radikalisieren, weil sie von ihrer eigenen Verschwörungstheorie völlig überzeugt sind, mitunter alles verlieren.
Sie haben beide bereits im Projekt „Radikaler Islam vs. Radikaler Anti-Islam (RIRA)“ zusammengearbeitet. Nun also Verschwörungstheorie. Wie passen die Themen zusammen?
Dr. Verena Schneider: Das Feindbild, dass man irgendwelche Eliten vermutet, meist jüdische Menschen, die im Hintergrund agieren, genau das hat man eben sowohl im Islamismus als auch im Rechtsextremismus. Viele nehmen an, dass Verschwörungstheorien ein neues Phänomen sind. Bis in die 1950er Jahre waren sie sogar relativ verbreitet gewesen und sind nach und nach aus der Öffentlichkeit verschwunden, verdrängt an die Ränder. Was sich jetzt zeigt ist, dass in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit haben, angefangen von der Corona-Pandemie, die auch mit Unsicherheiten und Risiken verbunden war, die Leute anfälliger sind für Verschwörungsglauben. Und das haben wir auch anhand von Umfragedaten nachgewiesen, die wir im Projekt „Kirchenmitgliedschaft und politische Kultur“ gemeinsam mit der Leipziger Autoritarismusstudie erhoben haben.
Über Social Media wird der Verschwörungsglaube aber heute noch verstärkt bzw. stärker sichtbar?
Schneider: Es ist noch mal eine neue Möglichkeit, viele schneller Leute zu erreichen, die es bis dahin nicht gab. Früher gab es zum Beispiel einen Stammtisch, da hat die Verbreitung etwas länger gedauert.
Was bringt Ihnen beiden der Predoc-Award?
Schneider: Meine Promotionszeit liegt noch nicht so lange zurück. Und deshalb erhoffe ich mir für uns beide, dass wir mit unserer Kohorte, den 14 anderen Tandems, im Austausch sind. Dass wir Dinge erfahren, die wichtig sind und die es zu beachten gilt. Ich fand zum Beispiel hilfreich, dass zu unserer Auftaktveranstaltung die vorangegangene Kohorte uns Tipps an uns weitergegeben hat. Ich denke, es hätte mir geholfen, während meiner Promotionszeit ein paar Dinge früher zu wissen.
Beensen: Der Award hat viele verschiedene Vorteile. Er erleichtert PreDocs/Awardees die neu in die Stadt kommen, das Ankommen und eignet sich ganz allgemein zur Vernetzung. Mir persönlich hilft der interdisziplinäre Austausch. Es geht darum, dass wir miteinander reden und es geht darum, auch aus Gesprächen untereinander heraus, zu erkennen, dass es total legitim ist, wenn sich die eigene Idee für die Promotion noch einmal verändert. Es ist eigentlich sogar ein gutes Zeichen, wenn man zeigt, dass man sich damit auseinandergesetzt hat und man nicht an der ursprünglichen Idee, die man einmal hatte, festhalten muss, dass man neue Erkenntnisse gewinnt, die andere Perspektiven ermöglichen. Und das geht vor allem über den persönlichen Austausch und weniger, wenn man eher isoliert arbeitet.
Toll ist auch, dass man den Prozess des Promovierens in einem Team beginnen kann. Das ist ein Geschenk. Früher war es ganz normal, dass der einzelne Promovierende sich eine Betreuerin oder einen Betreuer gesucht hat und dann so lange alleine an der Promotion arbeitete, bis sie vollendet ist, zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Aber die meisten Promovierenden sind mit den gleichen Problemen konfrontiert. Und es ist vielleicht auch etwas anderes, wenn man von einem Predoc betreut wird, dessen Promotionszeit noch nicht zu lange zurück liegt, als von Professor:innen, bei denen man vielleicht einer unter vielen Promovierenden ist.
Es geht bei Ihnen auch um einen fachlichen Austausch untereinander. Können Sie das näher beschreiben?
Schneider: Zum Beispiel haben wir im RIRA-Projekt 2022 zusammen mit der Leipziger Autoritarismus Studie eine Befragung durchgeführt, bei der auch Verschwörungsmentalität erhoben wurde. Franz kann auf diesen Datensatz zugreifen und ihn auswerten.
Beensen: Methodik ist auf jeden Fall ein sehr wichtiges Thema, da sehe ich bei mir auch den größten Bedarf. Bei der theoretischen Bestimmung fühle ich mich ganz fit, aber bei der Methodik muss ich noch grundlegende Entscheidungen treffen. Und für solche Dinge ist der Predoc-Award, die Verbindung zu Verena, aber auch zu den anderen Awardees, sehr wichtig.
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