Nachricht vom

Gendergerechtigkeit, Diskriminierung und soziale Ungleichheit im Sport sind unter anderem die Forschungsfelder, zu denen sich Sportsoziologin Dr. Petra Tzschoppe von der Universität Leipzig regelmäßig in den Medien positioniert. Unterschiede zwischen Frau und Mann gibt es nicht nur im Sport, sondern auch in der Wissenschaftskommunikation, sagt sie. Und: „Wissenschaftskommunikation sollte klar und verständlich sein.“ Im Interview mit dem Universitätsmagazin (Teil 2 unserer vierteiligen Serie) spricht sie auch darüber, wie sie den Kinderkanal dabei berät, wissenschaftliche Themen an die jüngste Zielgruppe zu bringen.

Welche Motivation haben Sie bei Ihrer Wissenschaftskommunikation, sei es in Form von öffentlichen Vorträgen, Statements oder Interviews in Medien: Reine Erklärung Ihrer Forschung für die Öffentlichkeit? Oder spielt dabei auch eine Rolle, die Gesellschaft über Zusammenhänge aufzuklären und ggf. ein gesellschaftliches Problembewusstsein zu schaffen bzw. zu schärfen?

Ganz klar liegt mein Fokus auf Letzterem, weil sich Soziologie generell und natürlich auch die Sportsoziologie mit Themen aus der Gesellschaft beschäftigt. Es ist damit auch von Belang für die Gesellschaft, dass Wissenschaftskommunikation auf Dinge hinweist, die im öffentlichen Bewusstsein doch nicht so bekannt sind. Es geht mir darum, genau dieses Problembewusstsein zu schärfen und damit im Sinne einer angewandten Sportsoziologie auch Impulse für Veränderungen zu setzen.

Wie wichtig ist es Ihnen, Aufmerksamkeit für Ihre Forschungsarbeit zu erzeugen, und welche Wege würden Sie dafür gehen beziehungsweise sind Sie schon gegangen ?

Da kann ich auf verschiedene Ebenen verweisen. Zum einen auf das, was alle in der Forschung tun, den Austausch in der Wissenschaftscommunity, etwa auf Konferenzen, oder mit wissenschaftlichen Publikationen. Mit Blick auf eine fachinteressierte Öffentlichkeit – auch in Richtung Sportpraxis – ist es mir wichtig, mit Sportorganisationen zusammenzuarbeiten. Dieser Zugang hilft mir zugleich, Probleme zu erkennen und Fragen zu beantworten. Sport ist darüber hinaus ein Thema, welches in der breiten Öffentlichkeit in allen Altersgruppen auf hohes Interesse trifft, daraus resultieren immer wieder Anfragen unterschiedlicher Medien. 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung geben an, sich für Sport zu interessieren, wobei die konkreten Interessen vielfältig sind. Über Entwicklungen im Leistungssport und Sportgroßveranstaltungen hinaus spielen für Erwachsene auch die Aspekte Gesundheit und soziale Integration eine Rolle. Bei jungem Publikum ist das wieder anders.

Es ist durchaus ein stärkeres Problembewusstsein etwa für Geschlechtergerechtigkeit im Sport zu bemerken.

Dr. Petra Tzschppe

Um ein Beispiel zu nennen: Kürzlich wurde auf dem Kinderkanal KIKA ein Beitrag zur Gleichberechtigung im Sport ausgestrahlt, der das Thema für ein junges Publikum sehr anschaulich aufbereitet hat. Das Format heißt „neuneinhalb“, ich habe beim Entstehen des Beitrages mitgewirkt. Im Vorfeld wurde besprochen: Wie und mit wem könnte so ein Thema gestaltet werden, um zu verdeutlichen, dass Frauen und Mädchen im Sport bis heute nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie Männer finden, dass sie medial unterrepräsentiert sind. Studien zeigen, dass die Hälfte der Jungen Vorbilder aus dem Sport hat, aber nicht einmal fünf Prozent der Mädchen. Darauf habe ich verwiesen und dann startete der Beitrag damit, Kinder nach ihren Vorbildern zu fragen. Tatsächlich wurden dort nur Sportler genannt, weil Sportlerinnen eben viel weniger in den Medien sichtbar sind. Davon ausgehend wurden dann wissenschaftliche Erkenntnisse in insgesamt neuneinhalb Minuten für Kinder spannend und verständlich visualisiert. Selbstverständlich habe ich in der Vergangenheit dieses und weitere Themen auch direkt in Richtung der Medien adressiert.

Eine andere Form des wissenschaftlichen Transfers in die Gesellschaft konnte ich mehrfach als Sachverständige zu verschiedenen Themen wie Diskriminierung oder soziale Ungleichheit mit Präsentationen und Diskussionen im Sportausschuss des Deutschen Bundestags und im Sächsischen Landtag nutzen. Sportsoziologische Expertise ist hier auch als faktenbasierte Politikberatung angefragt. Generell sollte Wissenschaftskommunikation in die gesellschaftliche Öffentlichkeit hinein den Anspruch haben, dass sie nicht zu sehr von Fachbegriffen dominiert wird, sondern klar und verständlich ist.

Konnten Sie mit Ihrer eingebrachten Kompetenz etwas bewirken?

In Projekten zur Integration durch Sport beispielsweise arbeite ich seit längerem mit dem Landessportbund Sachsen eng zusammen. Da sind mit wissenschaftlichen Abschlussarbeiten Projekte evaluiert worden und gezielt mehr Angebote für Frauen mit Migrationsgeschichte entstanden. Mit ganz großen Veränderungen in beeindruckenden Zahlen, etwa zu gestiegener medialer Präsenz von Sportlerinnen, kann ich nicht aufwarten. Aber es ist durchaus ein stärkeres Problembewusstsein etwa für Geschlechtergerechtigkeit im Sport zu bemerken.

Welche Qualitätskriterien der Forschungsarbeit bzw. -ergebnisse müssen erfüllt sein, um in eine öffentliche Wissenschaftskommunikation zu gehen?

Die Sportwissenschaft in Gänze ist eine Querschnittswissenschaft. Zu ihr gehören Trainingswissenschaft, Naturwissenschaften ebenso wie Geistes- und Sozialwissenschaften mit Sportsoziologie und Sportgeschichte. Alle sind den Kriterien wissenschaftlicher Forschung verpflichtet. Es ist klar, dass mit der jeweiligen Methodik, die auch nachvollziehbar sein muss, gearbeitet wird – egal, ob ich bereits vorliegende Daten einer Sekundäranalyse unterziehe oder ob ich eigene Daten erhebe. Da gibt es Qualitätsstandards, die transparent einzuhalten sind. Die setzen voraus, dass ich den Stand der Forschung zur Kenntnis nehme und entsprechend berücksichtige und dass mich mit meinen Ergebnissen der kritischen Wissenschaftsdiskussion stelle. In Fachzeitschriften publizierte Artikel oder Texte von mir, die in Büchern veröffentlicht sind, gehen in anderen Formaten auch in die öffentliche Kommunikation.

Ich glaube, dass Männer in der Wissenschaftskommunikation etwas stärker als Frauen auf die eigene Reputation achten.

Dr. Petra Tzschoppe

Inwiefern kann bzw. darf persönliches Engagement in Ihrem Fachgebiet, das über die reine Rolle des Forschenden hinausgeht, in der Kommunikation eine Rolle spielen?

Man sollte immer deutlich machen, in welcher Rolle man gerade kommuniziert. Dabei kann es für das Verbreiten wissenschaftlicher Erkenntnisse auch hilfreich sein, wenn ich in einer ehrenamtlichen Funktion, wie beispielsweise meiner als Vizepräsidentin des DOSB, die Möglichkeit habe, bundesweit zu kommunizieren. Dort war ich auch im Austausch mit Politikerinnen und Politikern aus anderen Feldern, etwa dem Gesundheitsbereich, und das in der Rolle Ehrenamt. Dabei nutze ich jedoch die Expertise, die ich mir in meinem Fach angeeignet habe. Zudem kann ich das, was aus der Wissenschaft in meinem Fachgebiet relevant ist, auch über Kanäle der Sportorganisationen kommunizieren. Umgedreht ist in der Forschung das Wissen um Problemlagen der Praxis hilfreich. Aber ich darf nicht als Lobbyistin von irgendeiner Organisation meine Forschung in die eine oder andere Richtung verändern.

Sie sind Sportsoziologin und waren von 2014 bis 2021 Vizepräsidentin für Frauen und Gleichstellung beim Deutschen Olympischen Sportbund. Sie gelten als schlagfertig und nicht konfliktscheu. Haben Ihnen diese Eigenschaften in der Wissenschaftskommunikation weitergeholfen oder war das eher kontraproduktiv?

Nicht konfliktscheu zu sein hat mir sicherlich geholfen – wenn auch nicht immer. Ich finde, es war mitunter notwendig, um in oft männerdominierten Bereichen bestehen zu können. Vor allem aber hilft in der Wissenschaftskommunikation Fachkompetenz. Es ist schon hilfreich, nicht nur theoretisch abstrakt mit Fachvokabular, sondern auch mit klarer Sprache in den Dialog zu gehen.

Gibt es denn aus Ihrer Sicht auch in der Wissenschaftskommunikation Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Und wenn ja, welche? Und: Gibt es da auch Unterschiede in der Glaubwürdigkeit?

Warnhinweis, Klischees! Die Unterschiede gibt es aber dennoch. Ich glaube, dass Männer in der Wissenschaftskommunikation etwas stärker als Frauen auf die eigene Reputation achten. Mir, und das nehme ich auch mehrheitlich bei Wissenschaftlerinnen wahr, geht es zuallererst um die Sache und um die Inhalte und darum, eben diese Inhalte zu kommunizieren. Die Einstellung: Ich bin der große Forscher und hier geht es um mein Renommee – das beobachte ich häufiger bei Männern. Allerdings kommunizieren generell auch mehr Männer als Frauen in der Wissenschaftscommunity.

Alle Interviews unserer vierteiligen Gesprächsreihe zur Wissenschaftskommunikation finden Sie auf der Seite des universitären Netzwerks Wissenschaftskommunikation.

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.