Verschoben ist nicht aufgehoben – zum Glück! Im November 2021 erreichte mich eine E-Mail, wie sie wohl jede:r Wissenschaftler:in in den vergangenen zwei Jahren bekommen hat: „Leider muss die Konferenz aufgrund der gestiegenen Fallzahlen verschoben werden“. Die Enttäuschung war groß. Umso größer war dann aber auch die Freude, als das Arqus Research Focus Forum Changing Societies-Dimensions of Europeanisation im Mai 2022 in Präsenz an der Universität Graz nachgeholt wurde. Ich bekam als Doktorand der Universität Leipzig, die Mitglied der ARQUS Hochschulallianz ist, ein Mobilitätsstipendium, das die Reise- und Unterkunftskosten während der Konferenz abgedeckte.
Nachdem ich mich bereits am Vortag auf die lange, aber landschaftlich sehr schöne Reise über die Alpen gemacht hatte, begann die Konferenz am Freitag, den 13. Mai, mit einer Podiumsdiskussion zum Thema “The Future of Europe in Light of the Russian War against Ukraine”. Auf dem Podium saßen vier Vertreter:innen von Think Tanks und Forschungsinstituten, die zunächst untereinander und dann mit dem Publikum die potenziellen mittel- und langfristigen Auswirkungen des Kriegs angeregt diskutierten. Die Eröffnungsveranstaltung fand im Rathaus der Stadt Graz statt, wo die Diskussion während eines Empfangs im Anschluss in kleineren Gruppen fortgesetzt wurde. Gleichzeitig bot dies auch die Möglichkeit, die anderen Teilnehmenden kennenzulernen und sich zu vernetzen.
Am Samstagvormittag stand direkt zu Beginn mein eigener Vortrag an. Im Rahmen des Panels “Democratization and Europeanization in the Context of Centre-Periphery Relations” stellte ich den aktuellen Stand meines Promotionsprojekts vor. In meiner Dissertation untersuche ich die Auswirkungen des Brexits auf die Grenzregion Calais-Dover. Dabei interessiert mich vor allem, wie sich die politischen und rechtlichen Veränderungen, die mit dem Brexit einhergehen, im Leben der Menschen in der Grenzregion widerspiegeln. Nach meinem zwanzigminütigen Vortrag stellte ich mich zusammen mit den anderen beiden Vortragenden des Panels den Fragen und Anmerkungen des Publikums. Durch die Fragen bekam ich einige interessante Anregungen und hilfreiche Kommentare. Gerade im Rahmen der Promotion, während der man die meiste Zeit auf sich alleine gestellt ist, ist ein solcher Austausch mit anderen Forschenden wertvoll und kann dazu beitragen, das eigene Projekt zu verbessern und andere Perspektiven mit einzubeziehen.
In den folgenden Panels wurden verschiedenste Themen mit Europabezug besprochen. Besonders spannend war dabei die Vielfalt der fachlichen Zugänge. So waren beispielsweise Geschichtswissenschaftler:innen, Politikwissenschaftler:innen, Psycholog:innen und Linguist:innen vertreten. Außerdem zeigten sich verschiedenen geographischen Forschungsschwerpunkte, die oft im Zusammenhang mit der Lage der jeweiligen Universität zusammenhingen.
Besonders ein Panel zum Thema “Critical European Studies” sticht in meinen Erinnerungen an die Konferenz heraus. Hier ging es darum, wie Europäisierung aus einer kritischen Perspektive erforscht, aber auch im Rahmen von Bachelor- und Masterstudiengängen gelehrt werden kann.
Bevor sich alle auf den Heimweg machten, wurden noch fleißig Kontaktdaten ausgetauscht. Denn diese Möglichkeit der internationalen und transdisziplinären Vernetzung ist sicherlich einer der wichtigsten Vorteile einer Konferenz wie dieser. Gerade für Doktorand:innen und Studierende, die zumeist ohne eigenes Budget und mit nur begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten arbeiten müssen, bieten Veranstaltungen im Rahmen des Arqus-Netzwerks eine tolle Möglichkeit für diese Art von Networking, die Präsentation der eigenen Forschung und den Austausch mit Forschenden aus verschiedenen Universitäten. Ich kann also nur dazu raten, die Ohren und Augen nach solchen Gelegenheiten offenzuhalten und beispielsweise den Arqus-Newsletter zu abonnieren, um direkt von neuen Veranstaltungen zu erfahren. Sollte sich mir eine weitere Gelegenheit bieten, an einer Veranstaltung der Allianz teilzunehmen, werde ich diese sicherlich wahrnehmen.