Dr. Teja Kattenborn sitzt vor seinem Laptop und betrachtet tote Bäume. Manche stehen noch, manche liegen in der Landschaft, einige einzeln, andere in Gruppen. Zu sehen sind sie auf Luftaufnahmen aus dem Schwarzwald. Seit Oktober ist Teja Kattenborn als Postdoc in Leipzig am neu gegründeten Fernerkundungszentrum (RSC4Earch) tätig – eine Einrichtung der Universität Leipzig und desHelmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Dort arbeitet er in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hannes Feilhauer, die sich auf die Fernerkundung in der Geo- und Ökosystemforschung spezialisiert. „Ich führe hier die Schwerpunkte fort, die ich schon an anderen Standorten hatte“, sagt der Wissenschaftler.
Totholz wird mit „Deep Learning“ in Wäldern und Städten identifiziert
Eines seiner Spezialgebiete ist es, Drohnen und künstliche Intelligenz miteinander zu verbinden. Ein Anwendungsgebiet hierfür ist die Erfassung von Totholz in Wäldern und Städten. „Besonders nach den letztjährigen Dürreereignissen ist es wichtig, den Zustand der Wälder zu untersuchen, Empfehlungen für den Waldumbau in Deutschland zu geben oder zu verhindern, dass in Stadtparks Passanten morsche Äste auf den Kopf fallen“, erklärt er.
Um Totholz zu identifizieren, testet Teja Kattenborn ein mit dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) zusammen entwickeltes Verfahren: Dazu verwendet er Luftbilder aus dem Schwarzwald. Diese stammen aus dem Projekt „ConFobi“ des Instituts für Fernerkundung der Uni Freiburg, wo Teja Kattenborn Umweltwissenschaften studiert hat. Bei dem Verfahren kommt eine Unterform von Künstlicher Intelligenz zum Einsatz: das Maschinelle Lernen, noch genauer gesagt: das sogenannte Deep Learning.
Den Ablauf erläutert er folgendermaßen: „Wir lassen die Drohnen autonom in parallelen Bahnen einen genau festgelegten Landschaftsabschnitt abfliegen, wobei die Drohnen aus 40 bis 100 Metern Höhe Fotos in hoher Auflösung machen. Dann fügen wir die einzelnen Fotos zu einem Mosaik zusammen und lassen es von unserer Künstlichen Intelligenz (KI) auswerten. Der Algorithmus fährt das Mosaik dann nach und nach ab und erkennt, ob auf dem Mosaik Totholz zu sehen ist, und wenn ja, wo. Die Fundstellen lassen sich in Form von Geokoordinaten ausgeben, so dass man genau erfährt wo die toten Bäume sind.“
Der dabei verwendeten KI haben die Wissenschaftler zuvor anhand von vielen verschiedenen Beispielen ‚beigebracht‘, wie Totholz aussieht, wobei die KI selbständig lernt, welche Merkmale für die Erkennung von Totholz relevant sind – etwa kahle Äste. Dazu fütterten sie das Netzwerk mit hunderten von Beispielbildern, auf denen tote Bäume aus verschiedenen Blickwinkeln, Positionen und Helligkeitsstufen zu sehen waren. „Die Helligkeitsstufen sind zum Beispiel wichtig, da je nach Tageszeit die Schatten, die ein Baum wirft, unterschiedlich aussehen.“
So lernt die KI
Die spezielle Methode, derer sich die Wissenschaftler hier bedienen, heißt „Convolutional Neural Networks“, kurz CNN. Sie ist eine Methode des Deep Learning, die sich sehr gut für räumliche Mustererkennung eignet. „Die CNN können sehr gut aus Bildern Muster extrahieren und effizient jene Merkmale lernen, die ein bestimmtes Muster ausmachen.“ „Man kann sie auch so nutzen, dass sie selbst ständig hinzulernen, was den Trainingsaufwand erheblich verringert. Dann zeigen wir ihnen nicht 10.000 Bilder, sondern nur 100. Das nennt sich Active Learning und ist sehr interessant für die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz“, so Teja Kattenborn.
Der Vorteil, bei der Erfassung von Totholz Künstliche Intelligenz zu nutzen, liegt auf der Hand: Wenn der Algorithmus erst einmal in der Lage ist, es zuverlässig zu identifizieren, kann er in kurzer Zeit viel mehr Daten auswerten als Menschen. „Wir können dann feststellen, wie viele Bäume betroffen sind, wie groß diese und auch eine Verteilung geben. So können wir grob abschätzen, wie viel Biomasse das Totholz in einem Gebiet ausmacht“, erklärt der Wissenschaftler.
Eigene Firma schon während des Studiums
Schon während seines Studiums gründete Teja Kattenborn aus Neugier und Leidenschaft für Drohnen eine kleine Firma, die sich Geocopter nennt und ausgeklügelte Fernerkundungslösungen per Drohne anbietet. „Damit habe ich seinerzeit bereits mein Studium mitfinanziert“, sagt er. Seine Kunden sind Raumfahrtagenturen wie Forschungseinrichtungen und Universitäten sowie Behörden und Industriefirmen. Ein Auftrag kam vom Garten- und Tiefbauamt in Karlsruhe, als er am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) promovierte. „Das Amt wollte akut wissen, wo tote Bäume sind, weil es sicherstellen musste, dass auf einem Waldspielplatz niemandem ein Baum auf den Kopf fällt. Da es in manchem Stadtteil von Karlsruhe sehr viele Bäume gibt, war es nicht praktikabel, sie alle vom Boden aus zu erfassen.“
Mit den Kollegen am KIT ist Teja Kattenborn auch von Leipzig aus noch verbunden. „Bei dem Projekt UAVforSat geht es darum, die Methodik, die wir für die Aufnahmen von Drohnen entwickelt haben, auch für die Auswertung von Satellitenaufnahmen nutzbar zu machen. Damit könnte man Aussagen über große Flächen treffen. Da Satelliten kontinuierlich den Globus abfliegen, könnte man dann fast wöchentlich schauen, wie es um den Waldbestand auf der ganzen Erde bestellt ist. Unabhängig davon zeigen wir in dem Projekt, dass es bereits jetzt möglich ist, die häufigsten Baumarten in Deutschland mit hoher Genauigkeit zu erkennen – und das anhand von normalen Kamerabildern.“