Viele Menschen lesen Romane und Kurzgeschichten heute über mobile Endgeräte wie eReader und Smartphones. Wie verändert dies das Leseverhalten?
Prof. Dr. Sven Stollfuß: Die Nutzung von eReadern (wie zum Beispiel Kindle von Amazon oder der Tolino-E-Reader des deutschen Buchhandels) ist für viele regelmäßig Lesende zunächst einmal eine oft angenehme Ergänzung oder auch ein Ersatz für das gedruckte Buch. Die Geräte sind in der Regel leicht zu benutzen, man kann gleich mehrere Bücher herunterladen und, wenn Sie so wollen, eine eigene kleine Bibliothek anlegen. Die Geräte bieten zudem Funktionen wie eine Bildschirm-Beleuchtung an, die das Lesen erleichtern können.
Nutzt man hingegen Apps auf Endgeräten der alltäglichen Online- und Unterwegskommunikation wie Tablets und vor allem Smartphones, liest man deutlich stärker unter dem Einfluss von multiplen Störfaktoren (Push-Mitteilungen anderer Anwendungen auf dem Gerät, Parallelnutzung verschiedener Apps usw.). Das verlangt von Lesenden ein anderes Niveau in der Ausbildung von Strategien im Umgang mit bzw. zur Vermeidung von digitalen Störfaktoren.
Darüber hinaus gilt auch zu berücksichtigen, dass wir gemessen an den Textmengen, die über Apps auf Smartphones gelesen werden, zwar quantitativ unterm Strich sogar mehr lesen. Gleichwohl wirkt sich die Nutzung der Endgeräte qualitativ noch einmal anders auf die Veränderung des Leseverhaltens bzw. sogenannter Lesemodi aus.
Wir unterscheiden in der Forschung zum Beispiel drei grundlegende Lesetypen: (1) Skimming als das Überfliegen von Texten mit dem Ziel, sich einen allgemeinen Eindruck der Inhaltsbotschaft zu machen. (2) Immersed Reading als Lesepraxis, bei der man in die Handlung einer Geschichte eintaucht und dabei die eigene Leseumgebung auch gut ausblenden kann. (3) Das In-Depth Reading wiederum ist ein kognitiv anspruchsvolles, vertiefendes Lesen, bei dem Texte oft schon mit einem gewissen Vorwissen gelesen werden. Dabei gleicht man thematische Aspekte während des Lesens ab und kann so seinen eigenen Wissenshorizont erweitern und auch den eigenen Wortschatz ausbauen.
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