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Das Festival d'Avignon ist eine der wichtigsten internationalen Veranstaltungen für zeitgenössische darstellende Künste. Was 1947 mit der Idee begann, Theater für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat sich zu einer Tradition entwickelt, an der sowohl kleine Theatergruppen als auch große Kompanien teilnehmen und für drei Wochen über 1.000 Vorstellungen zum Besten geben. Anfang Juli reisten Dorothea Frank und Lilith Stein als Teil einer Gruppe von Romanistikstudent:innen der Universität Leipzig nach Avignon und machten sich ihr eigenes Bild von dem renommierten Theaterfestival. Sie berichten in einem Blogbeitrag:

Nach einem Semester intensiver Beschäftigung mit den Ursprüngen, der Struktur und den Analysetechniken des Theaters, waren wir neugierig auf das, was uns das Festival als Spiegel der Entwicklung des zeitgenössischen Theaters zu bieten hatte und darauf, die Exkursionsteilnehmenden unserer Arqus-Partneruniversität in Graz kennenzulernen. 

Dank unseres engen Kontakts zum Deutsch-Französischen Jugendwerk begannen wir die Woche mit einer Stadtführung, die uns die historischen Hintergründe Avignons und die Besonderheiten des Festivals vermittelte. In Avignon wurde die ganze Stadt zu einem Schauplatz. Schauspieler:innen machten an jeder Straßenecke durch Flyer, Plakate, Musik oder Tanz auf sich aufmerksam. In Cafés wurden wir fortwährend von Darsteller:innen angesprochen, die begeistert ihre Projekte vorstellten, erzählten, was diese einzigartig und sehenswert macht und sogar Ausschnitte vorführten. Die Stadt wurde zur Bühne, die Vielfalt des Theaters war überall sichtbar.

Das Festival bietet eine große Bandbreite, die wir in unserem Programm zu erfahren versuchten. Mit Molières Le bourgeois gentilhomme und Corneilles Le cid tauchten wir in den französischen classicisme ein, erlebten mit Cyrano de Bergerac Klassiker des 19. Jahrhunderts, ergründeten aber ebenso modernes Theater. So regte uns insbesondere ein Tanztheater dazu an, darüber nachzudenken, wie weit der Theaterbegriff gefasst werden kann. 

Wir konnten bei der großen Auswahl zudem unseren eigenen Interessen nachgehen. Überraschungen blieben nicht aus, wie etwa, als zwei von uns durch die Vielzahl der gleichzeitig gebotenen Stücke im falschen Theater landeten. Hier erlebten wir, wie stark Erwartungen die Rezeption beeinflussen (Wie nimmt man ein Stück wahr, wenn man denkt, es sei ein Klassiker?). 

Wir alle waren uns darin einig, dass sich unsere Sehgewohnheiten und unser Theaterbegriff verändert hatten.

In Avignon erfuhren wir, dass Theater weit über den Text hinausgeht, besonders durch die Interaktion der Schauspieler:innen mit dem Publikum. Diese Erfahrung half uns, die Bedeutung der Inszenierung zu verstehen und zu reflektieren. So ergänzte die Exkursion das Seminar und machte durch diese Dualität das Lernen noch intensiver. Einige Veranstaltungen besuchten wir mit einer Hochschulgruppe aus Graz. Unterschiedliche Analysezugänge und Sichtweisen zeigten uns, wie bereichernd der Austausch zwischen verschiedenen Institutionen sein kann.

Doch nicht nur das Theater, sondern auch die Tradition des Festivals und dessen Begründer Jean Vilar waren für uns von großem Interesse. In der Bibliothèque nationale hatten wir Zugang zu den ältesten Dokumenten und Plakaten und konnten aktiv sehen, wie alles detailliert archiviert wird. Wir tauchten in die Ursprünge und die Entwicklung des Festivals ein und erhielten einen tiefen Einblick in die Bedeutung dieser Veranstaltung. Der große Erfahrungsschatz, den wir gewonnen haben, wurde uns am letzten Abend besonders bewusst. Wir tauschten uns über die Stücke aus, die uns am meisten berührt hatten. Jede von uns konnte ein anderes Fazit ziehen, aber wir alle waren uns darin einig, dass sich unsere Sehgewohnheiten und unser Theaterbegriff verändert hatten.

Unser Dank gilt Frau Calderón, die uns im kritischen Denken gefördert und uns auf diese Erfahrung literaturwissenschaftlich vorbereitet hat, sowie Frau Carrot, die uns darin unterstützte, dieses Wissen öffentlichkeitswirksam werden zu lassen: Im Verfassen mehrerer Rezensionen haben wir so auch geübt, wissenschaftliches und journalistisches Schreiben miteinander zu verbinden. Ein besonderer Dank gilt der Hochschulallianz Arqus, deren Förderung wir diese Exkursion und eine einzigartige Lern- und Lebenserfahrung zu verdanken haben. Diese Reise nach Avignon war für uns nicht nur eine Gelegenheit, die Welt des Theaters hautnah zu erleben, sondern auch eine wertvolle Ergänzung zu unserer akademischen Ausbildung. Wir hoffen, dass dieses Projekt fortgeführt wird und weitere Studierende die Möglichkeit bekommen, ähnliche Erfahrungen zu machen.

 

Die Reise wurde mitfinanziert vom DAAD aus Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Die Europäische Hochschulallianz Arqus hat Mobilitäts-Angebote für alle Mitglieder Ihrer Partnernuniversitäten: Studierende, Promovierende, akademische und auch nicht-akademische Mitarbeiter:innen sowie Forschende. Vom Workshop über Summer School, Auslandssemester, Forschungsaufenthalt bis hin zur Staff Week. Aktuelle Ausschreibungen und Veranstaltungen finden Sie auf der Arqus Website.

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