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Der 10. Tag der Lehre stand ganz im Zeichen der Frage, wie ein Studium an der Universität Leipzig überfachliche Kompetenzen noch systematischer vermitteln kann. Prof. Dr. Roger Gläser, Prorektor für Talententwicklung: Studium und Lehre, ordnet im Interview die Ergebnisse ein und erläutert, welche Schritte als nächstes anstehen.

Lesen Sie auch den Überblicksartikel zum 10. Tag der Lehre.

Herr Professor Gläser, vor einem Jahr haben Sie hier im Universitätsmagazin einen Ausblick auf den neu konzipierten Tag der Lehre gegeben. Erstmals fanden mehrere, über einen längeren Zeitraum verteilte Austauschformate zur Zukunft der Lehre statt. Ist das veränderte Konzept aus Ihrer Sicht aufgegangen?

Prof. Dr. Roger Gläser: Ja, das würde ich schon sagen. Das Konzept sah dieses Mal deutlich mehr Partizipation vor, auch während des 10. Tages der Lehre am 22. Januar 2025 vor. Außerdem hatten wir auch externe Gäste eingeladen. Das Konzept ist vor allem insofern aufgegangen, als wir viele gute, konstruktive, auch anspruchsvolle Rückmeldungen bekommen haben, mit denen wir nun gut weiterarbeiten können. 

Zum ersten Mal war der Tag der Lehre diesmal nach einen Beschluss des Senats am Nachmittag lehrfrei, das wird auch beim nächsten Mal wieder so sein. Und das macht einen sehr großen Unterschied. So können wir den Tag der Lehre ganz anders gestalten, weil wir wissen, alle können teilnehmen. Mein Eindruck war, dass auch die Teilnehmenden mit diesem Format des Tages der Lehre etwas anfangen konnten.

Im Mittelpunkt standen bei der Jubiläumsveranstaltung die bisherigen Ergebnisse des einjährigen Vorbereitungsprozesseses zum Tag der Lehre, nämlich die sechs Themenfelder für überfachliche Kompetenzen. Welche Rolle spielen sie? 

Die Themenfelder haben wir im Vorbereitungsprozess in Workshops und Arbeitsgruppen gemeinsam entwickelt mit der Frage im Blick: Welche überfachlichen Kompetenzen wir in der Lehre sehen und abbilden? Welche überfachlichen Kompetenzen halten wir an unserer Universität für wichtig?

Die Themenfelder haben insofern eine leitende Wirkung, als sie in einem Bottom-up-Prozess aus den Fakultäten und aus der Studierendenschaft heraus entstanden sind und ein Verständnis davon abbilden, welche Themen für die überfachlichen Kompetenzen relevant sind. Sie stellen ein gutes Diskussionsergebnis dar. Sie sind aber auch ein Zwischenergebnis, sie können sich in einigen Jahren vielleicht ändern.

Im Vorbereitungsprozess zum 10. Tag der Lehre verständigten sich die Fächer und Fakultäten auf sechs Themenfelder, an denen künftig die Vermittlung überfachlicher Kompetenzen ausgerichtet werden soll:
 

  • Nachhaltigkeit
  • Demokratiebildung
  • Diversität
  • Data und Digital Literacy
  • Entrepreneurship und Selbstständigkeit
  • Sprachen- und Kulturkompetenz

Wie geht es damit jetzt weiter?

Zunächst ist es notwendig, die Kerninhalte der Themenfelder zu definieren. Jedes dieser Themenfelder klingt erst einmal sehr allgemein und kann für die jeweiligen Fachdisziplinen und -kulturen ganz Unterschiedliches bedeuten. Was wir daher zunächst brauchen, ist ein allgemeines, fachübergreifendes Verständnis der sechs Themenfelder. Sie sollen dann in die Revision und Fortschreibung des Leitbilds Lehre einfließen. 

Außerdem müssen wir konkrete Lehrangebote zu den Themenfeldern entwickeln. Wir wollen diese Themenfelder in die flexibleren Bestandteile der Studiengänge implementieren, in denen schon jetzt fachübergreifende Kompetenzen vermittelt werden. Das sind typischerweise die fakultätsübergreifenden Schlüsselqualifikationen, in den Geistes- und Sozialwissenschaften außerdem der Wahlbereich und im Lehramt die Ergänzungsstudien. Hier sollen die Themenfelder jetzt Einzug finden. Zudem müssen wir jetzt darüber reden, wie wir das umsetzen wollenSchwerer fällt uns das in den staatlich regulierten Studiengängen wie beispielsweise den Studiengängen des  Lehramt oder der Jura, wo wir nur sehr begrenzt in die Curricula eingreifen können.

In der Podiumsdiskussion am Tag der Lehre wurden auch Sorgen geäußert, dass durch neu eingeführte überfachliche Kompetenzen die Curricula überfrachtet werden könnten…

Diesen Sorgen wollen wir uns aktiv zuwenden. Insbesondere müssen wir uns der Diskussion stellen, wie wir die Themen zum Beispiel als Schlüsselqualifikation oder in einen Wahlbereich implementieren. 

Der Bereich der fakultätsübergreifenden Schlüsselqualifikationen macht in der Regel 10 Leistungspunkte in einem Bachelor-Studiengang aus, das kann und soll nicht mehr werden. Man muss sich aber natürlich entscheiden, welche Angebote wegfallen, wenn neue Themen hinzukommen sollen. Diese Entscheidung wird von den Fakultäten getroffen, denn die Curricula werden von den Fakultäten und den Studiengangsverantwortlichen gestaltet.

Oftmals belegen Studierende schon jetzt Lehrangebote, die den neuen Themenfeldern entsprechen, zum Beispiel Sprachkurse, die nicht Pflicht sind, sondern als Schlüsselqualifikation gewählt werden können. Eine wichtige Anregung vom Tag der Lehre war auch der Gedanke, bestimmte überfachliche Kompetenzen über fachspezifische Inhalte mit zu vermitteln. Das Themenfeld Sprachenkompetenz könnte beispielsweise über eine Chemie-Vorlesung abgedeckt werden, die auf Englisch gehalten wird. 

Sie hatten das Leitbild Lehre bereits angesprochen. Können Sie die Pläne dazu einmal zusammenfassen?

Das vorhandene Leitbild Lehre, das es in den Grundzügen seit mehreren Jahren gibt, wollen wir fortschreiben und weiterentwickeln. Das ist eines der Ziele, die in unserer universitären Strategie 2030 festgehalten sind. Den einjährigen Vorbereitungsprozess zum Tag der Lehre konnten wir nutzen, um uns dazu universitätsweit zu verständigen. Aus den Begehungen zur Systemreakkreditierung haben wir außerdem wertvolle Rückmeldungen der externen Gutachtenden bekommen. Das hilft uns, die Diskussionen jetzt in eine zielgerichtete Weiterentwicklung des Leitbilds Lehre zu überführen.

Inhaltlich müssen wir die sechs Themenfelder für überfachliche Kompetenzen noch genauer definieren. Es werden darüber hinaus weitere Themen aus der Strategie 2030 aufgenommen werden, wie zum Beispiel Internationalisierung oder Digitalisierung. Das Leitbild wird also gekoppelt mit den strategischen Zielen, die die Universitätsleitung vereinbart hat. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Prorektor Prof. Dr. Roger Gläser am Rednerpult
Prorektor Prof. Dr. Roger Gläser stellte die bisherigen Ergebnisse des „Skills for tomorrow“-Prozesses vor, Foto: Swen Reichhold

Wie sieht die Zeitplanung dazu aus?

Als grobes Ziel haben wir uns eine Gremienbefassung, also eine Vorlage im Senat, Ende 2025 gesetzt. Dazu erarbeiten wir im Prorektorat Talententwicklung und in kleineren Arbeitsgruppen einen Vorschlag für das aktualisierte Leitbild Lehre. Diesen stellen wir dann wieder in einem breiten partizipativen Prozess den Statusgruppen zur Diskussion. Nach der Sommerpause wollen wir die Rückmeldungen konsolidieren und dann in die Gremien gehen.

Wie ordnen sich das Thema überfachliche Kompetenzen und das aktualisierte Leitbild Lehre in die Exzellenzentwicklung der Universität Leipzig ein? 

Eine direkte Verbindung zwischen unseren Exzellenzbestrebungen und der Lehre an unserer Universität besteht beispielsweise über die Forschungsthemen der Clustervorhaben, die in den Lehrinhalten verstärkt aufgegriffen werden und sich auch schon jetzt im Studiengangsangebot wie zum Beispiel in mehreren Studiengängen widerspiegeln. Ein weiterer Aspekt besteht darin, Forschung und Lehre noch enger zu verbinden und damit die forschungsorientierte Lehre weiter auszubauen. 

Darüber hinaus wollen wir mündige, kritisch denkende Bürgerinnen und Bürger ausbilden und mit Kompetenzen für die verschiedenen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit vorbereiten. Deshalb orientieren sich die Inhalte, die wir in der Lehre behandeln, auch an aktuellen gesellschaftlichen Debatten. Gerade unser Konzept der überfachlichen Kompetenzen, den „Skills for Tomorrow“, ist aus diesem Anspruch heraus entstanden.

Bei der Podiumsdiskussion am Tag der Lehre wurde deutlich: Studierende wünschen sich weiterhin viel oder sogar mehr Beteiligung an den Entwicklungen im Bereich Lehre.

Es freut mich sehr, dass die Studierenden sich beteiligen wollen und auch Partizipation einfordern. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern für die Weiterentwicklung der Lehre an unserer Universität extrem wichtig. 

Gleichzeitig sage ich: Diese Beteiligung hat auch eine Verantwortung zur Folge. Die Studierenden müssen sich auch am Lernerfolgsprozess beteiligen. Dafür gibt schon einige Austauschformate und wir werden noch weitere generieren. Beispielsweise sind die Studierenden mit vier Mitgliedern die größte Statusgruppe in der Rektoratskommission Lehre, Studium, Prüfungen (LSP). Sie können sich dort über die Studien- und Prüfungsordnungen intensiv und direkt in die Qualitätssicherung der Lehre einbringen.

Die Beteiligung der Studierenden sollte aus meiner Sicht studiengangsbezogen sein, zum Beispiel über Studien- und Prüfungskommissionen sowie Fachschaftsräte, aber auch Unterschiede und Charakteristik zwischen den verschiedenen Fachkulturen berücksichtigen.

Gibt es schon Pläne für den elften Tag der Lehre?

Beim elften Tag der Lehre wollen wieder etwas konkreter werden und ein bestimmtes Thema beleuchten. Dazu haben wir beim zehnten Tag der Lehre zahlreiche tolle Ideen erhalten. Daraus werden wir im Organisationsteam und im Austausch mit den Fakultäten spannende Aspekte um ein Fokusthemen entwickeln.

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