Nachricht vom

„Wozu sind die Ohrstöpsel da?“, „Wieso steht hier alles auf Englisch?“, „Und wo sind denn nun die Affen?“, fragen Richard, Anton (beide 11) und Edgar (9) wild durcheinander, als sie das Wolfgang-Köhler-Zentrum für Primatenforschung, bekannt als „Pongoland“, des Leipziger Zoos betreten. Prof. Dr. Katja Liebal zeigt ihnen das Forschungszentrum des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, in dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Leipzig zu Verhalten, Wahrnehmung und Kommunikation von Affen forschen.

Warum geben in Deutschland manche Menschen ein Vermögen für ihr Haustier Hund aus und in einigen asiatischen Ländern werden Hunde gegessen?

Katja Liebal ist seit 1. Juni 2020 an der Universität Leipzig und leitet hier gemeinsam mit Daniel Haun unter anderem das Leipzig Lab „Kinder und Natur“. In ihrem aktuellen Projekt erforscht sie, wie sich die Einstellungen von Kindern und Jugendlichen gegenüber verschiedenen Tieren in unterschiedlichen Gesellschaften entwickeln. Warum geben beispielsweise in Deutschland manche Menschen ein Vermögen für ihr Haustier Hund aus und in einigen asiatischen Ländern werden Hunde gegessen? Systematische kulturvergleichende Forschung gibt es dazu bisher nicht, auch ein theoretischer Rahmen, der die Entwicklungsperspektive bei Heranwachsenden miteinbezieht, fehlt.

Für ihre Studie hat sie auch Anton interviewt und mit ihm über seine Sicht auf Tiere gesprochen. „Zunächst geht es uns darum zu erfahren, welche Tiere die Kinder überhaupt kennen, welche sie mögen oder nicht, vor welchen sie sich fürchten oder ekeln und welche emotionalen und kognitiven Fähigkeiten sie ihnen zuschreiben. Wir wollen unseren Forschungsgegenstand erstmal aus den Augen der Kinder wahrnehmen und detailliert beschreiben, um daraus dann experimentelle Ansätze zu erarbeiten“, erzählt Liebal über ihre Methode. Gleichzeitig bereitet sie die Datenerhebung in anderen Ländern vor – unter anderem in Indien, Sambia, Indonesien und Madagaskar sollen Kinder ihre Perspektive auf Tiere wiedergeben.

„Mehr Raum zum Denken und Ausprobieren“

Die Corona-Pandemie hat ihre Planungen dazu jedoch kräftig durcheinandergebracht, denn nun können sie und ihr Team nicht selbst zu den Kindern reisen. Stattdessen wollen sie mit lokalen Forschungsassistenten zusammen arbeiten, die die Interviews vor Ort durchführen werden. Das führt sie zu neuen Fragen der Forschungsorganisation: Wie können die Assistentinnen und Assistenten am besten geschult werden? Wie müssen die Leitfäden für die Interviewenden gestaltet sein und wie kann eine korrekte Übersetzung gewährleistet werden? Und nicht zuletzt: Wie werden die Daten sicher auch aus abgelegeneren Gebieten der Welt zurücktransferiert? „In keinem Drittmittelprojekt wäre so spontanes Reagieren auf diese plötzlich veränderten Bedingungen möglich gewesen“, so Liebal. „Das Leipzig Lab gibt uns die Möglichkeit agiles Projektmanagement in der Forschung auszuprobieren und schafft für uns, auch durch die strukturelle Unterstützung, wieder mehr Raum zum Denken und Ausprobieren.“

Bildung für eine respektvolle und nachhaltige Beziehung von Kindern zu ihrer Umwelt

Im  Zoo hat die Gruppe leider keinen Zutritt zu den Forschungsräumen, da auch Affen sich mit Covid-19 und anderen menschlichen Krankheiten infizieren können. Katja Liebal kann aber einige Geschichten erzählen, denn sie kennt viele der Affen schon seit langer Zeit und berichtet während der zweistündigen Führung von ihren Erfahrungen mit den Tieren im Zoo, in Auffangstationen, wie zum Beispiel in Sambia und Indonesien, und in der freien Wildbahn. Der Biologin ist es wichtig, dass sie als Wissenschaftlerin auch ein Sprachrohr ist, um Wissen über Tiere, Natur- und Umweltschutz in die Öffentlichkeit zu bringen. Am liebsten arbeitet sie mit Kindern zusammen, denn diese „haben einen ganz anderen Zugang zu diesen Themen und sind noch viel empfänglicher als Erwachsene“. Langfristiges Ziel ihrer Forschung im Leipzig Lab ist es daher auch, kultursensitive Bildungsprogramme zu entwickeln, die respektvolle und nachhaltige Beziehungen von Kindern zu ihrer sozialen und ökologischen Umwelt fördern.

„Was unterscheidet denn Affen nun von Menschen?“ fragt Richard nach dem Ausflug in den Zoo  und stellt damit die entscheidende Frage, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit in vielen Facetten beschäftigt.

Studienteilnehmer gesucht

Katja Liebal und ihr Team suchen immer noch Kinder zwischen 4 und 17 Jahren, die mit ihren Eltern an der Studie teilnehmen wollen.

 

Veranstaltungshinweis der Redaktion:

Neue Vortragsreihe „Grenzgänge“ gestartet

Die Vortragsreihe „Grenzgänge“ ist eine Initiative des Leipzig Lab mit dem Ziel, disziplinen-übergreifende Fragen zu diskutieren und interdisziplinäre Forschung anzustoßen. Noch bis Januar 2021 halten die Fellows der drei Arbeitsgruppen online Vorträge mit anschließenden Diskussionen. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion.

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.