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Paul Skäbe arbeitet und forscht als Geschichtswissenschaftler mit dem Fokus auf Kulturgeschichte im LeipzigLab. Im Zuge seiner Forschung zur Auswirkung der Spanischen Grippe von 1918–1920 auf Schwarze Amerikaner:innen in den USA zog es ihn in Archive in Chicago und Washington DC. Seine Erkenntnisse diskutiert er regelmäßig mit Wissenschaftler:innen aus den Geschichtswissenschaften, der Kultursoziologie und Sozialanthropologie, die mit ihm in der Arbeitsgruppe „Global Health“ zu Fragen globaler Gesundheit forschen.

Seit wann sind Sie an der Universität und im LeipzigLab beschäftigt und woran forschen Sie?

Seit März 2022 arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Gobal Health“ im LeipzigLab und schreibe derzeit meine Dissertation über die Influenzapandemie von 1918-1920, gemeinhin bekannt als „Spanische Grippe“, und ihre Auswirkung auf Schwarze Amerikaner:innen in den USA. Mein Dissertationsprojekt ist dabei Teil des DFG-geförderten Projekts „Pandemic Space: Understanding Quarantine and Responsibilization in Times of Corona“, welches am Research Centre Global Dynamics angesiedelt ist.

Was und wo haben Sie studiert und was fasziniert sie an ihrem Forschungsgebiet?

Ich habe Geschichte und Internationale Beziehungen im Bachelor und Geschichte transkulturell im Master an der Universität Erfurt studiert und dabei schon früh meinen Fokus auf die Geschichte der Vereinigten Staaten und auf die Globalgeschichte gerichtet. Dieser Spezialisierung während des Studiums ging eine lebenslange Faszination mit allem historischen voraus. Das liegt zum einen an der kaum greifbaren Vielfalt von Perspektiven, Dynamiken und Zusammenhängen, welche sich in der Geschichtsschreibung vereinen lassen und dabei, zum anderen, ein besseres Verständnis unserer aus der Vergangenheit gewordenen Gegenwart erlauben.

Porträt von Paul Skäbe

Diese Diversität in unserer Arbeitsgruppe hilft sehr dabei, immer wieder über den eigenen zeitlichen, geographischen und methodischen Tellerrand hinauszusehen.

Paul Skäbe

Sie arbeiten in einem interdisziplinären Team, welche Fachrichtungen sind in Ihrer Arbeitsgruppe vertreten?

Unser Team erforscht gesundheitsbezogene Prozesse aus einer transregionalen und globalen Perspektive. Bei uns sind Wissenschaftler:innen aus den Geschichtswissenschaften, der Kultursoziologie und Sozialanthropologie vertreten. Damit versammeln sich sehr vielschichtige Zugänge zu Fragen globaler Gesundheit. Diese Diversität in unserer Arbeitsgruppe hilft sehr dabei, immer wieder über den eigenen zeitlichen, geographischen und methodischen Tellerrand hinauszusehen.

Wie sieht die Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe aus?

Wir treffen uns als Team regelmäßig, um gegenseitig Forschungsergebnisse unserer Arbeit vorzustellen und spannende Texte mit ganz unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren. Das gibt sehr wertvolle Impulse für die eigene Arbeit. Ich beschäftige mich ja zum Beispiel mit einem sehr klar definierten Zeitraum an einem sehr klar definierten Ort. Da kann es schnell passieren ­– besonders wenn ich mich im geschlossenen Raum des Archivs im Wald der historischen Dokumente verlaufe – das Gefühl dafür zu verlieren, dass es immer auch andere Herangehensweisen an wissenschaftliche Fragen gibt, die zu gewinnbringender Forschung und zum besseren Verstehen gesellschaftlicher Prozesse beitragen.

Porträt von Paul Skäbe

Während wir als Team natürlich eine inhaltliche Kohärenz voraussetzen müssen, eröffnet das Lab die Möglichkeit, Einblick in Forschungen zu erhalten, die erstmal sehr weit weg vom eigenen wissenschaftlichen Rahmen erscheinen.

Paul Skäbe

Wie helfen Ihnen das LeipzigLab und die Arbeitsgruppe bei der Forschung?

Ich sehe das LeipzigLab als eine gewinnbringende Erweiterung der ohnehin schon wertvollen Möglichkeiten, die die Arbeitsgruppe „Global Health“ bietet. Während wir als Team natürlich eine inhaltliche Kohärenz voraussetzen müssen, eröffnet das Lab die Möglichkeit, Einblick in Forschungen zu erhalten, die erstmal sehr weit weg vom eigenen wissenschaftlichen Rahmen erscheinen. Dabei wird dann aber oft klar, dass es mehr Gemeinsamkeiten gibt als ursprünglich angenommen und dass es trotz unterschiedlicher Methoden und manchmal sogar unterschiedlicher wissenschaftlicher Sprache(n) immer Räume für spannenden und produktiven Austausch gibt.

Außerdem ist die Arbeit in der Arbeitsgruppe eine gute Stütze. Ich bin gerade von meiner zweimonatigen Archivreise in Chicago und Washington DC zurückgekehrt. Nach den ersten Wochen dort musste ich feststellen, dass einige meiner Vorstellungen von dem, was ich an historischen Quellen finden und dann damit in meiner Arbeit analysieren könnte, nicht den tatsächlichen Beständen entsprochen hat. Auf solche Schwierigkeiten zu treffen, gehört natürlich zur Wissenschaft dazu, aber kann trotzdem manchmal zur Verzweiflung führen. Der Austausch mit der Arbeitsgruppe hat mich dann aber schnell darin bestärkt, dass eine leichte Umformulierung meiner Forschungsfragen kein Weltuntergang ist, sodass ich mit mehr Optimismus meine Archivarbeit fortsetzen konnte.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Nahaufnahme von Karteiboxen eines historischen Archiv
Historisches Archiv, Foto: Colourbox

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und Ihrer Tätigkeit?

In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit einem hochinteressanten Moment in der US- und Globalgeschichte. Die Jahre 1918 bis 1920 sind aus einer europäischen Perspektive natürlich vor allem mit dem Ende des 1. Weltkrieg und seinen Folgen für den weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts verbunden: Nationalsozialismus, sowjetischer Kommunismus und der Anfang vom Ende der europäischen Kolonialimperien. Aber auch für die Vereinigten Staaten war diese Zeit voller Verwerfungen, Transformationen und Umwälzungen.

Dies gilt auch insbesondere für Schwarze Amerikaner:innen. Knapp 50 Jahre nach dem Ende der Sklaverei lebte ihr überwiegender Teil in extremen Armutsverhältnissen, in den ehemaligen Versklavungsbundesstaaten des Südens wurde ihnen die vollwertige Staatsbürger:innenschaft verwehrt, und rassistische Gewalt und Terror waren eine alltägliche Bedrohung. So fanden im so genannten „Red Summer“ 1919 überall im Land Ausschreitungen statt, die dieses Jahr zum tödlichsten im Kontext rassistischer Gewalttaten seit dem Ende des Bürgerkriegs 1865 machten.

Doch anstatt als passive Opfer diese Unterdrückungsformen hinzunehmen, sehen wir in dieser Zeit Schwarze Aktivist:innen eine Vielzahl von Kämpfen gegen die rassistischen Strukturen im Land annehmen. Diese bezogen sich auch insbesondere auf Fragen von Krankheit und Gesundheit. Die Kombination von sozio-ökonomischer Benachteiligung, rassistischer Segregation und quasi-legaler Diskriminierung zwang viele Schwarze Amerikaner:innen in unhygienische und überfüllte Stadtviertel, Räume, in den Viren wie Influenza einen idealen Nährboden finden konnten. Als die Influenza-Pandemie im Oktober 1918 ausbricht – die tödlichste des 20. Jahrhunderts – laufen also viele verschiedene historische Prozesse und Strukturen ineinander.

Was ist Ihr Lieblingsort in Leipzig?

Ich verbinde Leipzig eigentlich mehr mit einem Gefühl als mit besonderen Orten – ich wohne ja noch nicht so lange hier, aber habe die Stadt gleich als kreativ, offen, und vielseitig kennengelernt. Im Sommer auf der Eisenbahnstraße ein Falafeldürüm genießen, beim Cornern am Späti ein Sterni trinken oder in den Cossi springen wären solche Momente. Und dann sind da natürlich noch die unzähligen Parks, die zum Verweilen einladen! Last but not least, die Albertina-Bibliothek der Uni Leipzig ist ein wunderschöner Ort des Wissens – dort sitze ich manchmal einfach gerne ganz in Ruhe mit einem spannenden Buch.

Zum Schluss, dürfen wir fragen, wo Sie geboren sind?

Born and raised in Bremen an der Weser.

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