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Mit der Gründung der Universität Prag durch König Karl IV. 1348 beginnt eine neue Epoche der Bildungsgeschichte Mitteleuropas. Zahlreiche Landesfürsten und Städte haben seitdem ebenfalls Hohe Schulen gegründet: Wien (1365), Erfurt (1379/1392), Heidelberg (1386), Köln (1388), Würzburg (1402) und Leipzig (1409) stehen am Anfang der großen spätmittelalterlichen Bildungsexpansion. Nur wenige Universitätsgründungen dieser Zeit können wie Wien, Heidelberg und Leipzig auf ein kontinuierliches Bestehen zurückblicken.

Von Prag nach Leipzig

Bereits am Ende des 13. Jahrhunderts existierte in West- und Südeuropa eine blühende Hochschullandschaft. Mit der Gründung der Prager Universität durch den böhmischen und römisch-deutschen König Karl IV. zog 1348 der mitteleuropäische Raum nach. Reichlich 60 Jahre später war die Entwicklung in Prag Ausgangspunkt der Hochschulgründung in Leipzig. Das Interesse des neuen böhmische Königs Karl IV. galt jedoch seiner Geburtsstadt Prag: Er ließ den Veitsdom errichten, das Bistum zum Erzbistum erheben und erweiterte die Prager Stadtfläche auf das Dreifache. Die böhmische Metropole wurde damit zur drittgrößten Stadt nach Rom und Konstantinopel. Für sein Königreich brauchte Karl IV. gebildetes Personal, so gründete er 1348 in Prag die erste mitteleuropäische Universität. Sein Sohn und Nachfolger Wenzel IV. war weniger erfolgreich. Die Kurfürsten setzten ihn 1400 als römisch-deutschen König ab und wählten Ruprecht von der Pfalz. Auch als Herrscher in Böhmen war Wenzel mit Schwierigkeiten konfrontiert – Staat, Kirche und Gesellschaft befanden sich in einer langwierigen Krise. Aus politischen Gründen entschied sich Wenzel plötzlich für den in Pisa gewählten Gegenpapst, da er sich von ihm Unterstützung bei der Rückgewinnung der deutschen Königskrone erhoffte. Die deutschen Magister in Prag rieten indes zur Zurückhaltung, hatte doch der neue Deutsche König Ruprecht alle Akademiker davor gewarnt, sich vom römischen Papst loszusagen. Prag hatte von der Universität Paris die innere Gliederung in vier Universitätsnationen übernommen, in denen sich die Studierenden nach ihrem Herkunftsland zusammenschlossen. Nach ihren Studieninhalten gegliedert in vier Fakultäten: Artistenfakultät, Medizinische Fakultät, Juristische Fakultät und Theologische Fakultät.

Böhmen und Deutsche in Prag

Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts stiegen die Studenten- und Magisterzahlen der böhmischen Nation. Allerdings bekamen nur wenige eine Kollegstelle, die eine dauerhafte materielle Absicherung gewährte. Schon 1384 brach ein heftiger Streit um die Besetzung dieser Stellen im Karlskolleg aus, und künftig blieben fünf von zwölf Plätzen der böhmischen Nation vorbehalten. Aus Protest gegen diese Benachteiligung verließ eine Reihe namhafter Magister die Prager Universität. Im Frühjahr 1409 entzündete die böhmische Nation diesen Konflikt erneut. Die tschechischen Magister konnten den politisch bedrängten König Wenzel auf ihre Seite ziehen. Mit dem Kuttenberger Dekret vom 18. Januar 1409 erhielt die böhmische Nation in allen universitären Gremien die unbedingte Stimmenmehrheit. Die drei Nationen der Sachsen, Bayern und Polen hatten zusammen nur noch eine Stimme. Dies war ein Affront, der die bisherige Universitätsverfassung auf den Kopf stellt.

Die deutschen Magister und Studenten boykottierten die im Frühjahr 1409 anstehenden Neuwahlen, der deutsche Rektor und der deutsche Dekan der Artistenfakultät blieben einfach im Amt. Die böhmischen Magister, angeführt durch Jan Hus, konnten den schwankenden Wenzel auf ihre Seite ziehen. Der königliche Kommissar Nikolaus von Lobkowitz drangen mit Prager Ratsherren unter bewaffnetem Schutz in eine Sitzung der deutschen Magister ein. Die bewaffneten Böhmen setzten Rektor und Artistendekan ab, sie beschlagnahmten Siegel, Zepter und Matrikel. Der König begründete sein Eingreifen mit dem ausufernden Streit zwischen den Universitätsnationen. Ein Protest gegen die königliche Entscheidung erschien zwecklos. Mehrere Hundert Magister und Scholaren verließen im Frühjahr 1409 die Universität Prag und zogen nach Leipzig.

Lange bevor der auf den 9. September 1409 datierte päpstliche Stiftungsbrief in Leipzig eintraf, war der Lehrbetrieb aufgenommen worden. Die Artistenfakultät hatte sich bereits im Oktober zusammengeschlossen und einen Dekan gewählt. Der Gründungswille der Magister stieß auf das Interesse der wettinischen Landesherren. Deren Kanzler Nikolaus Lubisch besuchte im Mai 1409 das Konzil in Pisa. Lubich stammte aus dem Eisenacher Bürgertum, hatte in Wien und Prag studiert und wirkte von 1389 bis 1401 als Prokurator an der Kurie in Rom, war vertraut mit der Praxis und den Gepflogenheiten der kurialen Verwaltung. Seit 1400 hatte er das Dekanat der Erfurter Marienkirche inne und war damit Kanzler der Erfurter Universität. Lubich erreichte in erstaunlich kurzer Zeit, was sich sonst über Jahrzehnte hinziehen konnte: die notwendige Bestätigung durch den gerade gewählten Papst Alexander V. zur Gründung der Universität Leipzig.

9. September 1409

Zur Genehmigung des Papstes für die Gründung einer neuen Universität in Leipzig kam es auf dem Konzil von Pisa am 9. September 1409. Bereits am 24. Oktober 1409 hatten Magister der Artistenfakultät ihren Dekan und die prüfungsberechtigten Magister gewählt. Bis zum 2. Dezember war Henning Boltenhagen (um 1365 – 1435) Rektor der Universität.

2. Dezember 1409
Feierliche Gründung der Universität Leipzig

Am 2. Dezember 1409 wurde im Refektorium des Augustiner-Chorherrenstiftes zu St. Thomas schließlich feierlich die Satzung der Universität verlesen und der erste Rektor, Johann Otto von Münsterberg, im Beisein der Markgrafen Friedrich und Wilhelm von Meißen gewählt. Die Eröffnungsfeier am 2. Dezember 1409 markierte den Abschluß eines langen Prozesses und Zeitraumes, in dem die Universität nach und nach ihren Lehrbetrieb aufgenommen hatte. Eine Erklärung dafür, dass keine gesiegelte fürstliche Stiftungsurkunde überliedert ist. Der Stiftungserlaß existiert noch als Abschrift und ist auf den 2. Dezember datiert. An diesem Tag verlas man außerdem die päpstliche Papstbulle: „Papst Alexander V. erteilt in einer aus Pisa datierten Bulle die Genehmigung zur Errichtung der Universität Leipzig. Markgraf Friedrich der Streitbare überläßt der Universität zwei Kollegiengebäude, das Große Kolleg an der Ritterstrasse und das kleine Kolleg an der Petersstrasse.“ (Quelle: Kleine Chronik der Universität Leipzig, Wilhelm Burgmüller)

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist die Gründungsurkunde der Universität Leipzig
Übergabe der Gründungsurkunde von Friedrich IV. an Rektor Johannes von Münsterberg. Quelle: Universitätsarchiv

Johannes von Münsterberg erster Rektor der Leipziger Universität

Der erste Leipziger Rektor, Johann Otto aus Münsterberg, schreibt wohl noch im Dezember 1409, die Namen seiner Prager Magister und Doktoren auf. Neben den 46 graduierten Akademikern sind auch 22 Studenten direkt mit ihren Lehrern nach Leipzig gekommen. Die Namen der renommierten Lehrer ziehen weitere Studenten an, der lateinische Wunsch Münsterberg nach Gedeihen und Wachstum der neugegründeten Universität erfüllt sich. Der Schlesier Johann Otto aus Münsterberg (um 1365 – 1460) war der erste gewählte Leipziger Rektor. Er gehörte der Polnischen Nation an. Man hatte ihm das Amt übertragen, weil er in Prag bereits Rektor war. Die Polnische Nation hatte damals allerdings auch die meisten Mitglieder.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist ein Gemälde des ersten Rektors Johann Otto aus Münsterberg
Der Schlesier Johann Otto aus Münsterberg (um 1365 – 1460) war der erste gewählte Leipziger Rektor. Quelle: Universitätsarchiv

Aus welcher Nation der jeweils nächste Rektor kommen sollte, bestimmte die zur Gründung festgelegte Reihenfolge: Polonus, Saxo, Misnensis und Bavarus. Bei dieser Reihenfolge blieb es nicht, später kam es in Leipzig zu der Formel: M. S. B. P., im Jahre 1438 zu S. M. B. P.. In Erinnerung an die Gründungsfeier 1409 wird heute der „dies academicus“ am 2. Dezember begangen. Nach der Gründung der Universität setzte der Papst den Bischof des Bistums Merseburg als Kanzler der Universität ein, in dessen Diozöse Leipzig lag. Papst Alexander V. meinte es Ernst mit der Förderung der Universität. In der „Bulla conservatorii“, die er am 9. Dezember 1409 an den Bischof zu Merseburg und an das Domkapitel zu Naumburg richtete, wies er an, die Einkünfte und Güter der Scholaren und Magister zu schützen. Zugleich erteilte der Papst die Vollmacht, Verstöße gegen seine Anordnungen zu ahnden und Schuldige zu bestrafen.

 

  • „Zu Ehre Gottes des Allmächtigen, der ruhmreichen Jungfrau Maria und des ganzen himmlischen Heeres wie auch zum Besten der heiligen Mutter Kirche“ heißt es in der landesherrschaftlichen Gründungsurkunde, „wünschen wir, Friedrich der Ältere und Wilhelm, leibliche Brüder, durch Gottes Gunst und Milde Landgrafen von Thüringen, Markgrafen von Meißen und Pfalzgrafen von Sachsen, zu fruchtbaren Fortkommen der Leipziger Universität… dass künftig an dieser Universität vier Nationen, nämlich Meißner, Sachsen, Bayern und Polen, bestehen sollen…“.
    P.S.M.B.

In dieser Bulle weist der Papst nach der Gründung der Universität den Bischof zu Merseburg und das Naumburger Domkapitel an, die Universität zu schützen.
Bald verfügte die Universität über eine eigene Gerichtsbarkeit, der die Angehörigen der Universität unterworfen waren. Ein Erlaß des Merseburger Bischofs Nikolaus von Lübeck berechtigte die Universität, die ihrer Gerichtsbarkeit unterworfenen Mitglieder zu „Incarcerieren“ im Universitätsgefängnis, dem Universitätskarzer. Leipzig war die erste Universitätsstadt im Nordosten des Reiches. Der Ort sei, so heißt es in der päpstlichen Urkunde, eine volkreiche Stadt, in gesunder Gegend gelegen, mit ausreichend Nahrungsmitteln für Gäste, mit bildungsfreudigen und wohlgesitteten Bürgern.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Bulle des Papstes Alexander V., ausgestellt am 19. Dezember 1409 in Pistoja. Quelle: Universitätsarchiv Leipzig
Bulle des Papstes Alexander V., ausgestellt am 19. Dezember 1409 in Pistoja. Quelle: Universitätsarchiv Leipzig

Kurze Chronik der Geschichte der Universität Leipzig

  • Mai 1409: Mit dem Auszug deutscher Studenten und Professoren aus der Prager Karls-Universität nach Leipzig beginnt die Geschichte der Universität.
  • 2. Dez. 1409: Die Universität wird im Thomaskloster offiziell gegründet, der Studienbetrieb startet mit 46 Magistern und Doktoren und 369 Studenten.
  • 1415: Gründung der Medizinischen Fakultät.
  • 1446: Gründung der juristischen Fakultät.
  • 1519: Leipziger Disputation: Das Streitgespräch zwischen dem katholischen Theologen Johannes Eck und den Reformatoren Luther, Karlstadt und Melanchthon markiert den Bruch zwischen Rom und Lutheranern.
  • 1542 Gründung der Universitätsbibliothek.
  • 1545 Neuordnung des Lehrbetriebs, die Uni übernimmt die reformatorische Lehrnorm.
  • 1580 Die Universität verfügt über 23 Professuren und etwa 600 Immatrikulierte.
  • 1682 Leipzig wird Mittelpunkt für die Herausgabe gelehrter Zeitschriften und eine der Geburtsstätten des deutschen Journalismus.
  • 1760: Die Stadt Leipzig hat etwa 30.000 Einwohner – gut 600 davon Studenten.
  • 1810: Eröffnung einer Frauenklinik durch die Universität.
  • 1833: Die Universitätsbibliothek öffnet täglich.
  • 1845: Die 450-Jahr-Feier vertieft das Miteinander zwischen bürgerlicher Universität und der Stadt Leipzig.
  • 1870: Frauen werden erstmals als Gasthörerinnen zugelassen.
  • 1884: Eröffnung des Instituts für experimentelle Psychologie – des ersten der Welt – durch Wilhelm Wundt.
  • 1897: Feierliche Einweihung des Universitätsneubaus am Augustusplatz.
  • 1906: Frauen werden zum Studium zugelassen.
  • 1927: Erste Professur für Hirnforschung in Deutschland.
  • 1945: Bei Kriegsende ist die Universität größtenteils, der Bibliotheksbestand zu 70 Prozent vernichtet.
  • 1946: Wiedereröffnung der Universität.
  • 1953: Der Universität wird der Name „Karl-Marx-Universität“ verliehen.
  • 1968: Sprengung der Universitätskirche und des Augusteums für einen Neubaukomplex im sozialistischen Stil.
  • 1991: Nach Wende in der DDR und deutscher Einheit Rückkehr zum alten Namen Universität Leipzig
  • 1993: Die Neugründung der in den 50er Jahren aufgelösten Fakultäten ist abgeschlossen.
  • 2002: Architektur-Wettbewerb für einen neuen Universitätscampus am Augustusplatz.
  • 2009: 600-Jahr-Feier und Eröffnung des neuen Campus.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf der Seite des Universitätsarchivs Leipzig.

Dr. Jens Blecher

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