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Wenn Petra Riedinger-Andrä nach ihrem persönlichen Highlight in der Geschichte des Internationalen Trainerkurses (ITK) an der Universität Leipzig gefragt wird, fällt ihr beispielhaft die Corona-Zeit ein. Als im März 2020 der Lockdown kam, musste das Konzept blitzschnell angepasst werden: Die Kursteilnehmenden machten ihre Übungen im Treppenhaus oder sogar in ihren Betten, filmten sich dabei für die spätere Auswertung. Die Theorie bekamen sie per Online-Kurs am Laptop in ihre Wohnheimzimmer übermittelt. Das alles wurde innerhalb einer Woche möglich gemacht, während andernorts noch gegrübelt wurde. „Der ITK war eben einzigartig und ist es noch immer“, schwärmt Projektleiterin Riedinger-Andrä. In diesem Jahr feiert dieses weltweit in der Form wohl tatsächlich einzigartige Weiterbildungsangebot für Trainer:innen, Sportler:innen und Sportlehrer:innen aus aller Welt seinen 60. Geburtstag. Gefeiert wird am 30. Oktober 2024.

„Wir haben für diesen Tag ein buntes Programm zusammengestellt, das schon morgens 8 Uhr beginnt“, berichtet Riedinger-Andrä. Das Team und die aktuellen ITK-Teilnehmenden laden Uni-Mitarbeitende und geladene Gäste zum Frühsport ein. Danach gibt es eine Festveranstaltung, an der unter anderem Menschen teilnehmen, ohne die der ITK möglicherweise die Wendezeit nicht überstanden hätte. Im Abschluss wird eine Ausstellung in der Pausenhalle der Sportwissenschaftlichen Fakultät auf dem Campus Jahnallee eröffnet. Fotos und bewegte Bilder erzählen von der abwechslungsreichen Geschichte des ITK. Dafür wurden alte Filme auf VHS-Kassetten aus den 1990ern digitalisiert. 

Erster Kurs startete am 1. April 1964

Die Bilanz der vergangenen sechs Jahrzehnte, von denen Riedinger-Andrä und ihre Kollegin Simone Zimmermann berichten, kann sich sehen lassen: Seit der Gründung des ITK am 1. April 1964 an der damaligen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig waren 5.832 Kursteilnehmende aus 147 Ländern zu Gast in Leipzig. Damals, so Zimmermann, sei der ITK auf Geheiß der SED-Funktionäre ins Leben gerufen worden, damit die DDR über den Sport auf internationalem Parkett an Renommee gewinnen kann. Trainer:innen und Sportlehrer:innen aus verschiedenen Ländern, in denen es meist keine Sportinstitute oder Sporthochschulen gab, kamen in der Regel für acht Monate an die DHfK nach Leipzig, um sich zunächst Grundlagen der Trainingswissenschaften und der Körpererziehung anzueignen und sich später auch in Theorie und Praxis auf bestimmte Sportarten zu konzentrieren. Ab Ende der 1970er Jahre war der ITK dann auch für den Leistungssport sehr bedeutsam: Damals tauschten die Sportfunktionäre Plätze für DDR-Spitzensportler:innen in Höhentrainingslagern in Äthiopien oder Tunesien gegen Teilnehmerplätze im ITK ein. Finanziert wurden die Kurse damals ausschließlich von der DDR. 

„Gewisse Penetranz“ war fürs Überleben notwendig

ITK-Mitarbeiterin Simone Zimmermann, die schon kurz nach der Wende als studentische Vertreterin bei der Gründung der Sportwissenschaftlichen Fakultät dabei war, nennt ihr persönliches Highlight der 60-jährigen Kursgeschichte: „Für mich ist es die Tatsache, dass der ITK überhaupt die Wende überlebt hat.“ Das habe zweifellos eine „gewisse Penetranz“ der richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort erfordert. Zunächst, so sagt sie, sei der damals laufende Kurs beendet worden. Dann sei aus dem ITK ein Jahresprojekt geworden, bis die Kurse regelmäßig zweimal jährlich stattfanden. Heute wird der ITK an der Universität Leipzig vom Auswärtigen Amt und vom Freistaat Sachsen gefördert. 

Ein Konzept wie das des ITK – davon ist Riedinger-Andrä überzeugt – gibt es weltweit nirgendwo anders. „Dieses Format, dass an einer Hochschule verschiedene Sportarten in rotierendem Format in mehreren Sprachen mit Praxisbezug angeboten werden, ist einzigartig.“ Die Teilnehmenden aus Afrika, Asien, Europa und Amerika lernen Leipzig und andere Teile Deutschlands, unsere Kultur und unser Sportsystem kennen. Sie trainieren, arbeiten und leben mehrere Monate gemeinsam, lernen sich untereinander und auch die Kultur ihrer Mitstreiter:innen kennen. „Diese neuen menschlichen und interkulturellen Erfahrungen tragen zur Völkerverständigung und zum Abbau von Vorurteilen bei“, weiß sie. Die Teilnehmenden „saugen“ das in Deutschland erworbene Wissen auf und wenden es in ihren Heimatländern an. 

Weiterführende Projektarbeit nach der Rückkehr in die Heimat

Wer sich für einen ITK-Kurs bewirbt, muss ein abgeschlossenes Studium und Praxiserfahrungen als Trainer:in, Sportler:in oder Sportlehrer:in in der Heimat vorweisen können. Einige haben dafür sogar daheim ihre Jobs aufgegeben und gehen nach der insgesamt fünfmonatigen Weiterbildung in Leipzig ins Ungewisse. Damit der Wiedereinstieg zu Hause gelingt, wird eine nachgeschaltete, onlinebasierte Begleitung in Form von Tutorien nach der Rückkehr angeboten. In der Heimat setzen die Teilnehmenden ihr eigenes Projekt um, das sie zuvor in ihrer Zeit in Leipzig konzipiert haben. Das können beispielsweise Schwimmkurse für Schwangere, Sportkurse für Kinder oder inklusive Sportangebote wie Sitz-Volleyball sein.

Wofür der ITK steht? Auch bei dieser Frage muss Petra Riedinger-Andrä nicht lange überlegen. „Wir stehen für ein hohes akademisches Niveau, bilden Teilnehmende aus aller Welt fachlich und persönlich weiter. Der ITK ist bunt, fordernd und definitiv auch ein Familienname.“

 

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