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Der Kunstfotograf und Informatik-Alumnus der Universität Leipzig, Ruslan Hrushchak, macht derzeit mit einem Bildband von sich reden, dessen bevorstehende Veröffentlichung zeitgemäßer nicht sein könnte: „The Road Beyond“ – „Die Straße dahinter.“ Darin gesammelt sind Landschaftsaufnahmen und preisgekrönte Reportage-Fotos aus der Ukraine, die er im Laufe von mehr als zehn Jahren auf Reisen durch seine Heimat angefertigt hat. Abgebildet sind Familienangehörige sowie Menschen, denen er unterwegs begegnet ist, deren Geschichten er kennt. Begleitet werden die Fotos von Gedichten der ukrainischen Schriftstellerin und Regisseurin Iryna Tsilyk.

„Ich habe schon immer Fotos gemacht“, sagt Ruslan Hrushchak. „Aber früher war das eher für mich selbst.“ Dies änderte sich, als er nach seinem Informatikstudium an der Universität Leipzig eine IT-Firma gründete und sich in die Arbeit hineinkniete. In seiner Freizeit suchte er einen künstlerischen Ausgleich. „Das brauchte ich dringend. Als Jugendlicher hatte ich eine Band gehabt und mein erstes Studium in der Ukraine war Journalistik gewesen“, berichtet er.

Als sein Vater in der Ukraine dann bei der Weinernte einen schweren Unfall erlitt, und die ganze Familie in Sorge war, merkte Ruslan, dass er kaum Fotos von seinen Familienangehörigen in der Ukraine hatte, die er einmal seinen Kindern würde zeigen können. „Das hat mich zum Umdenken gelenkt – was ich fotografiere und warum.“ Von nun an machte er gezielte Fotoreisen in die Ukraine. „Ich wollte jeden einzelnen Verwandten abbilden – alle – und zwar so, wie sie leben und dazu jeweils ein Porträt.“ Auf dem Weg lernte er viele fremde Menschen kennen, ihre Landschaften und Umgebungen. „Das waren ganz spannende Geschichten.“ Viele von ihnen findet man im Bildband. Da sind die zwei älteren Schwestern in den Bergen, die sinnend aus dem Fenster schauen und überlegen, wie die Schlusszeile eines alten ukrainischen Liedes endet. Da ist ein Mönch im Kloster, der ernst in die Kamera blickt, und da sind zwei junge Frauen, die in einem Pendlerzug kurz wegnicken, während sich außerhalb des Zugs eine gemäldegleiche Landschaft erhebt. „Der Ort, die Stimmung, das Licht, der richtige Moment – das zu finden ist eine Herausforderung, die ich spannend finde“, sagt der Fotograf. Für ihn ist die Fotografie ein kreativer Rückzugsort von der Arbeit. Seine Firma appPlant hat inzwischen zehn Mitarbeiter. In einer Kooperation mit der Universität Leipzig entwickelt sie eine Software, die blinde Menschen befähigt, sich mit Handy oder Smartwatch in Innenräumen sprachgesteuert zu orientieren.

Berufsbegleitend hat Ruslan Hrushchak in den vergangenen Jahren Seminare bei Ludwig Rauch an der renommierten Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin besucht sowie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Mit seinen Arbeiten der Reportage-Fotografie hat er internationale Wettbewerbe gewonnen, seine Arbeiten wurden in Galerien in Berlin, New York, Mailand, London und Tokio ausgestellt. „Der Austausch mit Anderen ist mir unheimlich wichtig.“ Einer seiner engsten Kooperationspartner war der frühere Pepperoni-Books-Verleger Hannes Wanderer in Berlin. Mit ihm arbeitete Ruslan Hrushchak fast ein Jahr am Vorläufer des Bildbands, den Ruslan selbst „Rodina moja“ betitelte. Auf Ukrainisch bedeutet dies „meine Familie“, auf Russisch „meine Heimat“. „Das gefiel mir“, sagt er. Doch nur wenige Tage vor der Finalisierung des Projekts starb Hannes Waderer überraschend. Das war 2018. Für Ruslan Hrushchak ein Schock. 2020 nahm er nochmals Anlauf, ging auf die namhafte Kominek-Galerie zu, deren eigener Verlag Fotobücher herausgibt. Neue Fotos kamen zur Sammlung hinzu. Zwischen den Bildern finden sich nun zehn Gedichte von Iryna Tsilyk – eigens für die Sammlung geschrieben, bedruckt auf Pergamentpapier. Wie ein Familienalbum nimmt sich der Band aus.

„Als der Krieg ausbrach, waren wir alle schockiert“, so Ruslan Hrushchak. Iryna Tsilyk sei mit ihrem zehnjährigen Sohn vor einigen Tagen von Kiew nach Lwiw gefahren, sagt er. Ins Ausland fliehen wolle sie trotz vieler Angebote nicht.

„Als ich mit Hannes Wanderer damals über das Buch sprach, war schon der Donbas-Krieg im Gange“, erinnert er sich. „Er sagte schon damals zu mir: ‚Krieg zeigt jeder. Aber du zeigst Familie, Frieden, Geborgenheit, Liebe.‘ Das ist das, was das Buch ist.“

Der Bildband „The Road Beyond“ umfasst rund 140 Seiten und erscheint auf Englisch und Ukrainisch. Er ist für 50 Euro im Vorverkauf beim Kominek-Verlag erhältlich und soll ab Mitte April ausgeliefert werden. Von jedem verkauften Buch geht ein Fünftel als Spende für die Not- und Katastrophenhilfe in die Ukraine.

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