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Ein Zufallsfund schließt eine Lücke im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli: Der Rahmen des Carpzov-Epitaphs im Andachtsraum des Paulinums war bei der Restaurierung der Epitaphien 2009 unvollständig geblieben. Zufällig wurde das fehlende Fragment später wiederentdeckt und konnte 2021 wieder angebracht werden. Restauratorin Claudia Nicolaisen-Luckenbach von der Kustodie berichtet im Interview mit Kustodie-Mitarbeiterin Janina Nassauer von der Konservierung und Anbringung des wertvollen Fundes.

Frau Nicolaisen-Luckenbach, was machte die jüngsten Restaurierungsarbeiten am Carpzov-Epitaph so besonders?

Es handelt sich hierbei um einen überraschenden Fund eines verloren geglaubten Fragments eines der im Andachtsraum des Paulinums ausgestellten Epitaphien. Seit der 2002 erfolgten Bestandserfassung und Neusortierung der über Jahre eingelagerten Epitaphteile galten am Epitaph für den Juristen Benedikt Carpzov der Jüngere zwei wesentliche Elemente als verloren: das Bildnis des Stifters selbst und die äußere Rahmenhälfte des Porträts seiner ersten Ehefrau Regina Carpzov, geborene von Clausbruch, an der linken Epitaphseite.

Im Zuge der Restaurierung 2009 wurde, gemäß den historischen Aufnahmen, eine zur rechten Rahmenarchitektur gespiegelte Nachbildung aus Holz angefertigt. Anschließend wurde sie mit der original erhaltenen Rahmenhälfte verleimt und am Epitaph montiert. Die Nachbildung blieb holzsichtig. Das heißt, sie wurde optisch nicht dem originalen Rahmen angepasst. So waren Original und Ergänzung optisch leicht voneinander zu unterscheiden.

Wie kam es zu dem Fund?

Wie es der Zufall so will, entdeckte Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, der Leiter der Kustodie, letztes Jahr bei Recherchen zu einem anderen Projekt das Originalfragment in der Datenbank des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. Professor Hiller war sofort klar, dass es sich hierbei um das verschollene Rahmenfragment des Epitaphs handelt. Dank guter Zusammenarbeit mit dem Museum konnte das Fragment zeitnah an uns übergeben werden.

In welchem Erhaltungszustand war das Rahmenelement?

Wir kannten bislang ja nur die anderen Bauteile des Epitaphs, die vor Jahren aufwändig konserviert wurden. Sie waren damals in einem entsetzlichen Zustand: Unter Einfluss von zu viel Feuchtigkeit hat das sowieso schon vorgeschädigte Holz, aus dem das Epitaph gefertigt ist, stark reagiert, so dass sich die aufliegende Farbschicht abgelöst hatte und zum Teil nur noch in losen Schollen auflag.

Deshalb war der direkte Vergleich interessant: dieses Fragment hat nach 1968 eine andere Geschichte durchlebt und wurde offensichtlich unter günstigeren Bedingungen aufbewahrt, denn die Schäden waren deutlich geringer. Fehlstellen und Lockerungen gab es zwar auch, aber lange nicht in dem Ausmaß, wie wir es von den anderen Teilen kannten.

Welche Maßnahmen haben Sie durchgeführt?

Wichtig war in erster Linie die Konservierung, also die Bestandssicherung: Lose Stellen wurden gefestigt, die Oberfläche gereinigt und Fehlstellen farblich mit Aquarell eingetönt. Das sind jedoch Routinemaßnahmen im Restaurierungsalltag.

Gab es besondere Herausforderungen bei diesem Projekt?

Besonders aufregend wurde es, als die Arbeiten am eigentlichen Epitaph ins Spiel kamen: Damit wir die originalen Rahmenhälften nach all der Zeit wieder zusammenfügen konnten, stand zunächst die „Entrestaurierung“ des Epitaphs auf der To-Do-Liste. Das heißt, wir mussten die Nachbildung von 2009 wieder entfernen. Für die Abnahme, ebenso wie für die spätere Wiederanbringung, haben wir mit einem großen Gerüst gearbeitet – das ist absolut keine alltägliche Arbeit für uns.

Anschließend galt es anhand von Konstruktionszeichnungen und dokumentarischen Fotos herauszufinden, wie das Seitenteil abzunehmen ist. Denn der Unterbau des Epitaphs besteht aus einer tragfähigen Schienenkonstruktion, an der die fragilen Einzelteile punktgenau befestigt sind. Unterstützt wurden wir dabei von dem Restaurator Johannes Schaefer aus Altenburg, der dem Epitaphienprojekt seit vielen Jahren verbunden ist und die Objekte gut kennt. Er führte die Abtrennung der modernen Ergänzung von der originalen Rahmenhälfte durch und bereitete die Wiederverleimung vor. Tatkräftig beteiligt waren auch Nico Hempel, ebenfalls Mitarbeiter der Kustodie, und unsere damalige Restaurierungspraktikantin Helen Lottmann, für die es ein spannendes Einstiegsprojekt war.

Wir sind sehr froh, dass die Rahmenarchitektur nun wieder komplett ist und sich prächtig präsentiert! Jetzt fehlt nur noch das Porträt von Benedikt Carpzov, nach dem wir weiterhin auf der Suche sind.

 

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