Nachricht vom

Kurz vor der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli im Jahr 1968 wurden so viele Grab- und Schmuckelemente geborgen, wie in der Kürze der Zeit möglich war. Zu den geretteten Kunstschätzen zählt auch das Epitaph für den Theologen Hieronymus Kromayer von 1683. Der Kopf der bekrönenden Christusfigur allerdings galt als verloren – nun ist er wieder aufgetaucht. Kustos Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen berichtet über die Abenteuerreise dieses Kopfes und dessen Rückkehr nach Leipzig.

In den sieben Tagen vor der Sprengung der Universitätskirche am 30. Mai 1968 erlaubten die staatlichen Behörden immerhin, dass eine Gruppe von Handwerkern aus der städtischen Denkmalpflege Teile des wertvollen Inventars bargen, was immer in dieser Zeit aus der Wand gelöst und abtransportiert werden konnte. Die Werke wurden in ihre Baugruppen zerlegt und hastig im Kellergeschoss des ehemaligen Reichsgerichtsgebäudes eingelagert, wo sie über ein Jahrzehnt blieben. Von 1983 bis 2002 lagerten sie in einem Kunstdepot der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens in der Heilandkirche in Leipzig-Plagwitz, bevor sie in ein universitätseigenes Depot überführt werden konnten.

Dass unter diesen Umständen viele Werke fragmentiert überliefert wurden, verwundert nicht. Wie, wo und wann das Fehlende verloren ging, wurde allerdings so gut wie nie bekannt. Kürzlich ist allerdings zur Freude aller Mitarbeiter:innen der Kustodie ein bedeutsames Fragment wieder aufgetaucht: der Kopf einer Christusfigur vom 1683 entstandenen Epitaph für den Theologen Hieronymus Kromayer (1610-1670).

Bei dem aus Alabaster gefertigten Epitaph für Kromayer fällt auf, dass dort eine ganze Anzahl von Köpfen fehlt, die bei näherer Betrachtung mit einem Meißelhieb „geerntet“ schienen. Besonders misslich war, dass auch der Kopf der Christusfigur – eine Darstellung des auferstandenen Christus – zu den Verlusten zählte. Umso erfreulicher ist es, dass genau dieser Kopf jüngst wieder aufgetaucht ist und vor wenigen Tagen an die Universität Leipzig zurückgeführt wurde.

Vom Staatlichen Kunsthandel der DDR in Leipzig über Berlin nach Flensburg

Die Geschichte des Fundes klingt wie die Handlung eines Films: Im Herbst 2018, ein knappes Jahr nach der Eröffnung des Paulinums – Aula und Universitätskirche St. Pauli für die Öffentlichkeit, teilte ein Besucher aus dem hohen Norden mit, der Christuskopf des Epitaphs für Hieronymus Kromayer befinde sich in seinem Privatbesitz. Er habe ihn als junger Mann wenige Wochen nach der Kirchensprengung im Sommer 1968 im staatlichen Kunsthandel in der Großen Fleischergasse in Leipzig, unmittelbar hinter der Stasi-Zentrale gelegen, käuflich erworben und seither pfleglich aufbewahrt. Wie das Fragment in den Handel gelangte, ist bislang unklar.

Der Erwerber, Jan-Pieter Hecht, damals Medizinstudent im ersten Semester an der Humboldt-Universität Berlin, war in den späten 1960er-Jahren verschiedentlich in Leipzig zu Besuch und hatte den Kopf dort zufällig im Laden entdeckt und erworben. Seiner Aussage zufolge wurden dort keine weiteren Köpfe dieses Alabasterepitaphs angeboten.

Von Flensburg zurück ins Paulinum

1984 wurden Jan-Peter Hecht und seine Frau aus der DDR ausgewiesen. Sie zogen nach Flensburg, mit dem in Leipzig erworbenen Christuskopf im Gepäck. Im Herbst 2018, ein knappes Jahr nach der Eröffnung des Paulinums für die Öffentlichkeit, teilte Hecht mit, der Christuskopf des Epitaphs für Hieronymus Kromayer befinde sich in seinem Privatbesitz. Dieser Tage reiste das Ehepaar nach Leipzig, um den Alabasterkopf dem Kustos der Kunstsammlung der Universität Leipzig, Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, zu übergeben. „Es ist wirklich wunderbar, dass dieses für die Wirkung des Epitaphs zentrale Element nun an die Universität Leipzig zurückkehrt“, sagt er. Das Stück soll nun so bald wie möglich am ursprünglichen Ort montiert werden, wofür ein Gerüst und die Expertise eines Steinrestaurators erforderlich sind. Bis die Arbeiten ausgeführt werden können, werde der Kopf wohl noch einige Zeit durch das dort als Platzhalter montierte, eloxierte Aluminiumelement aus der Werkstatt des Metallkünstlers Thomas Leu aus Halle/Saale vertreten werden. Das Original wird im Paulinum solange in einer Vitrine gezeigt. Will man ihm noch mal ins Auge blicken, sollte man diese einmalige Gelegenheit nutzen.

Das für den Theologen Hieronymus Kromayer errichtete Alabasterepitaph gehört zu den monumentalen Erinnerungsmalen des 17. Jahrhunderts aus der einstigen Universitätskirche. Das Hauptrelief zeigt die Grablegung Christi. Bleibt zu hoffen, dass künftig noch andere fehlende Epitaphfragmente aufgefunden werden und ihre Besitzer sich ebenso bereitwillig von ihrem Schatz trennen.

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.