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Den freundlichen Satz „Welcome to Egypt“ hört Dr. Dietrich Raue öfters, wenn er durch die Straßen Kairos geht. Die Einheimischen halten ihn für einen Touristen und begegnen ihm mit „fest verwurzelter Freundlichkeit“, wie Raue es nennt. Der ehemalige Kustos des Ägyptischen Museums Georg Steindorff der Universität Leipzig ist seit Oktober 2022 Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo. Das DAI ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, mit Zentrale in Berlin und Standorten in Amman, Athen, Bonn, Damaskus, Frankfurt, Istanbul, Kairo, Madrid, München, Peking, Rom und Teheran. Den Schritt weg aus Leipzig habe er nicht bereut, betont der 57-Jährige.

„Ich war nie aus Kairo und auch nicht aus Leipzig hundertprozentig weg“, erzählt er. Immerhin hat Raue bereits von 2000 bis 2010 in der ägyptischen Hauptstadt gelebt und nun kehrt er regelmäßig vom Niltal an die Pleiße zurück. 

„Ich fand es immer schön in Leipzig“, berichtet der Ägyptologe bei einem Kurzbesuch Ende vergangenen Jahres an der Universität Leipzig. Er habe hier auch noch seine Wohnung, die er zum größeren Teil untervermietet. „Es kann nicht schaden, irgendwo in Deutschland mehr als ein Sofa zu haben“, sagt Raue mit der für ihn typisch-lockeren Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Selbstverständlich hat er bei seiner Stippvisite auch die ehemaligen Kolleg:innen im Ägyptologischen Institut/Ägyptischen Museum besucht. „Es ist einfach immer wieder schön, sie zu sehen“, sagt er. 

Neben den sozialen Kontakten führt ihn der Weg auch regelmäßig aus dienstlichen Gründen wieder in die alte Heimat, denn Raue hält pro Semester zwei Wochenstunden an der Alma mater als Blockseminar in ägyptologischer Archäologie. Er betreut Promotionen an der Universität, wo er nach wie vor Prüfungsrecht besitzt. Es kommen auch Studierende aus Leipzig als Praktikant_innen oder mit Hilfskraft-Veträgen zu ihm ans DAI nach Kairo. Nicht zuletzt gibt es enge Verbindungen zwischen seinem Institut und der Universität wegen der Grabungsarbeiten im Sonnentempel von Heliopolis, an denen Raue bereits in seiner Leipziger Zeit beteiligt war. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Dr. Dietrich Raue sitzt auf einem Stuhl und hält seinen kleinen, schwarzen Terminkalender in die Höhe.
Dr. Dietrich Raue: Der kleine, schwarze Terminkalender ist sein ständiger Begleiter. Foto: Susann Sika

Der kleine, schwarze Terminkalender ist sein ständiger Begleiter. Damit managt Raue seine stets vollen Arbeitstage am DAI. Die starten meist mit zwei Stunden für die Forschung, in denen er an Büchern oder Artikeln schreibt. Ab 10 Uhr ist – wie bereits in Leipzig – Raues Bürotür geöffnet für alle Anliegen seiner Kolleg:innen und für Besucher:innen.  Zum Monatsprogramm steht regelmäßig ein Jour Fixe mit der Kulturabteilung der deutschen Botschaft in dem schwarzen Büchlein. Während der Aufarbeitungskampagnen fährt er zur nahegelegenen Grabungsstätte nach Heliopolis und abends hält oder hört Raue Vorträge irgendwo in der Millionenstadt. 

Nahezu jeden Abend ist in Kairo ein für Raue interessanter Termin. Und oft vermischen sich dabei Dienstliches und Privates. Zusätzlich gibt es arabische Kinoabende mit Kolleg:innen, private Doppelkopfrunden oder gute Gespräche mit den zahlreichen durchreisenden Bekannten und Kolleg:innen – gerne in der historischen Altstadt Kairos. So oft wie möglich nimmt sich Raue die Zeit, im Pool eines Kairoer Hotels schwimmen zu gehen. Insgesamt komme er im Alltag mit seinem „Umgangs-Straßen-Arabisch“ gut klar. 

„Ägypten ist eine stabile Insel in einer ungeordneten Region“, so Raue, der nach eigenem Bekunden von Kairo nie genug bekommen kann, dieser quirligen, überfüllten Stadt mit so vielen Kulturreichtümern, in der Christen und Muslime friedlich zusammenleben. „Man fühlt sich einfach sicher hier“, berichtet Raue. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Auf dem Bild ist Dr. Dietrich Raue zu sehen, wie er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur ersten Pyramide in Saqqara bei Kairo führt, in der Wüste, im Hintergrund weitere Menschen.
Dr. Dietrich Raue führte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) im September 2024 zur ersten Pyramide in Saqqara bei Kairo. Foto: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bei einem Besuch in Kairo im September 2024 davon überzeugt. Das DAI half dem Bundespräsidialamt bei der Erstellung des Besuchsprogramms und Raue und sein stellvertretender Direktor, der Islamwissenschaftler Ralph Bodenstein führten das Staatsoberhaupt zur ersten Pyramide in Saqqara bei Kairo, sowie durch das historische Zentrum von Kairo.

Auch an Tagen ohne so hohen Besuch ist Raue gut ausgelastet. Im Gegensatz zu seiner Arbeit an der Universität Leipzig ist er nun weniger bei Grabungen vor Ort, sondern organisiert diese, wertet sie wissenschaftlich aus und arbeitet jetzt „deutlich mehr als früher unter den Kulturmittlerorganisationen“. Besonders am Herzen liegen ihm und dem DAI die Kooperationen mit den akademischen Institutionen im Gastland, deutschen Universitäten und europäischen Forschungseinrichtungen, Kulturerhalt, Weiterbildung ägyptischer Fachkräfte, „Überblicks- und vergleichende Forschung“ und die Aufbereitung geschichtsträchtiger ägyptischer Orte für den Besucherverkehr seien die wichtigsten Säulen des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo. Verstärkt wird in Kairo am DAI auch die Erforschung der islamisch gesprägten Epochen Ägyptens vorangetrieben. Das DAI beschäftigt in Kairo 20 Mitarbeitende, weitere Mitarbeiter sind an fünf Grabungshäusern im Land beschäftigt

2025 steht bei Raue als großes Vorhaben der Abteilung Kairo die Fortsetzung der Stadtgrabungen auf der Flussinsel Elephantine im Nil auf dem Programm. Im Februar, so hofft er, würden die älteren Schichten erreicht, die vom Stadtleben im Alten Ägypten 2900 vor Christus erzählen. Durch Grabungen in Dahschur wollen die Forschenden herausfinden, wie die Menschen gelebt haben, die die frühen Pyramiden um 2600 v. Chr. erbaut und dieses Unternehmen verwaltet haben. Dies sind nur zwei Projekte von vielen, in die Raue seine Expertise steckt. 

Zu Jahresbeginn kann man auch in Kairo „ganz hervorragend frieren“, wie Raue es ausdrückt. Die Häuser seien meist nicht auf kühlere Temperaturen bis zu 12 Grad ausgerichtet und hätten keine Zentralheizung oder Wärmedämmung. Bevor dann die Sonne im März wieder wärmt, dreht Dietrich Raue in seiner Kairoer Wohnung die Klimaanlage auf „Warm".

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