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Ob spartanisch eingerichtet oder schön dekoriert – jeder hat ein Bild von seiner idealen Wohnung vor Augen. Doch dieses Ideal vom schönen Wohnen muss uns nicht immer guttun, sagt Dr. Barbara Perfahl, Wohnpsychologin und Alumna der Universität Leipzig. Sie wird im Rahmen der Ringvorlesung Wohnen der Wissenschaftlichen Weiterbildung am 1. März über den Einfluss des Wohnens auf die Psyche sprechen. Im Interview im Universitätsmagazin gibt uns Barbara Perfahl einen Vorgeschmack darauf.

Was machen viele Menschen aus Ihrer Sicht falsch, wenn sie ihre Wohnung einrichten?

Dr. Barbara Perfahl: Oftmals sind es zwei Dinge, die bei der Gestaltung schieflaufen können. Viele richten ihre Wohnung nach ihrem Wohnideal und nicht nach ihren Wohnbedürfnissen. Jeder hat sicher eine Vorstellung von seiner idealen Wohnung. Dieses Bild speist sich zum Beispiel aus den Medien, aus der eigenen Wohngeschichte oder was wir bei anderen sehen. Diese Vorstellung muss aber nicht immer zu unseren Wohnbedürfnissen passen, die aber erfüllt sein sollten. Ansonsten richtet man seine Wohnung ein wenig an sich selbst vorbei ein.

Der andere Punkt betrifft unsere optische Wahrnehmung von einer Wohnung. Viele Menschen neigen dazu, zu viel in einen Raum zu packen: zu viel Deko, zu viele Möbel, zu viele Gestaltungsideen.

Sie haben gerade von Wohnbedürfnissen gesprochen. Welche können das sein und wie kann ich mir die bewusst machen?

Es gibt sechs Wohnbedürfnisse, etwa das Bedürfnis nach Sicherheit, nach Rückzug und Erholung oder auch nach Selbstdarstellung. Diese Bedürfnisse muss man zunächst erst einmal kennen, um dann mit Schlüsselfragen und einem geleiteten Prozess herausfinden, welche Aspekte für mich wichtig sind. Hab ich ein hohes Gestaltungsbedürfnis? Benötige ich das Gefühl von Sicherheit? Oftmals haben sich meine Kunden zum Beispiel noch keine Gedanken darüber gemacht, weil sie den persönlichen und psychologischen Zugang zum Thema Wohnen nicht kennen.

Was kann ich tun, wenn ich nun mal viele Dinge in meiner Wohnung unterbringen muss?

Es gibt bestimmte Möglichkeiten, seine Umgebung zu gestalten. Natürlich muss man sich hin und wieder auch von Dingen trennen. Ein anderer Weg ist es, seine Dinge auf eine bestimmte Weise anzuordnen. Ein Beispiel: Ein Raum sieht viel unruhiger und überfüllter aus, wenn ich zehn Bilder gleichmäßig verteilt an eine Wand hänge. Wenn ich die Bilder aber gruppiere, einmal sieben und einmal drei Bilder als Gruppe zusammenfasse, dann fasst unser Gehirn das automatisch als Gruppe zusammen und es wirkt viel ruhiger. So kann man Wahrnehmungsmechanismen geschickt nutzen und das eigene Umfeld deutlich ausgewogener gestalten.

 

  • "Jeder kann durch seine Wohnung gehen und schauen, wo hängt wirklich mein Herz dran und wo nicht.“
    Dr. Barbara Perfahl

 

Haben Sie vielleicht noch andere Tipps, wie man mit wenig Geld aus einer Wohnung ein Zuhause machen kann?

Unsere Wohnung sollte der Ort sein, an dem wir uns zu 100 Prozent wohlfühlen. Dafür ist es wichtig, dass in der Wohnung auch wirklich nur Einrichtungsgegenstände stehen, die ich wirklich mag. Und es ist erstaunlich, wie viele Menschen in ihrer Wohnung Dinge haben – seien es Möbelstücke, Bilder, Dekorationsobjekte –, die sie eigentlich nicht mehr mögen oder vielleicht noch nie gemocht haben. Jede Wohnung sollte idealerweise positiv besetzte Kontaktpunkte enthalten. Da kann jeder durch seine Wohnung gehen und schauen, wo hängt wirklich mein Herz dran und wo nicht. Noch ein anderer Aspekt: Oftmals werden Wohnungen deutlich gemütlicher und schöner eingerichtet, wenn die Funktionsbereiche klar voneinander abgegrenzt sind. Hier kann man mit Zonen arbeiten. Als Beispiel: Wenn ich eine Einraumwohnung habe, dann wohne, esse und schlafe ich in diesem Raum. Dann ist es wichtig, dass diese drei Bereiche optisch klar definiert und abgegrenzt sind.

Sie hatten es eingangs schon angesprochen: Warum ist es wichtig, die Psychologie mit dem Thema Wohnen zu verknüpfen?

Wohnen ist etwas ganz Elementares, es ist die Basis unseres alltäglichen Lebens. Wir verbringen sehr viel Zeit in unseren eigenen vier Wänden. Deshalb ist es wichtig, dass diese gestalteten Räume uns auch guttun. Man weiß aus vielen Studien, dass Räume und ihre Gestaltung einen Einfluss auf unsere Emotionen, unsere Gesundheit und unsere Beziehungen haben. Somit kann ich mit der Raumgestaltung viel bewirken.

Wenn ich jetzt kurz davor stehe, mir eine neue Wohnung einzurichten: Welche Fragen sollte ich mir stellen, bevor ich gleich los ins Möbelhaus fahre?

Das klingt sicher ein wenig banal, dennoch wird es oft nicht gemacht: Ich muss mir überlegen, welche Funktionen muss meine Wohnung für mich erfüllen? Welche Lebensbereiche müssen sich darin abbilden? Benötige ich beispielsweise zu Hause einen Arbeitsplatz? Und dann bin ich wieder bei den Wohnbedürfnissen. Wir müssen uns fragen: Was ist mir wichtig? Benötige ich einen Rückzugbereich oder muss eher repräsentativ gestaltet sein? Danach kann ich mir dann letztlich auch die Möbel aussuchen.

Was ist denn ihr liebster Ort in der Wohnung?

Das ist eine gute Frage. Mein liebster Platz befindet sich in meiner Küche. Sie hat ein Fenster zu einem sehr großen, begrünten Innenhof. Dort ist mein Sitzplatz mit einem kleinen Esstisch und da sitze ich gern zum Lesen, zum Kaffeetrinken und starte in den Tag.

 

Hinweis:

Die Ringvorlesung Wohnen startet bereits am 15. Februar 2022. Interessierte können sich dazu auf der Website der Wissenschaftlichen Weiterbildung anmelden und sechs Vorträge zum Thema Wohnen besuchen – sei es aus historischer Perspektive bis hin zu neuen Wohnformen.

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