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Am 31. Mai 1995, vor 30 Jahren, ging auf der Leipziger UKW-Frequenz 97,6 MHz das Ausbildungs- und Lokalradio der Universität Leipzig mephisto 97.6 auf Sendung. Das Ziel: unter realen Bedingungen die Basics der journalistischen Ausbildung Studierender in der Praxis zu üben, Erfahrungen zu sammeln. Nicht nur die Leipziger Medienlandschaft hat davon profitiert. Ehemalige „mephistos“ sind seitdem in vielen Medienredaktionen deutschlandweit präsent. Doch in der Coronazeit stotterte der Ausbildungsmotor. Wie ist der Motor seit dem wieder ins Laufen gekommen und wie hat sich das Programm seitdem entwickelt? Ein Besuch.

Leipzig am 31. Mai 1995: „Hier ist mephisto 97.6, das Uni-Radio. Ab heute sind wir täglich zu hören – fast täglich, und zwar montags bis freitags, jeweils von 10 bis 12 und von 18 bis 20 Uhr. Mein Name ist Tim Deisinger. Schönen guten Tag!“ So tönte es über die UKW-Frequenz 97,6 MHz, live aus dem Hörfunkstudio im Seminargebäude der Universität Leipzig. Der Moderator der ersten Stunde Tim Deisinger ist seit vielen Jahren bekannte Moderatorenstimme beim Nachrichtenradio MDR aktuell. mephisto 97.6 startete als Vollprogramm, auch wenn es nur vier Stunden am Tag sendet, als ein studentisch gemachtes Lokalradio, und das als Teil der Journalist:innenausbildung am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Das Prinzip: Während des Studiums angeeignetes Wissen praktisch anwenden – und dieses handwerkliche Wissen, die Erfahrungen, an die nachfolgenden Studierenden weitergeben. Das umfasst Recherche, Nachrichten- und Beitragsproduktion sowie Musikjournalismus genauso wie das Produzieren von Hörspielen und Features. 

Und dann kam im Jahr 2020 Corona – eine Zäsur in der Sendergeschichte, so Dr. Thomas Rakebrand vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Mitglied der insgesamt siebenköpfigen Programmdirektion: „Vor Corona haben wir von Beginn an vier Stunden live pro Werktag gesendet und ab 2018 auch über DAB+ sowie im Livestream im Rotationsbetrieb 24 Stunden rund um die Uhr. Während der Coronazeit gab es mehrere Lockdowns, währenddessen auch kaum jemand in den Sender kommen konnte. Es gab eine längere Sendepause und gar keine Livesendungen mehr.“

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Ein Redakteur spricht einen Beitrag unter einer Bettdecke ein.
mephisto 97.6-Redakteur während der Coronazeit bei der heimischen Beitragsproduktion. Foto: Leven Wortmann

Auch der ehemalige „mephisto“ Peter Komarowski erinnert sich:Das Grundsystem des Senders ist: Ich habe noch nie etwas mit Radio und Journalismus gemacht, lerne das von Leuten, die schon länger da sind, springe ins kalte Wasser, probier mich aus, mache Fehler, werte das mit den anderen aus, und das immer, um besser zu werden. Ergänzend bekomme ich Input durch Seminare. Dieses Zahnradsystem hat seit 25 Jahren wunderbar funktioniert und war auf einmal komplett abgebrochen. Die alten Leute gab es plötzlich nicht mehr. Sie hatten auf Radiomachen unter Corona-Bedingungen keine Lust“, sagt er, der einst auch Teil der studentischen Chefredaktion war und nun freier Journalist und Vorstandsmitglied des Alumninetzwerks Freundeskreis mephisto 97.6 e.V. ist, das die Ausbildung im Sender unterstützt. Mehrere mephisto-Generationen seien weggebrochen, wobei in diesem Sender eine Generation dem Zeitraum eines Semester entspricht. Radio unter Corona-Bedingungen bedeutete: Das Produzieren von Beiträgen und Podcasts zuhause, eingesprochen wurden diese meist unter dem heimischen Wäscheständer (das Universitätsmagazin berichtete).

mephisto ist für mich ein Wohlfühlort und gleichzeitig ein riesiges Sprungbrett – und ein Ort, um sich auszutoben.

Siska Kinner

Eine, die während der Coronazeit den Weg zu mephisto 97.6 gefunden hat, ist Siska Kinner, zu dieser Zeit Studentin des Bachelor-Studiengangs Kommunikations- und Medienwissenschaft. Ihre Kolleg:innen kannte sie mehrere Monate lang nur durch Videokonferenzen: „Ich habe das Wahlfach Crossmedia-Journalismus studiert und meine Audiobeiträge zuhause unterm Kleiderständer produziert, die auch als Prüfungsleistung für das Studium galten. Ich habe erst fünf Monate nachdem ich bei mephisto angefangen habe das erste Mal die Senderäume gesehen. Und als wir wieder in die Studios durften, brauchten wir erst einmal Leute, die die ganze Technik erklären können.“ 

„Als der Sender wieder geöffnet wurde hat mephisto 97.6 quasi von null angefangen. Es war wie 1995“, sagt Alumnus Komorowski. „Alte Strukturen mussten wieder neu geschaffen, das Grundsystem der gegenseitigen Ausbildung wieder aufgebaut werden. Dabei haben wir als Freundeskreis tatkräftig unterstützt mit Hilfe unserer 250 Mitglieder.“ Wobei sich gleichzeitig die Frage stellte, ob die Strukturen wieder 1:1 im Vergleich zur Zeit vor Corona hergestellt werden sollten, sagt Programmdirektor Rakebrand: „Wir haben mephisto 97.6 neu gedacht [das Universitätsmagazin berichtete] und wir tun es auch weiterhin. Die großen Medienhäuser erwarten crossmediale Kompetenzen – das bekommen wir von ihnen gespiegelt und wir bilden Nachwuchs für diese Medienhäuser aus. Wir haben die Podcastproduktion und die Onlineformate, insbesondere via Instagram, ausgebaut. Dafür war für uns die Coronazeit eine Initialzündung. Wir stärken so die Crossmedialität. Das wirkt sich natürlich auf das lineare Radioprogramm aus. Wieder vier Stunden täglich Liveprogramm zu produzieren wie früher, daran haben wir bislang nicht angeknüpft. Im Moment gibt es täglich eine einstündige Livesendung, alles andere ist vorproduziert.“

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist ein Redakteur, der einen Kopfhörer auf hat und auf einen Monitor schaut, um einen Beitrag am Rechner zu schneiden.
Schnittplatz im Produktionsstudio von mephisto 97.6. Foto: Ulf Walther, Stabsstelle Universitätskommunikation

Nachwuchsausbildung für die Medienhäuser ist Kerngeschäft des universitären Ausbildungsradios. Und in dem Zusammenhang fallen im Gespräch mit aktuellen und ehemaligen Programmmacher:innen sofort drei Buchstaben: MDR. „Gefühlt der halbe MDR besteht aus ehemaligen mephistos. Ich behaupte, mephisto ist die wichtigste Nachwuchsquelle des MDR. Von der redaktionellen Ebene über Moderation, Online-Redaktion bis hin zur Programm- und Sendeformatentwicklung“, sagt Peter Komarowski. Siska Kinner, selbst von 2023 bis 2024 Chefredakteurin und nun als freie Mitarbeiterin für den MDR tätig, sagt: „Wenn ich da über mephisto rede, drehen sich gefühlt 20 Köpfe um.“ Und Thomas Rakebrand bestätigt: „Bei Medienhäusern ist mephisto 97.6 ein Begriff, insbesondere beim MDR, auch bei der Volontariatsausbildung. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist ein Ziel, das viele Studierende als potentiellen Arbeitgeber haben.“ Radio Bremen, WDR oder auch der Deutschlandfunk sind weitere Beispiele, aber nicht nur: Einer der „prominentesten“ Alumni ist Georg Löwisch, ehemaliger Chefredakteur der taz und derzeit Leiter des Ressorts Politisches Feuilleton bei ZEIT und ZEIT online. Vielen ein Begriff dürfte auch Wiebke Binder sein, Moderatorin verschiedener Magazinformate im ERSTEN und im MDR Fernsehen sowie der Nachrichtensendung MDR aktuell. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Gruppenbild der mephisto-Chefredaktion. Die Vier sitzen auf einer Mauer, im Hiintergrund zu sehen ist die Moritzbastei.
mephisto 97.6-Chefredaktion im Wintersemester 2024/25, v.l.: Millo Lee Schreiter, Siska Kinner, Oskar Vier, Julia Heidecke. Foto: Melissa Reichel

Tagung und Party zum Geburtstag

Den 30. Geburtstag feiert mephisto 97.6 standesgemäß, sagt Siska Kinner, die mit an der etwa einjährigen Vorplanung beteiligt war und ist: „Vom 27. Mai, 10 Uhr bis 28. Mai, 16 Uhr strahlen wir eine 30stündige Livesendung aus (zu hören teilweise über UKW 97,6 MHz und rund um die Uhr via Livestream und DAB+), bei der auch viele Ehemalige am Mikro stehen – mit tatkräftiger Unterstützung des Freundeskreises. Und für den Geburtstag selbst am 31. Mai haben wir uns gefragt: Wofür stehen wir eigentlich? Wir sind ein Ausbildungssender. Also warum nicht einen Konferenztag organisieren und das machen, wofür wir stehen? Die Konferenz ‚Ausbildung im lokalen crossmedialen Journalismus 30 Jahre mephisto 97.6‘ richtet sich an Nachwuchslokaljournalist:innen und langjährige Wegbleiter:innen von mephisto 97.6. Ein Alumnitreffen wird es geben – und natürlich am Abend eine Party in der Moritzbastei, bei freiem Eintritt für alle. Und wir freuen uns, dass abends auch die Gründungsprogrammdirektoren Prof. Dr. em. Rüdiger Steinmetz, Prof. Dr. em. Bernd Schorb und Prof. Dr. Martin Löffelholz vorbeischauen werden.“

mephisto 97.6 sendet werktags von 10 bis 12 und 18 bis 20 Uhr auf der Leipziger Frequenz 97.6 MHz. (In der übrigen Zeit sendet auf dieser Frequenz R.SA.) Rund um die Uhr zu hören ist mephisto 97.6 über Digitalradio DAB+ und im Livestream. Informationen aus der Redaktion über das aktuelle Geschehen in Leipzig und der Region gibt es auch via Instagram.

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