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Vom 16. bis 22. März 2024 waren Mitarbeitende und Studierende der Universität Leipzig sowie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA) auf Exkursion in Chimfunshi, Sambia. Ziel der vom Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) einmalig geförderten Reise war es, eine Kooperation zwischen der Abteilung für Vergleichende Kulturpsychologie des MPI EVA sowie verschiedenen Gruppen an der Universität Leipzig zu initiieren und zu diesem Zweck die Möglichkeiten Chimfunshis als Forschungs- und Lehrort für Wissenschaftler:innen und Studierende zu erkunden. Prof. Dr. Katja Liebal berichtet an dieser Stelle von der Reise. Sie leitet seit 2020 die AG Humanbiologie und Primatenkognition an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät.

Die „Chimfunshi Wildlife Orphanage“ liegt im Norden Sambias, einem Land im südlichen Afrika, im sogenannten „Copperbelt“. Die 1983 von Sheila und David Siddle gegründete Auffangstation war zunächst vor allem für die Rettung, Rehabilitation und langfristige Pflege von verwaisten oder verletzten, meist illegal gehandelten oder als Haustier gehaltenen Schimpansen aus aller Welt verantwortlich. Heute bietet sie nicht nur etwa 180 Schimpansen die Möglichkeit, sicher in einem fast natürlichen Umfeld in sehr großräumigen Gehegen im sogenannten Miombo-Wald in sieben großen Gruppen zu leben. Chimfunshi sichert ebenfalls das Einkommen von ca. 70 Angestellten aus mehreren Gemeinschaften, die in der Nähe leben und als Tierpfleger:in, Lehrer:in, Farmer:in oder Mechaniker:in auf Chimfunshi arbeiten. Eine Schule bietet 140 Kindern aus der Umgebung die Möglichkeit zum Lernen, ein warmes Mittagessen, einen Spielplatz und eine Bibliothek. Ein Arzt versorgt die Gemeinschaft im Fall von Krankheiten oder während der Schwangerschaft; eine veterinärmedizinische Klinik betreut verletzte Schimpansen, andere Wildtiere und die Rinderherden der Farm.

Ziel und Inhalte der Exkursion

Ziel der Exkursion war es, bestehende Kontakte mit Chimfunshi auszubauen und neue zu knüpfen, um das Potenzial der Auffangstation für die Ausbildung deutscher und sambischer Studierender verschiedener Disziplinen (z.B. Biologie, Psychologie, Veterinärmedizin, Erziehungswissenschaft) zu entdecken und gemeinsam erste Ideen für die Umsetzung des Vorhabens zu entwickeln. Während unseres viertägigen Aufenthalts in Chimfunshi besuchten wir die Farm Chimfunshis, auf der Rinder gezüchtet und verschiedenes Obst und Gemüse für die Gemeinschaft und die Schimpansen angebaut werden. Wir besichtigten die Twampane School sowie eine Reihe von Schulen in der Umgebung Chimfunshis und nahmen am Unterricht teil.

Simone Reinhold gestaltete eine Unterrichtseinheit in Mathematik für Schüler:innen in Chimfunshi. Beryl Eusemann und Kathrin Kopp assistierten dem Tierarzt Daniel López bei der Operation eines Schimpansen, und wir konnten uns die Tierklinik anschauen. Wir hatten ebenfalls die Möglichkeit, das Wohnhaus von Sylvia Siddle, der Tochter von Sheila und David Siddle, zu besuchen und bekamen dort eine Führung zur Geschichte der Auffangstation, bevor wir mit den Kanus auf dem Kafue-Fluss „in See stechen“ durften – in dem es angeblich schon lange keine Flusspferde und Krokodile mehr gibt.

Wir ließen es uns auch nicht nehmen, an einem Tag bereits um 4:30 Uhr zu einem einstündigen Fußmarsch aufzubrechen, um  die Schimpansen beim Aufwachen zu beobachten. Anschließend halfen wir den Pflegern bei der Zubereitung nahrhafter „Nshima“-Klöße, die aus dem für Sambia typischen Maisbrei hergestellt und den Schimpansen als Mittagsmahlzeit angeboten werden. Nach Einbruch der Dunkelheit versuchten wir, bei einer Wanderung sogenannte „Buschbabys“ oder Galagos zu finden, eine nachtaktive Primatenart, die nur an ihren glühenden Augen zu erkennen ist, wenn sie ein Lichtstrahl trifft. Tagsüber beobachteten wir das faszinierende Verhalten der Schimpansen. Chiara Zulberti, Blanca Striegler und Michelle Roderer versuchten, sich deren Namen und Gesichter für ihre Forschungsprojekte einzuprägen und die Technik für die Videoaufnahmen zu testen.

Das Team

Die Exkursion wurde von Daniel Haun (Direktor der Abteilung Vergleichende Kulturpsychologie, MPI EVA) und mir geleitet. Wir forschen seit mehr als 10 Jahren in Chimfunshi und haben bereits mit Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Freien Universität Berlin Exkursionen nach Chimfunshi durchgeführt. Dieses Jahr war neben Simone Reinhold, Professorin für Grundschuldidaktik Mathematik, und Beryl Eusemann, Juniorprofessorin für Tierschutz und Ethologie, auch ein Team aus der Biologie der Universität Leipzig dabei: Federica Amici erforscht die kognitiven Fähigkeiten verschiedener Primatenarten; Linda Oña und Kathrin Kopp erforschen die Kommunikation bzw. das prosoziale Verhalten von Schimpansen und anderen Menschenaffen und waren bereits mehrmals in Chimfunshi; Dr. Kopp ist ebenfalls am MPI EVA tätig und beschäftigt sich dort u.a. mit der Fähigkeit zum Selbsterkennen im Spiegel bei nichtmenschlichen Primaten. Wolfgang Blenau ist Entomologe und Verhaltensphysiologe. Chiara Zulberti ist Doktorandin an der Universität Leipzig und erforscht im Rahmen eines DFG-Projektes die multimodale Kommunikation von Schimpansen. Blanca Striegler und Michelle Roderer sind Studentinnen der Biologie und nehmen in Chimfunshi Daten für ihre Masterarbeitsprojekte zur Mutter-Kind-Interaktion bei Schimpansen auf. Andreas Baumert ist der Leiter des Büros der Rektorin der Universität Leipzig und vertrat in dieser Funktion die Leitung der Universität; er leitet zudem die Initiative Südliches Afrika (INISA e.V).

Weitere Exkursion geplant

Katja Liebal und Daniel Haun organisierten ähnliche Exkursionen bisher mit Studierenden der Psychologie, die in Chimfunshi Studien mit Schimpansen oder auch mit Kindern und Erwachsenen der Gemeinschaft durchführten. Durch das jetzt beteiligte Team sind jedoch ganz neuartige Kooperationen mit Chimfunshi möglich: Biolog:innen könnten nicht nur Schimpansen erforschen, sondern sich auch mit der artenreichen Vogel- ,Insekten- und Pflanzenwelt Chimfunshis beschäftigen. Der Miombo-Wald ist für diese Region typisch und bietet einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren einen Lebensraum. Lehramtsstudierende könnten durch die Hospitation an der Twampane School lernen und möglicherweise selbst Unterrichtsstunden gestalten. Studierende der Veterinärmedizin könnten sich in Chimfunshi mit Wildtieren, aber auch Rindern beschäftigen. Ein weiteres Ziel ist es, Kontakte mit sambischen Universitäten in Kitwe und Lusaka zu initiieren und Kooperationen aufzubauen, um sambische Studierende in diese Exkursion einzubeziehen, so dass Tandems aus sambischen und deutschen Studierenden zum Beispiel Methoden der Verhaltensbeobachtung erlernen und anwenden, verschiedene Insekten- und Pflanzenarten bestimmen oder verschiedene Krankheiten und die Behandlung von Wildtieren kennenlernen können. Wir haben bereits vor Ort eine Reihe von konkreten Forschungsprojekten, aber auch gemeinsamen Lehrveranstaltungen zur Vorbereitung einer solchen Exkursion geplant. Diese ersten Ideen werden wir bei einem Treffen in Leipzig weiter ausbauen, um dann die Anbindung der Exkursion an bestehende oder geplante Lehrangebote zu besprechen und die Finanzierung einer solchen Reise langfristig zu sichern.

In Sambia gibt es viele ethnische Gruppen, darunter die Tonga, Lozi, Ngoni und Lunda, und eine große Vielfalt verschiedener Sprachen, wobei die Bemba die größte Bevölkerungsgruppe darstellen. Das Klima in Sambia ist überwiegend tropisch, mit einer kühlen und trockenen Jahreszeit (Mai bis August), gefolgt von einer heißen und trockenen Jahreszeit (September bis November) und einer warmen und feuchten Jahreszeit (Dezember bis April) mit erheblichen Niederschlägen. Die Bevölkerung ist überwiegend jung, und ein großer Teil lebt in ländlichen Gebieten und betreibt Subsistenzlandwirtschaft. Sambia ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt, mit einer hohen Arbeitslosigkeits- und auch HIV-Rate, welches in den letzten Jahren verstärkt die Folgen des weltweiten Klimawandels in Form von verheerenden Dürren zu spüren bekam.

Veranstaltungshinweis

Freitag, 14. Juni: Vorlesung im Rahmen der Kinderuni Leipzig – Zu Besuch bei der haarigen Verwandtschaft

Ort: Audimax, Campus Augustusplatz, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig
Zeit: 17:00-18:00 Uhr
Weitere Informationen: hier

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