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Das interdisziplinäre Leipziger Ausbildungsprogramm zu Digitalisierung und Recht (LeADeR) bereitet Studierende fachübergreifend auf die Digitalisierung von juristischen Tätigkeiten vor. Prof. Dr. Boris Paal startete das Programm im Wintersemester 2021/22. Nach den ersten Rückmeldungen von Studierenden sieht er in dem Projekt auch erhebliche Chancen für innovative Ideen zu Ausgründungen.

Digitalisierung, Automatisierung, Künstliche Intelligenz (KI) – das sind neue Herausforderungen, denen sich Wirtschaft und Gesellschaft derzeit stellen müssen. Das betrifft auch das Rechtswesen: Legal Tech, zusammengesetzt aus den Wörtern „legal services” und „technology”, ist der Fachbegriff dafür und bedeutet die Digitalisierung der juristischen Arbeit. „Die Idee von Legal Tech ist, dass sich einzelne Arbeitsschritte bis hin zu kompletten Rechtsdienstleistungen digitalisieren und automatisieren lassen”, präzisiert Prof. Dr. Boris Paal. An der Universität Leipzig hat er seit 2021 den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Informationsrecht, Daten und Medienrecht inne und ist Direktor des Instituts für Medienrecht, Datenrecht und Digitalisierung an der Juristenfakultät.

Das noch recht junge Phänomen Legal Tech hat bereits Einzug in den gesellschaftlichen Alltag gehalten. Wer etwa von einer Fluggesellschaft Reisekosten infolge eines verspäteten Flugs erstattet haben möchte, kann seine Erfolgsaussichten auf Entschädigung online prüfen lassen. Auch wer geblitzt wird, findet über Web-Portale schnell heraus, wie erfolgreich ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid sein kann. „Die Unternehmen haben erkannt, dass sich standardisierbare Vorgänge dank passender Algorithmen und des Einsatzes von KI sehr gut automatisieren lassen”, sagt Paal.

Allerdings stoßen die Legal Tech-Anbieter neben rechtlichen auch an tatsächliche Grenzen. „Die schöpferische Rechtsfindung, also das, was unsere menschliche Intelligenz ausmacht, kann der Algorithmus nicht leisten. Wenn zum Beispiel Rechtsbegriffe offen und unbestimmt formuliert sind, sie interpretiert oder Argumente abgewogen werden müssen, kommt man mit Legal Tech nicht wirklich weiter”, erläutert der Jura-Professor. Die Meinung unter den Juristen zu den Software- und Onlinediensten ist aber ohnehin gespalten: Auf der einen Seite stehen die Skeptiker, die wirtschaftliche Einbußen für Anwälte fürchten; auf der anderen Seite jene, die neue Chancen darin sehen – so wie Boris Paal. „Die Digitalisierung spielt in unserem Alltag eine immer größere Rolle, und wenn uns KI die monotonlangweiligen Aufgaben abnimmt und wir dadurch mehr Zeit für interessante juristische Herausforderungen bekommen, dann befürworte ich Legal Tech”, erklärt er. Der Einsatz neuer Technologien werde den Berufsstand nicht in seinen Grundfesten erschüttern. So verwundert es wenig, dass der Datenrechtler das Thema auch in die Lehre an der Universität Leipzig eingebracht hat.

Wenn uns KI die monotonlangweiligen Aufgaben abnimmt und wir dadurch mehr Zeit für interessante juristische Herausforderungen bekommen, dann befürworte ich Legal Tech.

Im Wintersemester 2021/22 startete Paal das interdisziplinäre Leipziger Ausbildungsprogramm zu Digitalisierung und Recht (LeADeR). Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen können in einem Praxisteil Programmierungskenntnisse und ein Verständnis moderner KI-Verfahren lernen sowie sich in einem Theorieteil mit den Anforderungen des geltenden Rechts für Legal Tech-Anwendungen vertraut machen. Derzeit nehmen bereits über 100 Studierende den zusätzlichen Aufwand von zwei Semesterwochenstunden auf sich. Die ersten von ihnen haben das Programm schon erfolgreich mit einem Zertifikat abgeschlossen. „Viele Studierende haben erkannt, wie wichtig Technologisierung und Digitalisierung in ihrem späteren beruflichen Alltag werden könnten“, bilanziert der Hochschullehrer. Interessant ist für Boris Paal auch, dass Legal Tech erhebliche Chancen für innovative Ideen zu Ausgründungen bietet. „Es gibt immer wieder Studierende, die nach der Vorlesung mit spannenden Ideen zu mir kommen. Die Neugier und die Begeisterung für eine Startup-Kultur sind also da“, sagt er. Interdisziplinäre Veranstaltungen wie etwa im LeADeR-Programm seien wichtig, denn auf diese Weise kämen Studierende aus dem Fach Jura, der Informatik und der Betriebswirtschaft zusammen und könnten Gründungsideen entwickeln.

Der Standort Leipzig bietet dafür ausgezeichnete Voraussetzungen. Zum einen haben bundesweit nur eine Handvoll Universitäten juristische Fakultäten mit Professuren zum Datenrecht, die sich mit Legal Tech beschäftigen und zudem von einer Fakultät für Mathematik und Informatik profitieren, an der KI einer der Schwerpunkte ist. Zum anderen hat die Messestadt einen glänzenden Ruf in der Gründerszene, auch und gerade bei Legal Tech. „Berlin, München und Leipzig sind die Städte, die hier besonders attraktiv sind“, sagt Paal, der selbst im Beirat einiger Startups sitzt. Dass von der Universität Leipzig bald erste Ausgründungen im Legal Tech-Bereich zu erwarten sind, davon ist der Jurist überzeugt. „Parallel zum Studium auszugründen ist zwar herausfordernd, aber ich bin optimistisch, dass das bald klappt“, sagt Paal. An fehlender Unterstützung soll es nicht mangeln: Der Datenrechtler ist gerne bereit, sein Wissen und seine Begeisterung für Legal Tech zu teilen.

Benjamin Haerdle

Der Beitrag ist als erstes im Alumni-Magazin 2023 (PDF) der Universität Leipzig erschienen.

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