Lesen Sie auch Teil 2 des Interviews mit Kanzler Dr. Jörg Wadzack: Wie die Verwaltung digitalisiert werden soll
Herr Dr. Wadzack, die Pleiße in Leipzig ist nicht ganz so tief und breit wie die Elbe in Magdeburg, die Universität in Leipzig ist aber, vorsichtig formuliert, etwas größer als die Otto von Guericke-Universität (OvGU) in Magdeburg. Wie würden Sie für sich die letzten Monate beschreiben, insbesondere Ihre Ankunft, Ihren Wechsel nach Leipzig, in die Stadt wie auch an diese Uni?
Erst einmal zur Einordnung: Die Universität Leipzig ist ungefähr dreimal so groß wie die Magdeburger. Ich bin hier sehr gut angekommen, sowohl in der Stadt als auch in der Universität. Ich bin begeistert von der Stadt: die Quirligkeit, die Vielfalt, die jungen Leute. Auch an der Universität haben mich alle sehr wohlwollend und mit sehr großen Erwartungen aufgenommen. Von daher kann ich sagen: Die letzten dreieinhalb Monate sind wie im Flug vergangen. Ich habe den Anspruch, die Uni im wahrsten Sinn zu erfahren: Wenn ich mich an einer Einrichtung verabrede, um sie und die Menschen kennenzulernen, fahre ich mit dem Fahrrad hin. Ich kenne die Innenstadt und die Universitätsgebäude auf den verschiedenen Campus inzwischen sehr gut und fühle mich von daher gut angekommen, aber bei weitem noch nicht am Ende des Kennenlernens.
Haben Sie schon einen Lieblingsort in der Stadt oder an der Uni kennengelernt und für sich entdeckt?
Das kann ich so noch nicht sagen. Ich wohne in Gohlis und fahre mit dem Rad immer durch den Auwald und das Rosental. Das finde ich schon sehr nett. Aber ich bin noch nicht so weit gekommen, um zu sagen, was mein Lieblingsort ist. An der Uni gefällt mir der Veterinärmedizinische Campus ganz gut, auch den Campus Jahnallee finde ich toll. Der Innenstadt-Campus ist quirlig, mitten in der Stadt, das ist auch toll. Die beiden anderen Campus sind in sich geschlossen und haben ihr eigenes Flair, so wie ich es von der OvGU in Magdeburg kenne, die eine typische Campus-Universität ist.
Sie waren sicherlich in den letzten Wochen und Monaten ein gefragter Mann, weil Sie der Mann mit dem Geldkoffer sind. Oder der mit den leeren Hosentaschen. Was haben Sie lieber gezeigt?
Den Koffer voll mit Geld. Im Ernst: Ich habe in allen Gesprächen immer wieder gesagt, dass wir schauen müssen, dass wir mit dem Geld, das wir vom Land bekommen, so gut wirtschaften, dass wir auch alle Aufgaben, die wir umsetzen wollen, meistern können. Ich glaube, da ist an der einen oder anderen Stelle in den letzten Jahren eine gewisse Schieflage entstanden, die es in den kommenden Jahren zu korrigieren gilt.
Wo haben Sie das Gefühl, dass wir über unsere Verhältnisse leben?
Ich möchte jetzt nicht zu intensiv in das Thema einsteigen, weil das natürlich den Gremien vorbehalten ist, mit denen wir das im Herbst diskutieren werden: zunächst im September mit dem Hochschulrat, dann geht es weiter in Bezug auf die konkrete Haushaltsaufstellung 2024 in den verschiedenen Gremien. Aber natürlich stellt sich die Frage: Was können wir zukünftig in welcher Intensität tun, damit wir mit den vorhandenen Ressourcen auskommen?
Die Inflationsrate fällt im Vergleich zu früheren Jahren höher aus und im Herbst stehen die Tarifverhandlungen an. Es ist anzunehmen, dass die Tariflöhne prozentual höher steigen werden, als es in den vergangenen Jahren der Fall war. Bekommt die Universität Leipzig automatisch einen Inflationsausgleich und einen Ausgleich für Tarifsteigerungen?
In den jetzigen Zuschussvereinbarungen wurden jährliche Steigerungen vereinbart. Ob das als Inflationsausgleich tituliert wurde, kann ich nicht sagen. Die Tariferhöhungen werden wir natürlich in jedem Fall bekommen. Unser Problem als Universität ist, dass der Freistaat die Tarifsteigerungen immer nachgelagert zahlt, und wir zunächst in Vorleistung gehen müssen. Womöglich wird die kommende Tarifsteigerung erst im nächsten Doppelhaushalt 2025/2026 ausgeglichen werden, sodass in jedem Fall für uns als Universität ein Defizit übrig bleiben wird. Das ist bei einer Gehaltserhöhung von zwei bis drei Prozent vielleicht noch zu stemmen. Sollten wir jetzt eine stärkere Tariferhöhung bekommen, vielleicht sogar im zweistelligen Bereich, wäre das natürlich schon ein ziemlicher Einschnitt für das Budget der Universität. Ich gehe davon aus, so ist es zumindest geplant, dass wir wieder eine Zuschussvereinbarung für acht Jahre abschließen werden. Ob der Inflationsausgleich mit berücksichtigt werden wird oder einfach nur eine Steigerung von nur ein oder zwei Prozent eingepreist wird, das kann ich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Gespräche darüber finden im Herbst statt.
Laut neuem Hochschulgesetz (HSG) wird es neue Personalkategorien geben: Lektor:innen und Wissenschaftsmanager:innen. Und studentische Hilfskräfte (SHK) sollen für mindestens ein Semester angestellt sein, wissenschaftliche Hilfskräfte (WHK) für mindestens ein Jahr. Ist schon klar, wie das umgesetzt werden soll?
Was die Personalkategorien angeht, können wir das noch nicht sagen, da es seitens des Freistaates noch keine Ausführungsvorschriften gibt, auch wenn das Gesetz diese Kategorien bereits jetzt vorsieht. Die Ausführungsvorschriften werden in der Sächsischen Dienstaufgabenverordnung an Hochschulen (DAVOHS) formuliert und momentan erarbeitet. Erst wenn diese vorliegen werden wir wissen, wie wir damit umgehen können. Der Senat, die Studierenden und auch der Personalrat haben natürlich schon intensiv nachgefragt, aber wir haben zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Informationen, insbesondere bezüglich der Lektor:innen. Das ist noch komplett offen.
Zum Thema Vertragsdauer: Wir haben jüngst die Fakultäten darüber informiert, dass diese Regelung per Gesetz in Kraft getreten ist und die Fakultäten sie ab Wintersemester umsetzen müssen, im Sinne von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, der Planbarkeit der Studierenden, wenn sie einen Vertrag als Hilfskraft annehmen. Das ist nicht ganz einfach umzusetzen, weil die Universität ein relativ kleines Sachmittel-Budget hat, aus dem die SHK und WHK finanziert werden. Die Fakultäten fragen auch nach, wie sie das konkret umsetzen sollen. Für den Haushalt 2024 geht es darum, genügend Freiräume zu schaffen, um eben die SHK beschäftigen zu können. Aber ich möchte betonen, dass das HSG erst vor wenigen Wochen in Kraft getreten ist. Von daher sind wir jetzt nicht im Verzug, sondern gerade erst dabei, die Gesetzesänderungen im Einzelnen nachzuvollziehen und einzelne Maßnahmen abzuleiten und in die Universität hinein zu kommunizieren.
Die Universität hat sich in den vergangenen Jahren bemüht, beim Unterhalt von Gebäuden mehr Eigenverantwortung vom Freistaat zu bekommen im Hinblick auf Umsetzung von Baumaßnahmen, um auf Bedarfe schnell und flexibel reagieren zu können, sei es, weil das Dach undicht ist oder aber, weil für eine bestimmte neue Professur nicht erst in sechs Jahren ein Gebäude entsteht, das das neue benötigte Großgerät beherbergen soll. Bleibt es ein wichtiges Ziel der Universität, selbstständiger und unabhängiger vom Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement (SIB) agieren zu können?
Es ist weiterhin das Ziel und es muss auch weiterhin Ziel und Aufgabe des Rektorats sein, sich dafür einzusetzen, weil wir eben, sie haben es ja gerade beschrieben, auch kurzfristige Bedürfnisse haben, die wir erfüllen müssen. Wir müssen uns auch in der Ausrichtung der Forschung den neuen Themen und der neuen Technik zuwenden. Dafür ist es auch erforderlich, dass wir neue Geräte installieren. Diese brauchen vielleicht eine andere Stromzufuhr, eine andere Kühlung. Eine Professor:innen-Berufung im experimentellen Bereich beispielsweise ist in der Regel mit kleineren Baumaßnahmen verbunden. Diese Freiheit brauchen wir zwingend. Mit der Novelle des Hochschulgesetzes ist uns hier eine Tür geschlossen worden, weil explizit der SIB als dafür zuständig erklärt wurde. Wir müssen diese Diskussion weiterführen, und das treibt nicht nur uns um, sondern beispielsweise auch die TU Dresden. Wir haben auch wahrgenommen, dass das SMWK das Thema auf dem Radar hat. Aber denen sind auch die Hände gebunden, weil Bau und die Liegenschaften in der Zuständigkeit des Finanzministeriums, und damit des SIB, fallen. Wir werden auch weiter versuchen, ein auskömmliches Budget dafür zu bekommen. Und da geht es beispielsweise um die profane Frage, ob schnell einmal das Foyer oder ein Seminarraum gestrichen werden kann, um einfachste Instandsetzungen und Schönheitsmaßnahmen, wenn Gebäude und Räume nach mehreren Jahren oder Jahrzehnten abgenutzt sind. Wir hoffen, dass wir da mindestens beim SMWK Gehör finden – und vielleicht auch beim Finanzministerium.
Im zweiten Teil des Interviews spricht Kanzler Dr. Jörg Wadzack über die Digitalisierung der Verwaltung und IT-Sicherheit.
Kommentare
Severin Sasso, Professor für Pflanzenphysiologie,
Vielen Dank für das informative Interview! An zwei Beispielen ist hier schön illustriert worden, dass das Sächsische Hochschulgesetz teilweise Vorgaben macht, die im Alltag der Universität weltfremd erscheinen. Zum Beispiel werden Arbeitsgruppen mit organisatorischen und finanziellen Herausforderungen konfrontiert, wenn studentische Hilfskräfte für ein halbes Jahr angestellt werden müssen, damit sie ein Laborpraktikum für Studierende unterstützen können, das sich maximal über eine Vorlesungszeit von 14 Wochen erstreckt. Im Fall der Baumaßnahmen hat mir noch nie eingeleuchtet, dass eine Abteilung des Finanzministeriums dafür zuständig ist. Probleme mit verschleppten Baumaßnahmen bestehen seit vielen Jahren und gefährden den guten Ruf unserer Universität über Sachsen hinaus, so dass hier Veränderungen dringend notwendig sind. Herrn Dr. Wadzacks Elan macht Hoffnung, und ich wünsche ihm viel Durchhaltewillen und Unterstützung, damit er die angestrebten Verbesserungen umsetzen kann.
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Eric,
Bei den Liegenschaften kann die Universität momentan nicht einmal eigenständig die Spender für Toilettenpapier wechseln.
Die Spendersysteme sind in jedem Gebäude unterschiedlich und Markenhersteller verlangen höhere Preise für Verbrauchsmaterial.
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