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Der Tagesordnungspunkt zwei der Personalversammlung Hochschulbereich am Dienstag (5. September) im Audimax hatte es in sich: Es ging um die Arbeitszeitregelungen. Flexibilität ja, Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit nein – ebenso wenig wie Selbstausbeutung oder veraltete Technik zur Erfassung der Arbeitszeit. Das Thema sorgte für reichlich Diskussionsstoff. Zuvor hatte der Vorsitzende des Personalrats Hochschulbereich, Thomas Biermann, den Tätigkeitsbericht des Gremiums präsentiert. Kurz bevor viele der Besucher:innen der knapp zweistündigen Versammlung in die Mensa oder woanders in der Stadt zum Essen gingen, gab es von Jürgen Kretzschmar, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Deutschen Verwaltungsgewerkschaft, noch einen Ausblick auf die im Herbst anstehenden Verhandlungen für die Tarifbeschäftigten der Länder.

Nach dem sogenannten "Stechuhr-Urteil" des Bundesarbeitsgerichts, das Arbeitgeber:innen verpflichtet, ein System zur lückenlosen Dokumentation der Arbeitszeit von Arbeitnehmer:innen einzurichten, soll nun das Arbeitszeitgesetz geändert werden. Auch an der Universität Leipzig sind zahlreiche Arbeitnehmer:innen von dieser Thematik betroffen: Für 680 Beschäftigte ist die Arbeitszeit im Rahmen der Gleitzeit-Dienstvereinbarung geregelt, für 1.000 nichtwissenschaftliche Beschäftigte gibt es eine feststehende Arbeitszeit ohne Erfassung. Hinzu kommen etwa 2.100 wissenschaftliche Beschäftigte plus 1.250 SHK und WHK, die ebenfalls keine Rahmenregelung für die Erfassung ihrer Arbeitszeit haben. "Es gibt unterschiedliche Modelle der Arbeitszeiterfassung. Wir hätten es gern in auskömmlicher Form geregelt", sagte Biermann. In welcher Form das geschehen soll, ist noch ungewiss, denn die Meinungen in der Diskussion gingen an diesem Vormittag weit auseinander. Sie reichten von voller Zustimmung zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit bis hin zu Wortmeldungen von Beschäftigten, die sich durch eine "zwanghafte Arbeitszeiterfassung" eingeengt und in ihrer wissenschaftlichen Freiheit beschnitten fühlten. Eine Diskutantin sprach von einem "Kulturwandel im Wissenschaftsbereich", wenn die Arbeitszeit künftig erfasst werden sollte.

Eines war fast allen im Publikum wichtig: Flexibilität in der Gestaltung der eigenen Dienstzeit. Vor allem junge Eltern legten darauf großen Wert. Allerdings, so die Forderung aus dem Publikum, müsse bei einer Erfassung der Arbeitszeit auch der Umgang mit der so dokumentierten Mehrarbeitszeit geklärt werden. "Wir wissen noch nicht, wohin die Reise geht, wollten das Thema erst einmal diskutieren", so Biermann. Denn so unterschiedlich wie die Standpunkte sind auch die Arbeitsweisen und Lebenssituationen der Menschen, die an der Alma mater tätig sind. Der Personalratsvorsitzende konstatierte: "Es gibt den Wunsch nach Flexibilität und nach Freiheit ebenso wie den Wunsch nach einer Beibehaltung der Erfassungsmöglichkeiten. Das gibt der rechtliche Rahmen her. Ich bin optimistisch und halte diese Aufgabe nicht für unlösbar."

Der Personalrat Hochschulbereich vertritt 5.070 Beschäftigte der Universität, einschließlich des wissenschaftlichen Personals und der SHK. Er ist für alle Belange rund um das Arbeitsverhältnis zuständig, betonte Biermann im Tätigkeitsbericht des Gremiums. Vom 1. Juli 2022 bis zum 28. August 2023 habe es unter anderem 206 Neueinstellungen und 108 interne Wechsel, ebenso 203 Arbeitszeiterhöhungen, 49 unbefristete Weiterbeschäftigungen sowie 484 Eingruppierungen und Stufenzuordnungen gegeben, an denen der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht hatte. Biermann sagte, dass es nach einer Evaluierung seit November 2022 eine neue Dienstvereinbarung zur Mobilen Arbeit gibt. Er rief die Beschäftigten auf, sich bei Problemen am Arbeitsplatz oder anderen dienstlichen Angelegenheiten an den Personalrat zu wenden. "Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe", erklärte er. Im Jahr 2024 solle eine Rahmendienstvereinbarung abgeschlossen werden, die jegliche IT- oder Softwarelösungen für eine ungeregelte Leistungsmessung und Verhaltensüberwachung von Beschäftigten der Universität für unzulässig erklärt.

Ein Thema, das viele im Publikum beschäftigte, war die Änderung des Hochschulgesetzes bei der Beschäftigung von WHK und SHK. Wie können diese bei gleichbleibender oder sinkender Höhe der Sachmittel und erhöhtem Mindestlohn künfig sechs Monate beschäftigt werden? Kanzler Dr. Jörg Wadzack bat in diesem Punkt um Geduld. "Wir sind dran", versprach er.

Zum Abschluss der Personalversammlung berichtete Gewerkschafter Jürgen Kretzschmar von der im Oktober dieses Jahres beginnenden Tarifrunde für die Beschäftigten der Länder. "Die Länder liegen schon jetzt 10,5 Prozent unter der Bezahlung von Bund und Kommunen", sagte er. Hierbei sei der Inflationsausgleich noch gar nicht berücksichtigt. "Wir können nicht weniger fordern", betonte er. Für Anfang Dezember sei die dritte Tarifrunde anberaumt. Er hoffe, dass die Tarifparteien bis dahin "ein ordentliches Ergebnis hinbekommen".

Wer wollte, konnte im Anschluss noch eine Petition zur Forderung der Einführung von Bildungsurlaub in Sachsen unterschreiben.

Kommentare

  • A. Rehnsbach,

    Was haben alle so Angst vor der Arbeitszeiterfassung? Es kann genau nachgewiesen werden, wann gearbeit wurde. Überzeit wird erfasst und kann abgegolten werden. Schluss mit der Ausbeutung durch Vorgesetzte. Es ist ja nicht automatisch gesagt, dass nun jeder 9-5 arbeiten muss, also wird auch keiner in seiner "wissenschaftlichen Freiheit" beschnitten. Eine handschriftliche Tabelle wäre ein Witz, da kann ja jeder reinscheiben, was er will. Bei mobiler Arbeit oder wenn Vorgesetzte nicht vor Ort sind kann das keiner überprüfen.

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    • Y. Koppen,

      Ich schleppe doch nicht überall den Computer mit mir herum. Und wie oft kommt es vor, dass Studierende einen ansprechen wegen dies und das, und man dann schnell im Beratungsgespräch ist? Soll ich die Studierenden wegschubsen um mich erstmal einzuloggen?
      Mobile Arbeitszeiterfassung am Privat PC zu installieren ist rechtlich problematisch, muss man nun also fürs mobile Arbeiten stets den Laptop in und her tragen?
      Und was ist wenn ich für meine Forschung unterwegs bin und eben nicht gesundheitsschädlich starr vorm Schreibtisch sitze?
      Die Vertrauensarbeitszeit ist nicht nur ein hohes Gut der wissenschaftlichen Freiheit sondern auch schlicht praktisch. Einschränkungen lassen sich durch Dienstvereinbarungen Regeln z.B. "keine unbegründete Sonntagsarbeit".
      Wie in der Diskussion angesprochen ist es zudem völlig obsolet vermeintliche Überstunden anzusammeln wenn man sie a) gar nicht abfeiern kann und b) sich im Angesicht dieser keine Konsequenzen ergeben.

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    • R. Böhm,

      Ja, ein Laptop ist dazu da, dass man ihn herumträgt.
      Und wenn sie keine Möglichkeit haben, angefallene Überstunden abzufeiern, stimmt etwas an ihrem Arbeitsprofil nicht.
      Und Konzequenzen bei zu vielen Überstunden gibt es, allerdings für ihren Vorgesetzten, der begründen muss, warum
      sie so viele Überstunden haben und eventuell ihre Arbeit anders verteilen muss.

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    • ,

      Ich denke deswegen sollte eine mobilere Möglichkeit der Zeiterfassung generell entwickelt werden, ähnlich wie die elektronische Krankmeldung per Browser komplett Gerät unabhängig. Dann könnte man sich auch unterwegs übers Handy die Arbeitszeit erfassen lassen. Und dann halt auch geschaut werden dass die Erfassung für Forschende wesentlich flexibler ist, durch das hinterlegte Profil oder sowas.

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  • Heike Müller,

    Auch wenn Dr. Wadzack um Geduld für die HSG-konforme - aber machbare - Regelung der Umsetzung des Abschlusses von WHK/SHK-Verträgen bittet, möchte ich an dieser Stelle anmerken, das wir, als die Beantragenden solcher Verträge derzeit gezwungen werden, meiner Meinung nach juristisch sehr fragwürdige Methoden anzuwenden, um überhaupt einen Vertrag abschließen zu können. Uns wurde empfohlen, die vorgegebene Laufzeit zu beantragen, mit den Antragsteller:innen aber schon im Vorfeld mündlich die Aufhebung des Vertrages für den Zeitpunkt zu vereinbaren, an dem die uns zugewiesenen Mittel aufgebraucht sind. Ich bin keine Juristin, halte diese Vorgehensweise aber für äußerst bedenklich. Ich denke, wir machen uns damit juristisch angreifbar!

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    • Adelheid Buschner,

      Ich stimme dem voll und ganz zu! Wir haben in den vergangenen Jahren immer möglichst langfristige Verträge gemacht, auch über den Jahreswechsel hinaus. Das alles mit nur ungefährer Schätzung der im neuen Haushaltjahr zur Verfügung stehenden Mittel (auf der Basis der Zuweisungen das abgelaufenen Haushaltjahres). In Zeiten wirtschaftlicher Sparzwänge wird eine solche Schätzung aber zunehmend unsicherer. Kurzfristige Verträge gibt es aber auch bei uns zur Unterstützung von Konferenzen und/oder Workshops. Wie soll das künftig geregelt werden? Und soll dann bei neu eingestellten Hilfskräften eine Probezeit gelten, oder muss man bei Nichteignung eine Kündigung anstreben?
      Wenn die zugewiesenen Mittel einmal nicht ausgereicht haben, hatten wir immer noch eine Rückendeckung in Form der Programmpauschale aus DFG-Projekten, auf die wir zurückgreifen konnten. Auch das steht ja zur Disposition, wie ich gelesen habe im Entwurf zur neuen Drittmittelrichtlinie.

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  • Medienredaktion,

    Liebe Leser:innen,

    zum Thema SHK/WHK, den Haushaltsmitteln bzw. Laufzeit der Arbeitsverträge verweisen wir auch auf folgende Artikel:
    https://magazin.uni-leipzig.de/das-leipziger-universitaetsmagazin/artikel/kanzler-dr-joerg-wadzack-im-interview-wie-koennen-wir-mit-vorhandenen-ressourcen-auskommen-2023-08-30
    https://magazin.uni-leipzig.de/das-leipziger-universitaetsmagazin/artikel/das-sind-die-wesentlichen-aenderungen-durch-das-neue-hochschulgesetz-2023-07-11

    Viele Grüße aus der Medienredaktion.

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