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Das Interesse für Forschungsthemen auch in ländlichen Regionen wecken – darum geht es beim bundesweiten Projekt „Heimspiel Wissenschaft“. Der Biochemiker Dr. Christian Sonnendecker von der Universität Leipzig hat im September ein solches Heimspiel in seiner Heimat bestritten – und ist mit einer positiven Bilanz nach Leipzig zurückgekehrt.

Auf einem Weingut in Rüdesheim versammeln sich an einem sonnigen Septemberabend rund 60 Menschen im gemütlich ausgebauten Weinkeller. Sie sind jedoch nicht zur Weinprobe gekommen – vielmehr interessieren sie sich für eine biochemische Sensation, die zu einer Antwort auf unser Müllproblem werden könnte. Und für den Forscher, der diese Antwort gefunden hat.

Dr. Christian Sonnendecker forscht an der Universität Leipzig und machte 2022 mit einer besonderen Entdeckung Schlagzeilen: Er und sein Team entdeckten ein hocheffizientes Enzym, das PET-Kunststoff in Rekordzeit abbaut. Der Grund, wieso er Ende September ins Rheintal bei Rüdesheim reiste, ist aber ein ganz einfacher: Er kommt aus der Gegend.

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Das erste Heimspiel Wissenschaft der Uni Leipzig fand in Rüdesheim am Rhein statt, Foto: Heimspiel Wissenschaft / Philipp Schrögel

Die Aktion „Heimspiel Wissenschaft“ bringt Wissenschaftler:innen, die aus ländlichen Regionen stammen, zurück in ihre Heimatorte. Im Gerätehaus, wo sich normalerweise die Freiwillige Feuerwehr trifft oder auf dem Fußballplatz, wo der lokale Fußballverein trainiert, sollen Wissenschaftler:innen von ihrer Forschung berichten und mit den Bewohner:innen ins Gespräch kommen. Wissenschaft, so die Idee, gelangt auf diese Weise  auch dorthin, wo die nächste Hochschule oder Forschungseinrichtung viele Kilometer entfernt liegt, und sie punktet mit einem Vertrauensvorschuss: Schließlich ist die Forscherin oder der Forscher „jemand von hier“ und hat die Kindheit und Jugend im gleichen Dorf oder in der gleichen Kleinstadt verbracht wie das Publikum.

Christian Sonnendecker wuchs bis zu seinem 14. Lebensjahr in Presberg, einem Ortsteil Rüdesheims, auf und besuchte bis zur achten Klasse das örtliche Gymnasium. Dann zog die Familie nach Leipzig um. Nach seinem Abitur studierte Christian Sonnendecker Biochemie und promovierte 2019 in seinem Fach an der Universität Leipzig. Heute ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Analytische Chemie.

Schön war, als mich plötzlich ein alter Schulfreund aus Grundschulzeiten ansprach.

Im Weingut Georg Breuer, in einer schmalen Straße nahe dem Rheinufer, schließt er nun Ende September 2023 seinen Laptop an den Beamer an und testet, ob seine Powerpoint-Präsentation in dem Gewölbekeller gut zu erkennen ist. Nach und nach trudeln die Gäste ein. Die meisten kommen aus Rüdesheim und Umgebung und haben über die Presse oder über Bekannte von der Veranstaltung erfahren.

Auch Christian Sonnendeckers Eltern, sein Bruder, Cousinen und ein Onkel sind gekommen, außerdem Freunde aus der Schulzeit. Die Stimmung im Weinkeller ist locker und entspannt. „Schön war, als mich plötzlich ein alter Schulfreund aus Grundschulzeiten ansprach. Ich musste kurz überlegen, habe ihn dann aber doch wieder erkannt“, berichtet er später. „An diesem Abend kamen viele längst verschollene Erinnerungen wieder hoch und längst vergessene Kontakte haben sich wieder aufgefrischt.“

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Bei der Veranstaltung stellte Dr. Christian Sonnendecker das Enzym PHL7 vor, das in Rekordzeit PET-Kunststoff zersetzt, Foto: Heimspiel Wissenschaft / Philipp Schrögel

In seinem Vortrag schildert Sonnendecker, wie er und sein Team das Enzym PHL7 in einer Probe vom Leipziger Südfriedhof gefunden haben. Wie überrascht er war, als er im Labor entdeckte, dass das Enzym eine Obstschale aus dem Supermarkt in nur 24 Stunden vollständig zersetzte – doppelt so schnell wie bisher bekannte PET-zersetzende Enzyme. Und wie er und seine Mitstreiter:innen die Anwendung des Enzyms in der Industrie vorbereiten – biologisches Recycling ohne Rückstände kann durch seine Entdeckung deutlich effizienter werden.

Natürlich gestaltet er seine Präsentation etwas anders als vor einem rein wissenschaftlichen Publikum: „In einer solchen Runde darf man auch mal komplexe Sachen etwas vereinfachen und eine komplizierte Messtechnik mit einem einfachen Live-Experiment erklären“, erzählt Sonnendecker. In dem Fall habe er die Messung des Füllstandes eines Weinglases mittels Resonanz (Finger reibt über Glaskante) demonstriert. „Dazu muss das Weinglas dann sukzessive geleert werden, was zur allgemeinen Belustigung beigetragen hat.“ An einer Stelle bindet er auch die Gastgeberin, Winzerin Theresa Breuer, in die Präsentation mit ein.  

Die Gäste konnten sich leichter mit mir und meiner Forschung identifizieren, da ich ein Teil ihrer Geschichte bin.

Das alles kommt gut an beim Publikum. Und sind die Zuhörer:innen wirklich stärker am Thema interessiert, weil Sonnendecker aus der Region stammt? „Ja, definitiv“, erklärt der Biochemiker prompt. „Der persönliche Bezug zur Region und die Tatsache, dass viele der Gäste mich kannten, trugen dazu bei, das Interesse zu verstärken. Sie konnten sich leichter mit mir und meiner Forschung identifizieren, da ich ein Teil ihrer Geschichte bin. Dies schaffte eine engere Bindung zwischen mir und meinem Publikum und eine besonders lockere Atmosphäre.“

Nach dem Vortrag kann Christian Sonnendecker noch etliche Nachfragen beantworten. Und im Anschluss wird dann auch noch das eine oder andere Glas Wein gemeinsam getrunken. Dieses Heimspiel hat die Wissenschaft wohl gewonnen, so scheint es.

Sonnendeckers Fazit: „Das war eine ganz außergewöhnliche Erfahrung. Ich bin zwar regelmäßig zu Besuch in meiner Heimat, jedoch nicht aus beruflichen Gründen. Meine Forschungsarbeiten in einem mitunter fachfremden, aber größtenteils bekannten Publikum vorzustellen war ein ganz besonderes Ereignis. Es war schön zu sehen, wie interessiert sie an meiner Arbeit waren. Insgesamt war es eine bereicherndes Erlebnis, das es mir erlaubte, beide Welten miteinander zu verbinden.“

  • Das Projekt „Heimspiel Wissenschaft“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gemeinsam mit dem #WisskommLab CAPAS an der Universität Heidelberg und der Agentur con gressa umgesetzt.
  • Von Januar bis September 2023 haben bereits 19 Heimspiele in verschiedenen ländlichen Regionen Deutschlands stattgefunden.
  • Dr. Christian Sonnendeckers Veranstaltung am 27. September 2023 war das erste „Heimspiel Wissenschaft“, das von der Universität Leipzig initiiert wurde.

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