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Die „VetMed“ wie sie praktisch kurz genannt wird, ist ein eigener Kosmos im Uni-Kosmos. In der Nachbarschaft zu Wohnblöcken in Plattenbauweise, zur Deutschen Nationalbibliothek, zu BioCity und Alter Messe sowie dem historischen Kohlrabizirkus mit seinem markanten Stahldach hat die Veterinärmedizinische Fakultät eine eigene Adresse: „An den Tierkliniken 19“. Die Adresse untertreibt allerdings. Wer dadurch nur an Haustiere, allenfalls an Pferde denkt, springt viel zu kurz. Tatsächlich handelt es sich um einen vielgestaltigen Komplex auf einem ausgedehnten Areal mit zahlreichen Alt- und Neubauten eingebettet in viel Grün. Anatomisches und Physiologisches Institut, Lebensmittelhygiene, Medizinische Tierkliniken, Stallungen, Mensa und Hörsaalgebäude, um nur ein paar Bauten herauszuheben. Erst aus der Luft werden die Ausmaße so richtig deutlich. In diesem Jahr kann all das, was unter dem Dach der Leipziger Veterinärmedizin zusammengefasst ist, ein hundertjähriges Jubiläum feiern.

Der Geburtsort war nicht Leipzig

Die Keimzelle lag in Dresden, wo 1774 zunächst eine private tierärztliche Lehranstalt errichtet wurde, die sich zur Tierarzneischule und später zu einer Tierärztlichen Hochschule entwickelte.

Nach einem harten, argumentativen Ringen fiel 1914 schließlich die Entscheidung, alles nach Leipzig zu verlegen, um sich zu vergrößern, mit einer Volluniversität zu vernetzen und somit interdisziplinär arbeiten und forschen zu können. Ein Name, der in diesem Zusammenhang fällt, ist Prof. Wilhelm Ellenberger. Der entscheidende Wegbereiter und Fürsprecher für Leipzig. Seine Argumente: die räumliche Nähe und Verbindung zur Humanmedizin und Landwirtschaft und zu anderen Naturwissenschaften. Der Neubau wurde 1923 bezogen und damit die Veterinärmedizinische Fakultät an der Universität Leipzig begründet. Von 1968 bis 1990 wurde daraus die Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin, um dann 1990 wieder als Fakultät gegründet zu werden, damals unter dem ersten Dekan Prof. Herbert Gürtler.

Viele Engagierte und Unterstützer:innen

Eine besonders partnerschaftliche Beziehung bestand schon zu DDR-Zeiten zur Hochschule Hannover. Sie verstanden sich als Schwester-Fakultäten. Nach der Wiedergründung leistete Hannover nicht nur beratend und lehrend Unterstützung, sondern auch in Form von Geräte-, Bücher- und Lehrfilm-Spenden. Für ihre außerordentlichen Verdienste in dieser Aufbauphase erhielten die Professoren Eberhard Grunert und Wilhelm Schulze später die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig. „Nicht zu vergessen die Vielzahl der Alumni, Absolvent:innen, ehemalige Assistent:innen, Dozent:innen und Professor:innen, die nach dem Fall der Mauer allmählich zurückkehrten“, hebt Prof. Manfred Fürll hervor. Er ist verantwortlich für die veterinärmedizinhistorische Sammlung und Dokumentation. „Für mich ist das Ausdruck von einem engen Schulterschluss dieser Generation. Nur so konnte der Neuanfang erfolgreich gestaltet und bewältigt werden.“

Auch der Freundeskreises Tiermedizin e. V., der 1990 mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, sich fördernd einzubringen, ist bis heute wesentlich an der Weiterentwicklung der Fakultät beteiligt.

Eine von fünf in Deutschland

Nach der ersten Evaluierung 1991 durch den Wissenschaftsrat, war eine weitere bedeutende Wegmarke in der Geschichte das Jahr 2007 als die sogenannte „Neue Lehre“ eingeführt wurde. Von da an wurde die Ausbildung zum großen Teil in organbezogenen Modulen gelehrt und studienbegleitend geprüft. Im 9. und 10. Semester folgt ein praktisches Jahr, in dem die Studierenden intensiver in die klinische Arbeit einbezogen werden. Leipzig ist heute eine von fünf tierärztlichen Bildungsstätten in Deutschland. Pro Jahrgang beginnen rund 120 Studierende das Grundlagenstudium im Präpariersaal.

Enorme Bautätigkeiten und einige Kuriositäten

Die Nachwendezeit sollte außerdem in die Baugeschichte eingehen: Hochgezogen wurden das Tierklinikum für Klauentiere, Kleintiere, Pferde, Vögel und Reptilien sowie das Zentrum für Grundlagenwissenschaften, die Zentren für Pathologie, Anatomie und Infektionsmedizin wurden denkmalgerecht saniert. Überhaupt all die Bauten und ihre Einrichtungen auf dem weiteren Großareal: Physiologie, Tierbiochemie, Öffentliches Veterinärwesen, Tier- und Lebensmittelhygiene, Stallungen und Auslaufflächen, das Praktische Lehr- und Ausbildungszentrum, Technik- und ein neues Hörsaal-Bibliotheks-Mensa-Gebäude. Außerhalb der Stadt befinden sich außerdem noch das Lehr- und Forschungsgut Oberholz und die gegründete Veterinärmedizinhistorische Sammlung. Sie gilt als historisches Kleinod. In ihr sind kuriose Dinge zu entdecken wie Geräte für Euterdiagnostik oder Narkosehauben für Hühner.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Auf dem Bild ist der Richtkranz über dem Rohbau für Mensa und Bibliothek der Veterinärmedizinischen Fakultät im Jahr 2007 zu sehen.
Der Rohbau für Mensa und Bibliothek der Veterinärmedizinischen Fakultät im Jahr 2007. Foto: Jan Woitas

So viele Themen wie Häuser

Waren die wissenschaftlichen Aushängeschilder früher noch grundlegende Erkenntnisse zu Vitamineigenschaften und Tierimpfstoffen, liegen die Schwerpunkte heute unter anderem bei exotischen Erregern und der Geschlechtsbestimmung im Ei. In der klinischen Forschung liegen sie bei Stoffwechsel- und Organkrankheiten sowie Verdauungsvorgängen im Pansen bei Wiederkäuern, außerdem bei der bildgebenden Diagnostik sowie der regenerativen Medizin. Das Angebot für Patienten reicht von Parasitenuntersuchung über Ernährungsberatung bis hin zu komplizierten Operationen am Pferdelauf. Rund 225 Mitarbeiter:innen wirken auf dem Areal der VetMed.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Auf dem Foto ist ein Pferd in der Hufschmiede zu sehen, dessen Huf beschlagen wird.
Tierärzekongress 2012: Blick in die Hufschmiede Foto: Jan Woitas

Damit noch nicht genug - alle zwei Jahre zieht der Leipziger Tierärztekongress mit der Fachmesse vetexpo bis zu 6.000 Veterinärmediziner:innen an. Der Kongress hat sich als die größte fachliche Fortbildungsveranstaltung im deutschsprachigen Raum und als eine der führenden Fachplattformen Europas etabliert. Über 500 Fachvorträge und Aussteller aus annähernd 20 Ländern kamen 2022 zusammen. Dabei geht es um Themen wie moderne Diagnostik- und Behandlungsmethoden oder Digitalisierung, aber auch um Zusammenhänge zwischen Tiergesundheit und der des Menschen. Angesichts der SARS-CoV-2-Epedemie hoch aktuell und in die Zukunft weisend.

Eine ausführlich dokumentierte Geschichte mit allen Wegmarken und richtungsweisenden Menschen ist nachzulesen unter: https://www.tiermedizin-leipzig.de/

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