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Deutschlands größte epidemiologische Bevölkerungsstudie NAKO mit mehr als 200.000 Bürger:innen bundesweit startet in die dritte Förderphase. Prof. Dr. Markus Löffler, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) ist Studienleiter am Standort Leipzig. Im Interview verrät der studierte Mediziner und Biometriker, wie der Einfluss von Umweltfaktoren auf Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen untersucht werden soll, wie Forschende schon jetzt die Daten für eigene Studien verwenden können und wieso dieser Datensatz für die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung so wertvoll ist.

Herr Prof. Löffler, warum brauchen wir eine bundesweite Datensammlung zum Gesundheitsstatus der allgemeinen Bevölkerung?

Um Erkenntnisse über die Ursachen von Volkskrankheiten wie Adipositas, Diabetes, Herzinfarkt oder Krebs im Zusammenspiel von genetischer Veranlagung, Lebensgewohnheiten und umweltbedingten Faktoren zu bekommen. Dazu werden über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren hinweg Befragungen und Untersuchungen durchgeführt sowie Bioproben wie Urin, Blut oder Speichel gesammelt. Aktuell wird anhand der bereits vorhandenen Daten zum Beispiel untersucht, welchen Einfluss die Ernährung auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nichtalkoholischer Fettleber hat oder ob bestimmte Schlafstörungen mit neurodegenerativen Veränderungen zusammenhängen. Auch versuchen wir den Einfluss von Umweltfaktoren auf Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen zu charakterisieren. Hierzu werden deutschlandweit verfügbare Umwelt- und Geodaten mit codierten Wohnadressen verknüpft. Dabei werden unter anderem Informationen aus der Gebäude- und Straßennetzkartierung, Lärmdaten und Daten zu Luftschadstoffen genutzt. Durch die NAKO Gesundheitsstudie entsteht also ein sehr detaillierter und umfassender Datensatz, der in Deutschland bisher einmalig ist. Die erhobenen Daten sind auch international vergleichbar, da sich die Auswahl der Untersuchungen an anderen europäischen Studien orientiert. Dadurch, dass eine hohe Anzahl von Teilnehmenden unterschiedlicher Altersklassen über einen längeren Zeitraum beobachtet wird, können wertvolle Informationen zur Entstehung typischer Zivilisationskrankheiten gewonnen werden.

Volkskrankheiten können jeden treffen. Je mehr wir über die Ursachen wissen, desto eher können wir etwas dagegen tun.

Prof. Dr. Markus Löffler

Was haben die einzelnen Leipziger Bürger:innen davon – jetzt und in Zukunft nach Abschluss der Studie?

Durch die NAKO Gesundheitsstudie haben die Leipzigerinnen und Leipziger die Möglichkeit, selbst zur Erforschung von Volkskrankheiten und damit zur öffentlichen Gesundheit beizutragen. Dabei sind jede einzelne Teilnehmerin und jeder einzelne Teilnehmer mit seiner individuellen Gesundheitsgeschichte relevant. Da auch Umweltdaten erhoben werden, können lokale Faktoren, welche die Gesundheit gefährden, identifiziert und gegebenenfalls in Zukunft beseitigt werden. Wir können damit zum Beispiel herausfinden, ob die Menschen durch ihren Wohnort einem bestimmten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Ganz nebenbei können die Probandinnen und Probanden selbst viel über ihren eigenen Gesundheitszustand erfahren. Im Anschluss an den Besuch im Leipziger Studienzentrum erhält jeder Teilnehmende, der dies wünscht, einen Ergebnisbrief, in dem individuelle relevante Gesundheitsdaten wie zum Beispiel zu Herz-Kreislaufgesundheit, Lungenfunktion und Gedächtnisleistung sowie Laborwerte mitgeteilt werden. Die Daten helfen also nicht nur, die Ursachen von Zivilisationskrankheiten zu erforschen, sondern können auch dazu beitragen, Wege zur Vorbeugung, Früherkennung und auch Behandlung zu finden. Damit haben also nicht nur die Leipzigerinnen und Leipziger etwas davon, sondern generell alle Menschen im Land – insbesondere künftige Generationen. Volkskrankheiten können jeden treffen. Je mehr wir über die Ursachen wissen, desto eher können wir etwas dagegen tun.

Was zeichnet den Medizincampus Leipzig als Standort für die NAKO aus?

Das Leipziger Studienzentrum hat einen hervorragenden Ruf in der NAKO. Die Leipziger Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben eine national hervorragende Bereitschaft gezeigt. Hinzu kommt, dass wir mit der neuen Förderperiode auch für genetische und molekulare Datenanalysen zuständig sein werden.

Wie können Wissenschaftler:innen auf die Daten zugreifen und diese nutzen?

Über das NAKO Datenportal können Forschende die verfügbaren Daten einsehen und Nutzungsanträge für wissenschaftliche Auswertungen stellen. Die Nutzung des Portals ist nach einer Registrierung möglich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Leipzig können die am Leipziger Studienzentrum erhobenen Daten sowie einen Teil der Blutproben auch direkt für ihre Forschungsprojekte verwenden. Dazu ist lediglich eine Nutzungsanzeige an den NAKO e. V. erforderlich. Sind größere Forschungsvorhaben geplant, stehen die Daten aller 200.000 Studienteilnehmenden sowie die in der zentralen Biobank am Helmholtz Zentrum München gelagerten Bioproben zur Verfügung. Beantragt werden können sowohl Daten der Gesamtkohorte, als auch von Subgruppen mit bestimmten Merkmalen oder Erkrankungen. Auch Registerdaten wie Krankenkassendaten oder Daten aus Mortalitäts- und Krebsregistern stehen zur Verfügung. Das NAKO Datenportal ist eine große Chance für Forschende, an umfassende Datensätze zur Gesundheit der Bevölkerung zu kommen. Mit dem vorhandenen Material sind detaillierte Auswertungen möglich, die eine sehr hohe Relevanz für die Gesundheit der allgemeinen Bevölkerung haben. Der Datenschutz und die Datensicherheit der Probandinnen und Probanden werden dabei selbstverständlich sehr geachtet.

In der NAKO Gesundheitsstudie, Deutschlands größter epidemiologischen Bevölkerungsstudie, werden bundesweit mehr als 200.000 Bürger:innen in regelmäßigen Abständen umfassend medizinisch untersucht und befragt. Die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig betreibt eines der insgesamt 18 NAKO Studienzentren mit dem Ziel, einen umfassenden Datensatz zu sammeln, um die Ursachen von Zivilisationskrankheiten in der deutschen Bevölkerung besser zu verstehen. Seit August 2014 werden hierfür im NAKO Studienzentrum Leipzig alle 2,5 Jahre der Gesundheitszustand und die Lebensumstände von insgesamt 10.600 zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten Leipziger:innen erfasst. Prof. Dr. Markus Löffler war langjähriges Mitglied im Vorstand der NAKO Gesundheitsstudie.

  • Öffentliche Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Markus Löffler:
    Am Mittwoch, 28. Juni 2023, hält Prof. Dr. Markus Löffler seine öffentliche Abschiedsvorlesung: von 14 bis 16 Uhr im Hörsaal des Instituts für Anatomie, Liebigstraße 13, Leipzig.

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