Die Welt ändert sich gegenwärtig dramatisch: Militärische Konflikte und erbitterte Handelskriege begleiten das Bemühen von Unternehmen, Produktionsketten, die eben noch global angelegt waren, aufs Notwendige zu verkürzen. Gleichzeitig entstehen neue Ungleichheiten, die nicht mehr nur Ungleichheiten der Lebenshaltungskosten sind, sondern auch Ungleichheiten in der Betroffenheit von Klimawandel und schrumpfender Biodiversität sowie der Resilienz gegen Zoonosen und Zivilisationskrankheiten.
Ende der Globalisierung?
Es herrscht Ratlosigkeit: Wie soll man all diese Herausforderungen zeitgleich angehen? Zudem polarisieren sich Gesellschaften über eben diese Frage: Wie kommen wir aus dieser Multikrise heraus? Man kann es am gerade vom Bundestag verabschiedeten Heizungsgesetz illustrieren: Hier schlagen viele Faktoren der Multikrise direkt auf die individuelle Lebensführung durch. Der tiefgreifende Wandel der Rohstoffzugänge infolge des russischen Angriffskriegs und der über Jahre verschleppte Technologiewandel der Dekarbonisierung haben unmittelbare Folgen für die Entscheidung über das künftige Heizsystem im eigenen Haus oder der gemieteten Wohnung. Es ist völlig verständlich, dass dies Konflikte mit sich bringt und dass die Politik besonders herausgefordert ist, solch komplexe Zusammenhänge zu erklären. Es liegt in der Natur der Multikrise, dass sie nicht durch einfache Entscheidungen zwischen zwei Optionen zum Verschwinden gebracht werden kann. Vielmehr droht auf längere Sicht eine steigende Komplexität der politischen Entscheidungssituationen. Das verursacht erkennbar massiven gesellschaftlichen Stress – hierzulande und gleichzeitig in allen anderen Teilen der Welt. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir eben nicht die Einzigen sind, die mit dieser Multikrise konfrontiert sind.
Daran, dass irgendwie alles mit allem auf der Welt zusammenhängt, hat uns die Globalisierungserzählung seit den 1990er Jahren gewöhnt. Ihre einfachen Versprechen, wonach durch bessere Vernetzung eine friedliche Weltordnung, ein enormer Produktionszuwachs und demzufolge auch Wohlstand für alle möglich wären, haben sich als Illusion erwiesen. Spätestens seit der Corona-Pandemie und dem russischen Krieg gegen die Ukraine schwindet die Überzeugungskraft dieser Erzählung. Vermehrt wird gefragt, ob die multiplen Krisen der Gegenwart eine Abkehr von weltumspannenden, transregionalen Verflechtungen nötig machen oder einfach mit sich bringen.
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