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Charlotte Bauer weiß eines ganz genau: Sie ist keine von denen, die aus dem Job verabschiedet werden und am nächsten Tag schon wieder da sind. Nein, sie hat ihre Prinzipien. Zu denen gehört auch, dass sie nach all den strukturierten und erfüllten Jahren als stellvertretende Direktorin der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) bald keine Pläne mehr schmieden muss. Am 17. Dezember 2024 ist ihr letzter Arbeitstag. Dann geht die 66-Jährige in den Ruhestand. Am 13. Dezember wird sie von ihren Kolleg:innen und Weggefährten bei einem Empfang gebührend verabschiedet.

Schon jetzt ist die gebürtige Görlitzerin dabei, „sich selbst abzuwickeln“ – ein aufwändiges Prozedere, wie sie von der Verabschiedung des einstigen UBL-Direktors Ulrich Johannes Schneider im Jahr 2022 weiß. Er und auch die anderen zwei Chef:innen, mit denen sie zusammengearbeitet hat, ließen ihr stets den Freiraum zum Gestalten, den Charlotte Bauer wie die Luft zum Atmen braucht. Veränderungen in ihrem Haus habe sie stets in einer „angenehmen und familiären Atmosphäre“ umsetzen können. „Meine Kolleginnen und Kollegen sind immer offen für Neuerungen. Sie sind extrem serviceorientiert“, schwärmt sie. Die schönste Erinnerung an ihre Zeit an der Alma mater könne sie gar nicht nennen. Zu viele gebe es davon, betont Bauer und spricht von einem „unglaublichen Wandel“ ihrer Bibliothek über die Jahre.

Von der Sprachmittlerin zur stellvertretenden Bibiotheksdirektorin 

In Berlin schloss Charlotte Bauer noch in DDR-Zeiten ihr Studium als Sprachmittlerin für Russisch und Polnisch ab und landete bald darauf in Leipzig, wo sie als Übersetzerin in der Bibliothek der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) tätig war. Von 1987 bis 1989 studierte sie postgradual an der Humboldt-Universität zu Berlin Bibliothekswissenschaften. Das war für Bauer ein wichtiger Karrierebaustein. Nach der Abwicklung der DHfK Anfang der Neunzigerjahre, als viele ihrer damaligen Kolleg:innen gehen mussten, wurde Bauer 1992 Leiterin der viel besuchten Zweigstelle Augustusplatz der Universitätsbibliothek. Sieben Jahre später schaffte sie den Sprung zur stellvertretenden UBL-Direktorin und zog in ihr Büro ein, dessen Ausblick sie noch heute genießt: Ihre Albertina spiegele sich in der Glasfassade des gegenüberliegenden Geisteswissenschaftlichen Zentrums wider. „Ich habe sie immer von meinem Fenster aus gesehen.“ 

Schon reichlich 25 Jahre mache sie diesen Job. „Daran kann man erkennen, dass er mir sehr viel Freude bereitet“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. In dieser Zeit hat Charlotte Bauer unzählige innovative Projekte betreut, etwa die Einführung des Bibliotheksmanagement-Systems im Jahr 2000 oder die digitale Transformation der Bibliothek. Allein sechs vom Freistaat finanzierte Bibliotheksbauten entstanden unter ihrer Regie, vier weitere Baumaßnahmen in Mietobjekten hat Bauer begleitet. 2017 kürte der Deutsche Bibliotheksverband die UBL zur „Bibliothek des Jahres“ – eine Ehrung, an der Charlotte Bauer ebenfalls einen großen Anteil hatte. Sie selbst wurde am 9. März 2022 für ihr Engagement zur Ehrenbürgerin der Universität ernannt. Seit 2005 ist sie Senatsmitglied. Ihre erste Sitzung war am 13. Dezember 2005. Damit ist Charlotte Bauer das dienstälteste Mitglied des Gremiums.

Das Schönste ist, dass es mir nie langweilig war.

Charlotte Bauer

„Das Schönste ist, dass es mir nie langweilig war“, verkündet sie mit dem ansteckenden Bauerschen Lächeln, das für sie ebenso typisch ist wie ihre offene und mutige Art, die Dinge beim Namen zu nennen. Ob im Senat, bei Personalversammlungen oder zahlreichen anderen Gelegenheiten: Charlotte Bauer hat nie ein Blatt vor den Mund genommen und sich für ihr Team eingesetzt. „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“ ist ihre Maxime. Das tue sie allerdings nur für Menschen, die ihr wichtig sind. Dafür und für so vieles mehr wird sie von ihren Kolleg:innen uniweit geschätzt. Ob sie damit auch einmal angeeckt ist? „In all den Jahren nur einmal“, erinnert sie sich. 

Apropos Erinnerungen: Gibt es auch negative, die ihr im Gedächtnis haften geblieben sind? „Das waren die massiven Sparmaßnahmen an der Universität in den Jahren 2011/2012. Von den Personalkürzungen war auch die Bibliothek betroffen. Meine Angst ist groß, dass uns das wieder bevorsteht“, gesteht Bauer, die auch im Ruhestand den Kontakt zu ihren Kolleg:innen halten möchte. Allerdings will sie als letzte Amtshandlung erst noch die Bauanmeldung für die Bibliothek der Künste beenden. Bevor sie endgültig Adieu sagt, bäckt die Vize-Chefin erst nochmal ihre legendären Weihnachtskekse für ihr Team, bis zu 15 verschiedene Sorten, alle kleine Kunstwerke, wie sie selbst sagt. Charlotte Bauer verlässt die UBL mit einem „sehr guten Gefühl“. „Ich bin absolut fein damit, denn ich weiß die Bibliothek in guten Händen“, betont sie. Ihre Nachfolge sei auch bereits geklärt.

Ich habe doch bloß meinen Job gemacht.

Charlotte Bauer

Nach ihrem Abschied will sie dann erst einmal das Nicht-Planen-Müssen genießen, sich Zeit zum Wandern und für sich selbst nehmen, mehr Sport treiben und vielleicht als Ehrenamtliche im Akademischen Orchester organisatorische Aufgaben übernehmen. „Ich setze mich nicht unter Druck. Die Dinge werden sich richten“, ist Bauer überzeugt. Dass bei dem Empfang zu ihrem Abschied am 13. Dezember das ganz große Geschirr aufgefahren und sogar Ministerpräsident Michael Kretschmer erwartet wird, ist Charlotte Bauer fast schon unheimlich. „Ich habe doch bloß meinen Job gemacht“, sagt sie.

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