Ihre Studienzeit in Leipzig beschreibt sie mit dem Abstand von über einem Jahrzehnt als eine großartige und bis heute richtungsweisende Lebensphase. „Ich komme aus einem ganz kleinen Dorf. In die Stadt habe ich mich schockverliebt. Auch wenn ich heute in Eisenach lebe, habe ich noch immer allerwärmste Gefühle für meine Wahlheimat Leipzig. 16 Jahre lang war ich dort, habe meinen Mann kennengelernt, meine beiden Kinder geboren, mein ‚Rosa Krokodil‘ ist geschlüpft und fast unser gesamter Freundeskreis ist noch da.“
Mit dem Studium verbindet Espig vor allem eine neu gewonnene Freiheit und das Erwachsenwerden. „Am Anfang war es eine ziemlich schwierige Kiste, aus den vorgegebenen Schulwegen kommend, auf einmal völlig selbstständig und eigenverantwortlich sein zu müssen. Was mir geholfen hat, war das erste Scheitern, als ich gemerkt habe, so laissez-faire geht es nicht. Zusammen mit einer Kommilitonin sind wir das dann gemeinsam angegangen, haben Seminare belegt und uns strukturiert. Ich habe dann schnell gemerkt, dass ich bei Projekten mit Praxisbezug aufblühe, beispielsweise bei der Gestaltung einer Plakatkampagne, die dann in der ganzen Stadt hing, oder bei Radio mephisto. Ich war diese klassische ,irgendwas mit Medien-Studentin’ und wusste relativ früh, dass die Werbe- und Marketingbranche meine wird. Auch dafür war die Leipziger Uni eine gute Wahl.“
Projekt “Rosa Krokodil” entstand aus eigenem Erleben
Nach dem Studium war Espig zunächst in der Öffentlichkeitsarbeit für einen Automobilhersteller und dann in einer klassischen PR-Agentur als Redakteurin tätig. Nach jedem Kind habe sie sich beruflich verändert, was auch eine Frage der Vereinbarkeit gewesen sei. Das Projekt „Rosa Krokodil“ ist aus dem eigenen Erleben und Bedürfnis entstanden. Denn bereits in der ersten Elternzeit merkte sie, dass ihr Blick auf ihre Stadt keine Gültigkeit mehr hatte. „Für junge Eltern ist es nicht mehr wichtig zu wissen, wo man bis Mittag frühstücken kann oder wo es die Happy Hour gibt. Da zählen andere Dinge. Nur wie an die Infos rankommen? Es muss doch einen Ort jenseits vom Spielplatz geben, wo Elternfragen mehr als zufällig beantwortet werden. Priska Lachmann (Anm.d.R.: auch Alumna der Uni Leipzig) hat ,111 Orte in Leipzig mit Kindern’ geschrieben. Zusammen haben wir das Rosa Krokodil ursprünglich als Stadtmagazin angelegt, wo wir unser geballtes Wissen sammelten. Das hat gerade an Wochenenden, an Regentagen oder in den Ferien richtig viel Zuspruch gefunden.“
Mit der Zeit traten die Menschen mit immer spezielleren Fragen an sie heran, zu Zugreisen, Barrierefreiheit für Kinderwagen und ähnliches. „Aber ich bin ja kein Reisebüro, sondern gebe als Redakteurin kuratierte Inhalte heraus, habe aber nicht die Lösung für all die verschiedenen Bedürfnisse.“ Die bräuchte es aber und das nicht nur in Leipzig, sondern deutschlandweit. So ist die Idee entstanden, eine Plattform speziell für Familien zu machen. 2021 wurden aus dem Stadtmagazin „Rosa Krokodil“ das Unternehmen und die Plattform. Inzwischen sind es nicht nur Freizeit- und Reisetipps für jede Saison, sondern Tipps für jede Lebenslage wie Silvesterfeier, Wanderausstattung oder Spielzeug für Kinder. Eine Content-Agentur für den Familientourismus, nennt Espig ihr Projekt und lässt die Marketingexpertin erkennen.
Und wieder ein Entwicklungsschritt im Scheitern
Was sich im Zeitraffer wie eine geschmeidige und fast selbstverständliche Entwicklung anhört, war tatsächlich eine mit motivierten Höhen und existenzbedrohenden Tiefen. Beispielsweise als Espig all ihr Startkapital in die Entwicklung einer App steckte, die nicht funktionierte. „Als Praxismensch bin ich gleich losgerannt, habe mit null IT-Erfahrung in Entwickler investiert. Die App sah schön aus, war aber einfach nicht bedienbar. Das war richtig bitter, und ich habe mir große Vorwürfe gemacht. Aber das bringt ja auch nichts. Man muss dem Scheitern ins Auge sehen und analysieren, woran es gelegen hat. Bei mir war es definitiv das Tempo und dass ich in dieser Start-up-Bubble den schneller, weiter, höher Milestones, von denen dort alle reden, gefolgt bin. Das war aber nicht meins.“ Mit ihrer Geschichte ist sie mittlerweile auf den „Fuck-Up“-Bühnen Deutschlands unterwegs, war in Leipzig Keynotespeakerin bei einer Mentoring-Netzwerkveranstaltung und gibt einmal im Jahr an den Thüringer Hochschulen einen Workshop zum Gründen für Medienschaffende. „Viele von ihnen ziehen diese Option überhaupt nicht in Betracht. Ich halte es jedoch für enorm wichtig, dafür offen zu sein.“
Ein wachsendes Etwas
Inzwischen hat auch sie sich auf ihren Ursprung zurückbesonnen, auf die kreative Richtung und das Geschichtenerzählen. Ihr Projekt sieht sie als wachsendes Etwas. Die Mitteldeutsche Medienförderung unterstützt ihr Start-up und hilft, strategischer heranzugehen. Das Online-Magazin ist nur die Vorstufe, die App noch immer das Ziel. „Wir erreichen mittlerweile rund 250.000 Familien pro Monat. Unsere Generation ist so an Informationen aus dem Netz gewöhnt, dass wir gar nicht dahin denken, einen Reisekatalog von einem Tourismusbüro zu bestellen wie noch unsere Eltern. Unsere Umfrage unter Familien hat ergeben, dass nur ein Prozent auf Print zurückgreift, dafür jeweils gedrittelt auf Empfehlungen von Freunden, auf Netz-Suchanfragen oder Social Media.“ Dieser Wandel habe aber noch nicht im Tourismus stattgefunden. Da brauche es noch viel Aufklärungsarbeit, meint die Jungunternehmerin. „Was dort digital gestreut wird, geschieht nach der Ausrichtung Tourismus ist für alle da, aber eben für niemanden konkret. Das bedeutet, dass ganz spezielle Zielgruppen wie Familien nicht wirklich stattfinden, schon gar nicht digital. Um das zu ändern, arbeitet mein kleines Team mit den einzelnen Bundesländern und Regionen zusammen. Es steht beispielsweise eine große Kampagne mit der Stadt Leipzig an." In Kürze erscheinen auch Reiseführer mit Familienabenteuertipps in Papierform und ein Kinderbuch.
Neben all dem hat sie ja auch noch ihre Familie. Kaum zu glauben, woher sie all ihre Energie und Schaffenskraft schöpft. Isabell Espig ist auch an diesem Punkt entwaffnend ehrlich und lacht: „Das alles kann schon überwältigend sein. Ich lerne, immer wieder gut mit meiner Kraft zu haushalten. Dies ist aktuell meine bisher größte Wachstumsphase im Leben. Selbst wenn ich in fünf Jahren nicht das große Familienportal für Deutschland aufgebaut haben sollte, dann bin ich in dieser Zeit über mich hinausgewachsen. Was ich im beruflichen Kontext als Unternehmerin lerne und mir an Wissen aneignen muss, habe ich bisher weder im Studium noch in irgendeinem meiner Berufe gelernt.“ Die offene und erfrischende Art, ihre Erfahrungen zu teilen, bereichert auch das Alumni-Netzwerk der Universität Leipzig.
Kommentare
Keine Kommentare gefunden!