Sie haben Motive und Einstellungsmuster von AfD-Sympathisant:innen untersucht und dafür mit Daten des Social Cohesion Panels 2021 gearbeitet. Was ist das Social Cohesion Panel?
Holger Lengfeld: Das Social Cohesion Panel (SCP) ist eine seit 2021 jährlich durchgeführte Wiederholungsbefragung einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe, die wir mit Kolleginnen und Kollegen anderer FGZ-Standorte in den letzten Jahren gemeinsam entwickelt haben. Personen in ca. 12.000 zufällig ausgewählten Haushalten werden jedes Jahr zu ihren Einstellungen, sozialen Beziehungen, wirtschaftlichen Verhältnissen und weiteren Themen befragt. So können wir allgemeine Trends bezüglich des gesellschaftlichen Zusammenhalts erfassen und auch Fragestellungen zu den Ursachen und Folgen von Zusammenhalt und Spaltung beantworten, die mit Umfragen, die nur zu einem Zeitpunkt durchgeführt werden, nicht zu klären sind.
Mithilfe dieser Daten sind Sie nun verschiedenen Thesen nachgegangen, die erklären, weshalb Wähler:innen mit der AfD sympathisieren. Eine dieser Erklärungen ist die Populismusthese. Sie besagt, dass sich Wähler:innen aufgrund ihrer populistischen Einstellung für die AfD entscheiden. Wie hängen Populismus und Sympathie für die AfD zusammen? Wie haben Sie die populistische Einstellung gemessen und inwiefern unterscheiden potentielle AfD-Wähler:innen sich von den Wähler:innen anderer Parteien in ihrer populistischen Einstellung?
Clara Dilger: Populismus ist ein Einstellungsmuster, demzufolge die Gesellschaft aus zwei Gruppen besteht: den “einfachen und guten” Leuten auf der einen Seite und der als mächtig und korrupt angesehenen Elite auf der anderen. Uneinheitlichkeit von Werten oder Interessenunterschiede innerhalb dieser beiden Gruppen, wie sie für moderne, plurale Gesellschaften typisch sind, werden dabei ignoriert. Für Populist:innen ist Demokratie nur für die einfachen Leute da, schließlich sehen sie sich in der übergroßen Mehrheit. Diese Vorstellung steht im Widerspruch zum liberalen Verständnis von Demokratie. Denn in der liberalen Demokratie sollte idealerweise jede gesellschaftliche Gruppe die gleiche Chance zur Durchsetzung ihrer spezifischen Interessen haben. Politik ist dann das Ringen um den Ausgleich dieser Interessen durch Kompromissfindung.
Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei, denn sie kritisiert einerseits die herrschenden politischen Eliten als vom Volk abgehoben und als gegen das Volk regierend, und andererseits repräsentiert die Partei ein homogenes Volksverständnis in der nationalistischen Variante, in dem die ‚nativen‘ Deutschen Vorrang vor Migrant:innen beim Zugang zu Rechten und Ressourcen haben sollten. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die AfD Wähler:innen anzieht, die populistische und nationalistische Einstellungen aufweisen.
Holger Lengfeld: Um diese These zu überprüfen, haben wir im Social Cohesion Panel eine Populismusskala eingesetzt. Unsere Analysen haben gezeigt, dass Personen, die ihr Kreuz bei der AfD setzen würden, wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, mit einigem Abstand am stärksten populistisch eingestellt sind im Vergleich zu allen anderen Wähler:innengruppen. Auch wenn man andere Merkmale des Wahlverhaltens berücksichtigt, geht eine höhere Zustimmung zu der Populismusskala mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, die AfD wählen zu wollen, einher. Dieses Ergebnis spricht klar für die Populismusthese.
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