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Als Antifeminismus kann die organisierte Gegnerschaft zu feministischen Emanzipationsbestrebungen gelten. Antifeministische Strukturen und Bewegungen gehen nicht nur von der extremen Rechten aus, sondern auch von der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut an der Universität Leipzig erforscht antifeministische Strukturen im sächsischen Erzgebirge.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Stellung von Frauen in der Gesellschaft stark verändert. Feministische Einstellungen sind weit verbreitet und bilden damit eine Basis für weitere mögliche Veränderungen. Aber auch in der deutschen Gesellschaft gibt es immer noch Sexismus, Misogynie und Antifeminismus. Drei Konzepte, über die am 8. März, dem Weltfrauentag, viel gesprochen wird. Wie lassen sich diese drei Begriffe eigentlich voneinander trennen? Und was haben sie gemeinsam? Und warum ist die Verbreitung von antifeministischen Einstellungen ein Problem für die Demokratie?

Sexismus äußert sich in konkreten negativen oder auch vermeintlich positiven Zuschreibungen auf Grund des Geschlechts einer Person, also zum Beispiel die ganz klassische Vorstellung, Männer seien stark, und Frauen können gut kochen. Er ist strukturell in der Gesellschaft verankert und wird in der Kultur weitergegeben.

Misogynie kann als Frauenfeindlichkeit übersetzt werden und beschreibt entgegen dem Sexismus die explizite Abwertung von Frauen und allem Weiblichen. Misogynie ist fest in der abendländischen Kultur verankert.

Antifeminismus speist sich natürlich in Teilen aus diesen sexistischen, misogynen und auch queerfeindlichen Elementen, zum Beispiel rigide Vorstellungen über Geschlecht, Familie und Lebensweisen, etwa ein Geschlechterverhältnis, in welchem die Frau auf die Rolle der Gebärenden, Versorgerin und Mutter festgeschrieben wird. Antifeminismus richtet sich aber zusätzlich dezidiert gegen die Inhalte des Feminismus, macht ihn zum Feindbild. Er beschreibt die organisierte Gegnerschaft gegen feministische Emanzipationsversuche.

Um zu untersuchen, wie weit antifeministische Einstellungen tatsächlich in der Gesellschaft verbreitet sind, wurde der Aspekt des Antifeminismus 2020 auch erstmals in die Leipziger Autoritarismus-Studie aufgenommen, die seit über 20 Jahren der Verbreitung politischer Einstellungen in Deutschland nachgeht. Über 70 Prozent der Befragten stimmten 2020 Aussagen zu, in denen die Emanzipation und Selbstbestimmung von Frauen befürwortet wurden. Allerdings ließen sich auch bei über 18 Prozent der Befragten antifeministische Einstellungen feststellen. Der Religions- und Kirchensoziologe Gert Pickel sieht darin ein Problem für demokratische Gesellschaften: „Antifeminismus ist stärker ideologisch und politisch geprägt im Gegensatz zu Sexismus, welcher eher Ergebnis von Erziehung oder Tradition ist. In antifeministischen Einstellungen liegt ein Mobilisierungspotential für die extreme Rechte. Antifeminismus kann als Brückenideologie zwischen Leuten fungieren, die sich noch als konservativ begreifen und der extremen Rechten.“ Das heißt: Wer antifeministisch eingestellt ist, vertritt auch häufig auch autoritäre Einstellungen.

Auch Forscherinnen am Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) an der Universität Leipzig untersuchen Konflikte und Perspektiven mit Blick auf geschlechtsspezifische Fragen der Demokratie. „Wie die Teilhabe der Menschen in der Gesellschaft ist, entscheidet über den Zustand der Demokratie. Das gilt auch und gerade für die Rechte und die Teilhabe von Frauen in der Gesellschaft und für Versuche der Umsetzung von Geschlechterdemokratie“, so Fiona Kalkstein, stellvertretende Leiterin des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts und Mitglied im Forschungsprojekt „Geschlechterdemokratie im Erzgebirge“.  Das Projekt untersucht die Situation im sächsischen Erzgebirge. Denn gerade nach dem Zusammenbruch der DDR sind nicht nur die ökonomischen oder politischen Lebensbedingungen im Erzgebirge traditioneller geworden, sondern auch das Frauenbild. Wie schon in der jüngeren Vergangenheit, so ist auch die Gegenwart des Umgangs mit Frauenrechten durch viele soziale und politische Konflikte geprägt. Exemplarisch ist das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu nennen. Im Erzgebirge ist die selbsternannte Lebensschutz-Bewegung, die sich für ein Verbot von Abtreibungen einsetzt, stark und gut vernetzt. Das macht die Region so interessant für ein Forschungsinstitut, das sich mit Demokratie befasst.

Die Grundlage der Forschung bilden Gruppendiskussionen und Interviews, in denen alltägliche Erfahrungen und Konfliktdynamiken gleichzeitig zur Sprache kommen und reflektiert werden können. Zentral ist die Frage, welche Bedeutung Geschlechterdemokratie für die Freiheit von Lebensentwürfen und das gesellschaftliche Miteinander in der Region und darüber hinaus haben. Und welche Folgen es hat, wenn liberale, feministische Bewegungen aktiv bekämpft werden.

In diesem Zusammenhang fand Im Dezember 2021 ein vom EFBI ausgerichteter Fachtag zum Thema "Antifeminismus im Erzgebirge" statt. Die freien Journalistinnen Anna Vosgerau und Eva Weber haben die Inhalte dokumentiert und geben in der gleichnamigen Audiodokumentation einen Einblick in die Thematik und Situation vor Ort. Hier kommen die einzelnen Redner:innen und ihre Einschätzungen ausführlich zu Wort. Dazu tragen u.a. die Kooperationsparter:innen von Agenda Alternativ e.V., der Amadeu Antonio Stiftung, dem Gunda-Werner-Institut und dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt bei.

 

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