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Das Universitätsrechenzentrum (URZ) wartet nicht nur die rechnergestützte Infrastruktur an unserer Universität und vergibt Zugangspasswörter, verleiht „Mobile Endgeräte“ für das Home Office. Das Universitätsrechenzentrum sorgt auch für wesentliche Rahmenbedingungen für Spitzenforschung – seit 60 Jahren. Am künftigen KI-Rechenzentrum ist das URZ bereits jetzt maßgeblich beteiligt. Das Rechenzentrum, wie es bis Anfang der 1990er Jahre hieß, hatte auch maßgeblichen Anteil daran, dass Prof. Dr. Jens Meiler hierher auf eine Humboldt-Professur berufen wurde.

„Mensch ärgere dich nicht!“ ist ein Grund dafür, dass der Leipziger Jens Meiler heute an der Universität Leipzig computergestützte Verfahren auf den Gebieten Strukturbestimmung von Membranproteinen, computergestützte Wirkstoffentwicklung und Design neuer Proteintherapeutika entwickelt. 1987/88 besuchte er als Siebtklässler einen Computerkurs im Keller der Mathematischen Fakultät, zu der das Rechenzentrum der Universität zu dieser Zeit gehörte, und programmierte gemeinsam mit Neuntklässlern dieser Stadt auf dem Homecomputer Marke Robotron, dem KC 85/3, dieses bekannte Brettspiel. „Das hat mich bewegt und geprägt“, sagt er im Rückblick aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des Universitätsrechenzentrums.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen sind ein Computer der Marke Robotron, ein Monitor und ein Kassettenlaufwerk
Auf diesem Rechner haben viele in den 1980er Jahren in der DDR ihre ersten Programmier-Schritte gemacht: Der Homecomputer KC 85/3 vom VEB Mikroelektronik Mühlhausen (links), als Monitor diente der…

Mit dem Schreiben von Computerprogrammen ging es für den begabten Schüler jetzt erst richtig los: „Mein Vater lehrte zu dieser Zeit an der Fakultät für Physik an unserer Universität und hatte das Privileg, zu einem wissenschaftlichen Austausch in das damals neutrale Österreich nach Wien, reisen zu dürfen. Er brachte von dort für die wenigen ihm zur Verfügung stehenden Schillinge einen Homecomputer, den ‚ZX Spektrum‘ mit“, erinnert er sich. „Meine Mutter arbeitete an der Fakultät für Mathematik und hat mich gelehrt, auf diesem Computer zu programmieren.“ Meiler schrieb ein Programm, das geometrisches Grundwissen wie die Winkelsätze grafisch darstellte und erklärte – ein E-Learning-Programm: „Es war für viele Lehrer ein Schock, auch weil meine Mutter ihnen sagte, ‚In ein paar Jahren unterrichten Sie das an der Schule‘. Es war für mich ein wahnsinniges Glück, einen eigenen Computer zu haben.“ Homecomputer waren in der DDR eher selten zuhause zu finden, meist standen sie in Computerpools von Schulen, Betrieben oder eben im Rechenzentrum der Universität Leipzig.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Zu sehen ist ein Computer aus den 1980er Jahren: Der ZX Spektrum
Der Homecomputer ZX Spektrum, Marke Sinclair. Auf diesem Rechner schrieb Jens Meiler seine ersten Computerprogramme, der Rechner und die Tastatur sind ein Gerät. Sein Vater brachte ihn von einer Auslandsreise für hartes…

„Die Wissenschaftler der Universität, die uns Schüler damals am Rechenzentrum betreut und ihre Freizeit in uns investiert haben, hatten ein Verständnis dafür, wo die Zukunft hingeht und sie fühlten sich dazu verpflichtet, junge Leute wie mich aufzufangen und zu fördern. Wenn Dr. Dieter Bayer, Dr. Wolfgang Quapp und Kollegen an der Informatik in ihrer Freizeit nicht den Kurs gegeben hätten, wäre ich nicht da, wo ich bin. Diese Menschen haben mich geprägt, sie haben viele hundert Stunden in mich investiert“, so der Wissenschaftler. „Dass ich so frühzeitig in der Lage war zu programmieren, hat zur Hälfte zu meinem wissenschaftlichen Erfolg beigetragen und hat mich zu meiner jetzigen Professur gebracht“, so der Bioinformatikpionier.

Die Rechner ZX Spektrum und KC 85/3 sind Teil der Ausstellung "Quantensprünge – Von Leibniz zu Qubits" des Universitätsrechenzentrums und der Kustodie der Universität Leipzig.

Kurzprofil:
Prof. Dr. Jens Meiler ging in Leipzig zur Schule, studierte an der Universität Leipzig Chemie und promovierte anschließend an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt. Ab 2001 war er Postdoc an der Washington University in Seattle, 2005 wurde er an die Vanderbilt Universität in Nashville berufen. Seine Forschung verbindet computergestützte Verfahren mit experimentellen Methoden, um Proteine und deren Wechselwirkungen mit Wirkstoffen und anderen Biomolekülen besser zu verstehen. Meiler entwickelt computergestützte Verfahren auf den Gebieten Strukturbestimmung von Membranproteinen, computergestützte Wirkstoffforschung und Design neuer Proteintherapeutika. Anfang 2020 übernahm er mit einer Humboldt-Professur die Leitung des neugegründeten Instituts für Wirkstoffentwicklung an der Universität Leipzig.

Ulf Walther

Kommentare

  • Denise Anders,

    Wenn ich richtig vermute, dann ist seine Mutter Frau Dr. Monika Meiler, welche Studierenden über 40 Jahre an die Grundlagen der Informatik und Programmierung heranführte. Sie hat Generationen geprägt und deshalb sollte ihr Name hier nicht unerwähnt bleiben. Noch immer ist die Sichtbarkeit hoch kompetenter Frauen im Fach unzureichend. Für alle, die sich für das, was Dr. Meiler geleistet hat, interessieren, ist die Webseite samt Liste der Lehrveranstaltungen noch abrufbar. https://www.informatik.uni-leipzig.de/~meiler/

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  • Christoph Böwing,

    Der Artikel ist zum einen ein sehr schönes Beispiel, wie man mit einem Objekt [hier: Homecomputer KC 85/3 der Marke Robotron (DDR) bzw. des ZX 50 der Marke Sinclair (Großbritannien)] eines Museums oder einer Sammlung der Universität Leipzig Geschichte(n) erzählen und Dingen ein "menschliches Gesicht" geben kann ("Story Telling").

    Zum anderen ist Herrn Prof. Dr. Meilers Mutter, Frau Dr. Monika Meiler (Informatik), ein schönes Beispiel für die Bedeutung eines unbefristeten, wissenschaftlichen Mittelbaus als eine die Studienrenden prägende Konstante und eine tragende Säule einer Universität, dessen vielfache ("Service-)Funktionen" in Lehre, Forschung und (Selbst-)Verwaltung viel zu oft als selbstverständlich erachtet werden. Vielen Dank für diesen ergänzenden biographischen Hinweis, Frau Anders!

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