Frau Kupetz, zunächst einmal zu Ihrem Werdegang: Was haben Sie vorher beruflich gemacht?
Ich war Juniorprofessorin für Interkulturelle Kommunikation und Lehrer:innenbildung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und habe für ein Semester die Professur für Germanistische Linguistik mit Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache an der Leibniz Universität Hannover vertreten. Erfahrung in der Sprachlehrpraxis Deutsch als Fremd-/Zweitsprache habe ich in Sydney und Berlin gesammelt. Wissenschaftlich habe ich mich mit dem Gebrauch von Sprache in sozialer Interaktion beschäftigt, als Postdoc habe ich vor allem Unterrichtsinteraktion im sprach- und fachintegrierten Unterricht empirisch untersucht.
Was haben Sie wo studiert und woher kommen Sie ursprünglich?
Nach meinem Abitur in Niedersachsen habe ich Europäische Medienkultur und Information-Communication in Weimar und Lyon studiert, anschließend mit einem großen Bedürfnis nach einer stärkeren Auseinandersetzung mit Sprache den Masterstudiengang Kommunikationslinguistik mit Nebenfach Deutsch als Fremdsprache an der Universität Potsdam. In dieser Zeit habe ich auch ein Semester an der Macquarie University in Sydney verbracht. In Potsdam habe ich meine Dissertation im Fach Sprachwissenschaft verfasst. Die ersten elf Jahre meines Lebens habe ich in Leipzig verbracht – deshalb ist für mich die Übernahme der Leitung des Studienkollegs auch eine Art Rückkehr, über die ich mich sehr freue.
Welche Ziele haben Sie sich für das Studienkolleg gesetzt? – Was möchten Sie beibehalten, was verändern?
Die Ziele betreffen drei Bereiche: Lehrentwicklung, Infrastrukturentwicklung, Vernetzung.
Zum Lehrangebot: Viele Lehrende des Studienkollegs bringen einen sehr großen Erfahrungsschatz mit. Sowohl die erfahrenen, als auch die neueren Mitarbeiter:innen bringen ganz verschiedene Ideen ein, um die Abläufe und vor allem die Lehre weiterzuentwickeln. Didaktisch-methodisch hat sich die universitäre Lehre in den Fächern weiterentwickelt. Das muss sich auch im Unterricht am Studienkolleg widerspiegeln. Für die Schwerpunktkurse wurden in einer Kooperation vieler Studienkollegs Kompetenzprofile der einzelnen Fächer erstellt und es wird unsere Aufgabe sein, diese Kompetenzprofile im Laufe der nächsten Semester systematisch in den Lehrplänen zu implementieren.
Darüber hinaus möchte ich die anderen Lehrangebote stärker profilieren, unter anderem die Lehrangebote für Deutsch im Studium, im Propädeutikum und in den Sprachkursen, die zur Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) führen – immer im Hinblick auf die Frage: Welche sprachlichen (und fachlichen) Kompetenzen benötigen internationale Studierende, um an einer sächsischen Universität ein Studium aufnehmen und erfolgreich beenden zu können? Und: Welche akademischen Praktiken sollten internationale Studierende kennen? Was macht zum Beispiel eine Konsultation bei einer Professorin aus? Welche Zwecke werden damit verfolgt? Welche Erwartungen sind damit verbunden? Mit welchen Lehr-Lern-Methoden sollten internationale Studierende vertraut sein, um sich in einem Fachstudium orientieren und Leistungspunkte erwerben zu können?
Im Bereich der Entwicklung von Infrastruktur stehen große Aufgaben an, etwa die systematische Anbindung an AlmaWeb, was für die Studierenden-, sowie die Lehr- und Prüfungsverwaltung zentral ist.
Für eine stärkere Vernetzung und engere Anbindung des Studienkollegs an die Universität wird im Sommer ein Wissenschaftlicher Beirat gegründet. Für die Kollegiat:innen gibt es bereits wichtige, den Unterricht flankierende Angebote, zum Beispiel die Buddys, die zur Programmlinie der Academic Fellows des Academic Labs gehören und Kultur- und Freizeitangebote unterbreiten. Vorhandene Angebote der Universität, beispielsweise von studentischen Initiativen, sollen noch stärker genutzt werden, um die Studierenden des Studienkollegs an studentischem Leben in Leipzig partizipieren zu lassen. Außerdem möchten wir dazu beitragen, dass Absolvent:innen der Schwerpunktkurse die Universität Leipzig, aber auch die anderen sächsischen Hochschulen als für sie interessante und relevante Studienorte wahrnehmen. Wir verweisen deshalb gern auf die Informationsangebote der Stabsstelle Internationales und organisieren auch im Haus am 31. Mai eine Info-Veranstaltung der vier sächsischen Universitäten.
Wie viele Mitarbeiter hat das Studienkolleg aktuell? Wird die Zahl erhöht wegen der wachsenden Anforderungen an das Studienkolleg mit Blick auf die Deutschkurse für Ukrainer:innen?
Das Studienkolleg hat 26 hauptamtliche Mitarbeiter:innen mit Lehraufgaben und sechs Mitarbeiter:innen in der Verwaltung. Für das spezifische Projekt der Deutschkurse für vom Ukraine-Krieg Betroffene konnten wir vorübergehend Aufstockungen beziehungsweise Verschiebungen von Aufgaben vornehmen und eine ukrainische Kollegin als Lehrkraft für besondere Aufgaben einstellen. Über diese Vorgriffsfinanzierung des Rektorats können wir sehr gut bis Mitte Februar arbeiten. Um das Projekt sinnvoll zu Ende zu führen, so dass alle Kursteilnehmer:innen an der DSH-Prüfung teilnehmen können, muss es allerdings weitergeführt und weiter gefördert werden.
Wie werden die Deutschkurse für geflüchtete Studierende aus der Ukraine, die das Studienkolleg anbietet, organisiert?
Die Organisation, Konzeption und Durchführung ist keine One-Woman-Show: Das Bewerbungs- und Aufnahmeverfahren wurde von der Stabsstelle Internationales durchgeführt, vom Team Internationale Studierende, das von Bettina Sedlaczek geleitet wird. Die Kurskonzeption liegt in den Händen der fünf erfahrenen Lehrkräfte; unterstützt werden sie dabei von Kristin Knabe, der Koordinatorin unserer Angebote für „Deutsch im Studium“, von Manuel Engert, unserem Fachgruppenleiter Deutsch, und mir. Zudem stehen wir in engem Austausch mit Kolleg:innen des Herder-Instituts und des Sprachenzentrums, die ihre Expertise in verschiedenen Bereichen einbringen.
Wie viele Bewerbungen junger Ukrainer:innen und wie viele Plätze in den Deutschkursen gibt es bislang?
Insgesamt sind 169 Bewerbungen auf die Deutschkurse bei der Stabsstelle Internationales eingegangen, davon knapp 40 Prozent von Ukrainer:innen, der Rest von Drittstaatler:innen, also Menschen aus verschiedenen Ländern, die in der Ukraine bis zum Kriegsbeginn studiert haben. Insgesamt wurden 70 Plätze vergeben.
Welche Voraussetzungen müssen diese erfüllen?
Die erste Voraussetzung für die Bewerbung auf einen Kurs war, dass mindestens zwei Semester erfolgreich in der Ukraine studiert wurde – dadurch kann in der Regel eine direkte Hochschulzugangsberechtigung erworben werden und die Bewerber:innen können sich in Deutschland direkt auf ein Fachstudium bewerben. Die zweite Voraussetzung war, dass das eigene Studienfach an der Universität Leipzig angeboten wird und möglichst ohne NC belegt ist, damit eine realistische Chance auf einen Studienplatz besteht. Ausgenommen waren die häufig nachgefragten Studienfächer Medizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Pharmazie, da hier die Wahrscheinlichkeit, einen Studienplatz zu erhalten, auf Grund der insgesamt geringen Anzahl an Studienplätzen nicht sehr hoch ist. In einem Nachrückverfahren haben wir inzwischen auch 20 Personen berücksichtigt, die bei bestandener DSH eine Chance auf einen Studienplatz an einer anderen sächsischen Hochschule haben.
Wann beginnt der erste Kurs mit wie vielen Teilnehmenden?
Noch bis zum 13. Mai läuft eine Willkommenswoche mit verschiedenen Begrüßungs- und Orientierungsangeboten. Wir starten mit dem Unterricht am 16. Mai in drei Gruppen mit insgesamt 70 Teilnehmer:innen (auf A1- und A2-Niveau).
Welche Voraussetzungen müssen die ukrainischen Geflüchteten erfüllen, um an der Uni Leipzig weiterstudieren zu können?
Sie müssen die formalen Zulassungsvoraussetzungen inklusive der erforderlichen Sprachkenntnisse (mindestens C1-Niveau nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen) erfüllen, wie alle anderen internationalen Studienbewerber:innen auch. Zusätzlich wird in vielen Fächern auch die fachliche Eignung geprüft. Das Ziel ist, dass sie sich für die Aufnahme in ein Fachstudium im höheren Fachsemester bewerben können.
Es sollen auch bestehende Kurse aufgestockt werden. Ist das bereits geschehen?
Ein schon länger geplanter Kurs, der Geflüchtete ab B1+/B2-Niveau auf die DSH vorbereitet und von Juli bis Dezember stattfinden wird, steht nun auch für Studierende aus der Ukraine offen. Zusätzlich versuchen wir, einzelnen Personen mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen die Teilnahme an einem laufenden DSH-Kurs zu ermöglichen. Diese beiden Kurse sind vom SMWKT gefördert und die Bewerbungen hierfür laufen gerade über die Stabsstelle Internationales. Diese koordiniert auch die Bewerbungen für weitere drittmittelgeförderte Sprachkurse für Studieninteressierte mit Fluchterfahrung an anderen Einrichtungen.
Sicherlich sprechen die meisten ukrainischen Geflüchteten gar kein Deutsch. Wie wollen Sie diese Hürde überwinden?
Grundsätzlich gehen wir erst einmal davon aus, Englisch als Brückensprache nutzen zu können. Die ersten Kontakte mit den Kursteilnehmer:innen per E-Mail zeigen, dass das auch gut funktioniert. Zudem haben wir in der Studienorganisation mit Keti Gentsch-Laliashvili eine Mitarbeiterin, die gut Russisch spricht, was uns als Brückensprache schon sehr geholfen hat. Unter den Lehrenden für die neuen Sprachkurse ist eine ukrainische Kollegin, Kateryna Bilyk, die Ukrainisch, Russisch, Englisch und Deutsch spricht. Es ist großartig, auf diese sprachlichen Kompetenzen in der Organisation und Durchführung des Unterrichts zurückgreifen zu können.
Wie lange, denken Sie, dauert es, bis die ukrainischen Studierenden sprachlich fit genug für ein Studium an der Uni Leipzig sind?
Viele Faktoren können sich auf die Entwicklung von fremdsprachlichen Kompetenzen auswirken, etwa das Einstiegsniveau, Erfahrungen im Fremdsprachenlernen, die Motivation, der Stand der Verarbeitung des Erlebten und anderes. Ein wirklich großer Erfolg wäre es, wenn die ersten Kursteilnehmer:innen aus der Ukraine im kommenden März die DSH-Prüfung absolvieren könnten. Wichtig wäre es, die im Moment bis Februar 2023 laufende Maßnahme der Sprachkurse mindestens im nächsten Jahr weiter zu finanzieren, damit eine realistische Chance für alle Teilnehmer:innen besteht, die DSH abzulegen und zum Beispiel im Wintersemester 2023/24 das Studium aufzunehmen.
Der Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine wird sicherlich noch zunehmen. Wie stellt sich das Studienkolleg darauf ein?
Es zeigt sich in den Zahlen der Anfragen der vergangenen Wochen, dass das Interesse von Schüler:innen aus der Ukraine an einem Studium in Sachsen sehr hoch ist. Um eine direkte Hochschulzugangsberechtigung zu erlangen, müssen sie jedoch ins Studienkolleg und bei uns die Feststellungsprüfung bestehen. Um diese Nachfrage zu bedienen, wäre es wichtig, die Kapazitäten in den Schwerpunktkursen zu erhöhen. Der Nachfrage von Studieninteressierten angemessen wäre es beispielsweise, ab Wintersemester 2023/24 einen zusätzlichen W-Kurs anzubieten, der auf wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge vorbereitet. Hierfür müssen jedoch die Personalressourcen bereitgestellt werden. Da in Sachsen die Zahlen der Studieninteressierten aus der Ukraine im Vergleich zu anderen Bundesländern im Moment hoch sind, wäre es sinnvoll, hier zügig Initiativen zu ergreifen, um Studieninteressierten Perspektiven an Hochschulen in Sachsen aufzuzeigen.
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