Am Vormittag hatte Kretschmer mit seinen Kabinettskollegen über eine Verschärfung der aktuellen Maßnahmen beraten, am Mittag gegenüber der Presse angekündigt, dass in der kommenden Woche der Lockdown komme. Was für ein Timing für die gemeinsame Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“, der Zeit-Stiftung und der Universität Leipzig.
Moderator Patrik Schwarz stieg sogleich kritisch ein, indem er seine Co-Moderatorin Anne Hähnig zitierte: „Ein ziemlich großes Problem, das Sachsens Regierung hat und vor allem Herr Kretschmer: Er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht so genau hingeschaut zu haben, als die zweite Welle den Freistaat traf.“ Der Kritisierte entgegnete: „Nicht genau hingeschaut trifft es nicht so recht. Aber ja, wir müssen jetzt sehr hart reingehen, die Maßnahmen haben nicht gereicht.“ Kretschmer räumte ein, die frühen Mahnungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu schärferen Maßnahmen in der Pandemie seien richtig gewesen. Aber es sei „kein so großer Schaden entstanden“.
Ob er nicht sein Ohr zu nah an den sogenannten „Wutbürgern“ (gehabt) habe? „Momentan fehlt mir die Zeit und die Geduld. Aber die kommt wieder. Wir müssen miteinander reden.“
Die Weihnachtsruhe beginne nun früher und dauere länger. „Wir wissen warum, und das wird man ja wohl aushalten können. Ich hoffe auch, dass bei der überwiegenden Zahl der Menschen das Verständnis da ist.“ Paula Piechotta, Mitglied im Stadtvorstand Bündnis 90/Die Grünen, kommentierte diese Aussage bei Twitter wie folgt: „Angesichts des vermeidbaren erneuten Lockdowns eine ziemlich Zumutung, egal ob für Kinder, deren Bildung gefährdet ist, für Menschen, die ihre Existenz verlieren, für alle in der Klinik, die die aktuelle Situation ausbaden.“
Der Ministerpräsident betonte mehrfach, dass die Maßnahmen stets ausgewogen sein müssten, der Akzeptanz der Rechtmäßigkeit wegen. „Für Sachsen sind wir jetzt an einen Punkt gekommen, wo wir nicht mehr sagen können: Eigenverantwortung. Es endet an dem Punkt, wo die Intensivbetten ausgelastet sind, und auf diesen Punkt steuern wir zu.“
Auf die Frage eines Zuschauers, warum die Querdenkerdemonstrationen zugelassen wurden, gerade jene in Leipzig am 7. November, sagte Kretschmer: „Weil wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben. Aber die Erfahrung hier hat gezeigt, dass man sich nicht alles gefallen lassen kann und dass der Rechtsstaat sich auch durchsetzen muss. Wir haben in der Woche danach dann die Rechtsverordnung geändert. Gerade wurde in Dresden die Veranstaltung verboten. Wir haben aus der Leipziger Veranstaltung schon sehr gelernt.“ Bei den „Querdenkern“ sei „vieles gesteuert aus rechtsextremen Kreisen, die die Gesellschaft spalten wollen, destabilisieren wollen“.
Eine weitere Zuschauerfrage lautete: „Wie kann der aktuelle Stand der Wissenschaft besser durch Politik und Medien vermittelt werden?“ Dazu führte Kretschmer aus: „Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, alle miteinander, dass dieses Land nicht verblödet. Mit großem Selbstvertrauen, mit einer großen Freude müssen wir Wissenschaftler dazu auffordern, dass sie sich äußern, dass wir ihnen Platz geben, sich zu artikulieren. Und denen auch vertrauen.“
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