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Jörg Graf ist Restaurator an der Universitätsbibliothek und Beauftragter für Suchtfragen der Universität Leipzig. Über seinen Job als Ansprechpartner für Mitarbeiter:innen der Universität Leipzig zu Suchtfragen und die Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung auf das Problem der Suchterkrankungen spricht er im Interview.

In welchen Fällen von Suchtproblemen oder Abhängigkeitserkrankungen können sich Mitarbeitende an Sie wenden?

Jörg Graf: Als Beauftragter für Suchtfragen der Universität Leipzig stelle ich einen neutralen und vor allem anonymen Ansprechpartner für die Mitarbeitenden der Universität dar und fungiere als Bindeglied zwischen den Abhängigkeitserkrankten und den Suchtberatungsstellen vor Ort. Das heißt, nicht nur die direkt Betroffenen können sich mit ihren Fragen an mich wenden, sondern auch die Kolleg:innen in deren Umfeld. Wichtig ist es auch, den Kontakt zu den Führungskräften herzustellen und sie in der Umsetzung ihrer Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft zu unterstützen.

Wie gehen Sie in ihrer Arbeit vor? Wie unterstützen Sie Mitarbeitende? 

Häufig werde ich von den Führungskräften kontaktiert, um sie im Umgang mit dem abhängigkeitserkrankten Kolleg:innen zu beraten und mit Informationen zu versorgen. Dabei erlebe ich oftmals eine Verunsicherung bezüglich der Vorgehensweise mit den betreffenden Mitarbeitenden, aber auch Sorgen auf Seite der Kolleg:innen, die eine potentielle Meldung gemacht haben. Nicht zu vergessen sind die universitären Strukturen, die sich oft in Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sowie Studierenden darstellen. Diese Situationen erschweren die direkte Ansprache, beziehungsweise machen sie zum Teil unmöglich.
Hierbei ist es mir wichtig zu betonen, dass ein solches Mittun durchaus als erster Schritt oder auch Anreiz für eine Veränderungsmotivation für die abhängigkeitserkrankte Person fungieren kann. So ein Anlass kann Motivator sein, sich einerseits die notwendige Hilfe zu holen und bedeutet andererseits häufig Entlastung für die im Umfeld der Betroffenen agierenden Mitarbeitenden. 

Welche Ressourcen stehen Mitarbeitenden mit Suchtproblemen zur Verfügung?

In erster Linie sehe ich es als Ressource, dass die Universität einen Beauftragten für Suchtfragen installiert hat und so den Mitarbeitenden die Möglichkeit bietet, schnell, niederschwellig und anonym Unterstützung zu erhalten.
Zusätzlich hat die Uni als Arbeitgeber eine Dienstvereinbarung erarbeitet, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, seine Fürsorgepflicht wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang haben auch die Mitarbeitenden die Möglichkeit, Konsequenzen ihres Suchtmittelkonsums transparent nachzuvollziehen.

Haben Sie Tipps für Kolleg:innen von Betroffenen, die sich um ihre Kolleg:innen sorgen?

Eine Abhängigkeitserkrankung stellt für die Betroffenen selbst häufig eine starke Belastungssituation dar. Das Umfeld ist jedoch oftmals durch die Folgen einer solchen Erkrankung ebenfalls belastet, weswegen es wichtig ist, die Belastung zu erkennen und sich Hilfe zu holen. Dabei können die Kolleg:innen, bei entsprechenden eigenen Ressourcen, die Betroffenen ansprechen und ihre Wahrnehmungen thematisieren. Zum Beispiel: „Mir ist aufgefallen, dass du alkoholisiert gewirkt hast.“ Oder „Ich habe bei dir in letzter Zeit vermehrt einen Alkoholgeruch wahrgenommen. Deine an dich übertragenen Aufgaben sind nicht erledigt. Kann ich dir meine Hilfe anbieten?“
Sie können sich aber auch an ihre Führungskräfte oder eben an mich, als Suchtbeauftragten, wenden.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Legalisierung von Cannabis auf das Problem der Suchterkrankungen ein?

Für mich persönlich ist die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis zu sehr auf die Entkriminalisierung ausgerichtet und zu wenig auf die Folgen für die jungen Erwachsenen beziehungsweise die Konsument:innen selbst, sowie die Folgen für deren Umfeld oder auch Folgen im Wirkungsfeld Arbeit. Grundsätzlich sind die Konsequenzen einer Abhängigkeitserkrankung häufig mehrdimensional und haben möglicherweise starken Einfluss auf die Biografie der Menschen. Die dadurch entstehenden Problemlagen können oftmals gravierend sein. Daher ist eine Abhängigkeitserkrankung, unabhängig von der konsumierten Substanz, häufig einschneidend und es gilt, das Erkranken zu verhindern. Ich fände es sinnvoll, etwas wie eine Präventationsveranstaltung anzubieten, die darüber aufklären könnte.

Wie würde eine solche Präventionsveranstaltung aussehen?

Ich denke, Ziel einer Präventionsveranstaltung sollte sein, über die Folgen und Konsequenzen von einem regelmäßigen Konsum von Suchtmitteln aufzuklären und über Hilfsangebote zu informieren. Dabei braucht es meiner Meinung nach eine offene Atmosphäre, um vorurteils- und wertfrei über solche wichtigen Fragen zu sprechen und aufklären zu können. Schwerpunkte einer solchen Veranstaltung könnten beispielsweise die möglichen Auswirkungen von Cannabis-Konsum auf die Psyche oder auch auf die Entwicklung und Ausreifung des Gehirns von eher jüngeren Konsument:innen sein. Natürlich gilt es ebenfalls zu erläutern, warum überhaupt eine Präventionsveranstaltung notwendig ist, wenn der Konsum doch legalisiert wurde.

Was bedeutet die Cannabis-Legalisierung für die Mitarbeiter:innen der Uni?

Arbeitsrechtlich gesehen gibt es keine Veränderung. Die Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung zur Regelung des Dienstbetriebes für die Behörden des Freistaates Sachsen sieht im Punkt 36 vor, „dass die Bediensteten im Dienst nicht unter Einfluss von Alkohol sowie anderen berauschenden oder betäubenden Mitteln stehen dürfen“. Diese Anordnung gilt auch weiterhin.

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