Der australische Student Shaun Brentnall spielt Rugby. Das ist nichts Ungewöhnliches, Rugby ist in Australien Volkssport Nummer 1. Während seines Aufenthalts in Leipzig suchte er sich einen heimischen Club, den Rugby Club Leipzig, der in der 1. Bundesliga Nordost spielt. Sportdatenanalysen sind in einem solchen Verein nicht üblich, allein, weil dies einen zu großen technischen und finanziellen Aufwand bedeutet, den sich nur der Spitzensport, wie Fußballclubs der oberen Profiligen, leisten kann. Bisher. Shaun Brentnall hatte eine Idee: „Ich habe meinen Freund Sandesh Bhat gefragt, der wie ich auch Physiker ist, ob eine Analyse von Spielerdaten mit deutlich geringerem Aufwand möglich wäre. Und so haben wir eine Beschleunigungsmessung für das Handy entwickelt. Mit einem Mikrochip-Computer, der sich anfangs in einer Socke befand, wurden so zunächst Tackling-Szenen im Spiel analysiert. Und wir haben eine Software dazu geschrieben, die komplexe Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) verarbeiten kann.“
Gründungsinitiative SMILE kann Startups zu Erfolg verhelfen
Mit dieser Idee im Kopf haben die beiden Verbindung zu Christian Hauke von der Gründungsinitiative SMILE aufgenommen. Es ging darum, Gründungsstipendien oder auch Co-Sponsoren zu finden, die den beiden Studierenden helfen, ihre Idee zur Geschäftsreife zu bringen. „Es war ein sehr gutes Gespräch, auch wenn wir pandemiebedingt nicht persönlich miteinander sprechen konnten. Er hat uns zum Beispiel ein EXIST Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministerium vermittelt. Durch das Stipendium können wir in Vollzeit unsere Geschäftsidee weiterverfolgen und Investoren für Folgefinanzierungen ersuchen.“
- "Wir haben den Markt analysiert und festgestellt, dass es in Europa mehr als 50.000 semi-professionelle Sportvereine gibt. Das heißt, es gibt einen riesigen Markt, der auf eine neue Lösung wartet."
Simon Rasch
Christian Hauke von SMILE erinnert sich: „Wir waren von ihrer Idee begeistert, auch weil wir selten Ausgründungen aus dem Bereich Sportwissenschaften haben. Mich hat vor allem die Motivation und Begeisterung des Teams für die Idee angesteckt. Um zu beweisen, dass die entwickelte sportwissenschaftliche Methodik praxistauglich war, musste ein Prototyp finanziert und getestet werden. Wir haben das Team unterstützt, indem wir einen Antrag auf Förderung im Rahmen des EXIST Programms entwickelt haben. Bei unseren regelmäßigen Coachings mit dem Team stelle ich immer wieder fest, wie engagiert und kreativ das Team neuen Herausforderungen begegnet. Diese Eigenschaft ist absolut notwendig um erfolgreich Unternehmer zu werden.
Auch die Hochschulallianz ARQUS hat den Jungunternehmern geholfen: „Wir konnten nach Lyon reisen und mit Fußball- und Rugby-Trainern darüber sprechen, wie sie ihre Sportdaten erheben und analysieren, um das Training und auch das Spiel verbessern zu können und welche Datenerhebungen sinnvoll sind. Das hat uns viel geholfen“, erzählt Shaun Brentnall. Wissenschaftlich steht den drei Gründern Dr. Sebastian Bauer von der Professur für Sportpsychologie und Sportpädagogik zur Seite, auch dieser Kontakt wurde durch SMILE vermittelt.
Und nun analysiert SAIGE Analytics, wie die ausgegründete Firma heißt, in einem Pilotprojekt Spiel- und Trainingsdaten des Fußballregionalligisten BSG Chemie Leipzig, erklärt Simon Rasch, bei SAIGE zuständig unter anderem für Marketing und Finanzen: „Aktuelle Analyse-Produkte sind entweder extrem teuer, oder der Funktionsumfang ist sehr gering. Diese Situation ist sehr unzufriedenstellend für alle Vereine, die nicht im Profi-Bereich angesiedelt sind. Wir haben den Markt analysiert und festgestellt, dass es in Europa mehr als 50.000 semi-professionelle Sportvereine gibt. Das heißt, es gibt einen riesigen Markt, der auf eine neue Lösung wartet. Wir nutzen künstliche Intelligenz zum Analysieren der Spielerbewegungen – so benötigen wir weniger Hardware und Personaleinsatz, als herkömmliche Anbieter und können dennoch sehr tiefe Einsichten liefern. Damit ermöglichen wir es den semi-professionellen Vereinen, wie die Profis zu trainieren.“
- „Im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe ist es wichtig zu wissen, wie vor allem körperlich schwere Arbeiten optimiert werden können."
Simon Rasch
KI-basierte Trainings- und Spieloptimierung auch für Großindustrie interessant
Und so funktioniert’s: Jedes Teammitglied bekommt einen Sensor um den Brustkorb, mit welchem die Herzfrequenz und Beschleunigung gemessen werden. Außerdem filmt eine einzige Kamera mit vier Linsen das Spiel. Die davon ausgehenden Daten werden in Echtzeit an eine Cloud gesendet und verarbeitet. „Die Ergebnisse werden live in unserer Online-Plattform dargestellt und können per Tablet, Smartphone oder Computer durch das Trainerteam von überall auf der Welt angesehen werden. Das heißt, der Trainer könnte sogar zuhause von seiner Couch aus die Analyse starten, beenden und alle Spielerdaten in Echtzeit einsehen. Unsere Analyse-Plattform liefert nicht nur Einblicke in Athletik-Daten der Spieler, wie Laufdistanz oder Herzfrequenz, sondern erstellt auch automatisch komplexe Statistiken wie Schuss- und Passquoten oder erfolgreiche Konter“, erklärt Rasch. Im Training oder auch im Spiel könne das Trainerteam die Analysen nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen oder im Nachgang bestimmte Spielsituationen erneut zu untersuchen. Diese Art der Analyse sei deutlich weniger kostspielig und aufwändig, als die der Spitzenvereine. „Wir arbeiten darauf hin, unser Produkt zeitnah zur Marktreife zu bringen.“
Das Produkt könnte nicht nur Sportvereine interessieren, sondern auch den medizinischen Bereich und die Industrie. Aktuell testet SAIGE Analytics die Technologie auch in einer Großbäckerei. „Im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe ist es wichtig zu wissen, wie vor allem körperlich schwere Arbeiten optimiert werden können. Zum einen, um die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen und zum anderen, um Arbeitsabläufe zu optimieren und auch herauszufinden, ob Werkzeuge, Gerätschaften, Arbeitsstätten umorganisiert werden sollten, um ein effizienteres und gesundheitsschonendes Arbeiten zu ermöglichen“, so Simon Rasch. „Unsere Technologie ist für viele Märkte interessant.“
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