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Ein leicht tapsiger Dieb kommt eines Nachts ins Museum und nimmt einfach so Hugo von der Wand. Er stiehlt das Schmuckstück, das schönste Gemälde der Ausstellung, und flüchtet. Damit beginnt Hugos Odyssee. Zum besseren Verständnis: Hugo ist ein imaginäres, personifiziertes Gemälde, das die Hauptrolle in dem Buch „Wie rettet man Kunst?“ spielt. Der Anstoß dafür kam von Sibylle Wulff. Die Restauratorin der Kustodie der Universität Leipzig hat mit dem im März 2023 im Karl Rauch Verlag erschienenen Werk ihr „Herzensprojekt“ umgesetzt – gemeinsam mit ihrer Freundin, der Restauratorin Dr. Fabienne Meyer, und der Berliner Illustratorin Martina Leykamm. Das Familienbuch, das im Handel und in zahlreichen Museumsshops zu finden ist, entsteht gerade in zweiter Auflage und wurde in Österreich zum Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Junior-Wissensbücher nominiert. Eine Erfolgsgeschichte.

Hugo hat ausgesprochenes Pech, denn der Dieb fällt auf der Flucht hin, Hugo landet im Schmutz, wird nass, muss anschließend Hitze und Kälte über sich ergehen lassen. Da der Dieb nicht der Hellste ist, kommt man ihm schnell auf die Schliche und findet den ramponierten Hugo. Der Gerettete ist überglücklich, muss nun aber erstmal in die Restaurierungswerkstatt und dort wieder hübsch gemacht werden. Hier setzen Sibylle Wulff und Fabienne Meyer an, der Welt außerhalb einer Kunstrestaurierungswerkstatt ihre tägliche Arbeit für jedermann verständlich zu erklären.

„Oft ist es so, dass wir tausend andere Dinge tun als an unseren geliebten Objekten zu sitzen“, erzählt Sibylle Wulff, Hugos Schöpferin. Sie habe ihren Chef Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, den Kustos der Universität, früher regelmäßig zu Seminaren begleitet und den Studierenden von ihrer Arbeit berichtet. Irgendwann kam sie auf die Idee, es niederzuschreiben. Eine Art Infobroschüre sollte es zunächst werden. In einem Kurzurlaub mit ihrer Freundin, der Restauratorin Fabienne Meyer, entstand dann 2018 die Idee, gemeinsam ein Buch zu schreiben. Schnell fanden die beiden mit Martina Leykamm eine Illustratorin, die sofort ihr Anliegen verstanden hat und offen für die Zusammenarbeit war. Nun fehlte nur noch ein Verlag.

Der fand sich 2019 auf der Leipziger Buchmesse. Am Stand des Karl Rauch Verlages sah Sibylle Wulff das Buch „Wie kommt die Kunst ins Museum?“ „Es passte zu unserem Buchprojekt wie die Faust aufs Auge“, berichtet sie. Nur zwei Wochen nach ihrer Bewerbung sagte der Verlag zu. In den Gesprächen mit dem Verlagsleiter, der die Entstehung des Buches engagiert begleitete, entstand die Idee, ein Familienbuch zu schreiben. „Die Leute sollten Lust haben, das Buch in die Hand zu nehmen“, sagt Wulff. Ihre Herausforderung: Es sollte ein Buch „mit Niedlichkeitsfaktor“ werden, das die Arbeit von Restauratorinnen und Restauratoren prägnant und anschaulich erklärt, ohne wichtige Fakten wegzulassen. Die Akteurinnen des Buches haben mit sich gerungen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Heraus gekommen ist ein buntes, informatives und gut verständliches 80-Seiten-Werk, das am Beispiel Hugos den Alltag von Kunstrettern beschreibt. Wulffs stärkste Kritiker waren übrigens ihre schonungslos ehrlichen Kinder im Alter von neun und dreizehn Jahren. Sie lasen das Buch mehrfach in der Entstehungsphase und sagten, was sie nicht verstanden haben oder welche Stellen aus ihrer Sicht langweilig waren. Sie verfolgten genau die Geschichte Hugos und seiner Restauratorin, die sehr zum Ärger Hugos so viele andere Dinge zu tun hat und sich zunächst kaum um ihn kümmern kann.

Hinweise aus dem LKA zu Fälschungen eingeholt

Sibylle Wulffs Kinder und die anderen Leserinnen und Leser des Buches erfahren unter anderem, mit welchen Methoden Kunst untersucht werden kann oder warum sie so wichtig ist.  Auf den blau eingefärbten Seiten finden sich interessante Informationen darüber, wie man Fälschungen erkennt. Dazu haben sich die Autorinnen und die Illustratorin sachkundige Hinweise beim Landeskriminalamt Berlin geholt. Wulff und Meyer verraten den einen oder anderen Trick der Fälscher: Papier mit Tee färben, damit es vergilbt und älter aussieht oder ein Gemälde in den Backofen schieben, damit es Sprünge bekommt.

„Wie rettet man Kunst?“ enthält auch eine kleine Materialkunde für Gemälde und Skulpturen.  „Da haben wir uns ein bisschen ausgetobt“, erinnert sich Wulff. Ihr Buch enthält auch einige Fotos von Kunstwerken der Universität, etwa von den Epitaphien. Wer schon immer wissen wollte, woraus Kunst entstehen kann, wird auch in dem Buch fündig und kommt ins Staunen: Die Palette reicht von Nuss-Nugat-Creme über Wachs bis hin zu Schlitten. Aus eigener Erfahrung weiß Sibylle Wulff, dass Kunstwerke mitunter leiden müssen – wie ihr imaginäres Gemälde Hugo. Nicht nur Schmutz und Feuchtigkeit setzen ihnen zu, auch „falsche Freunde“ wie etwa Holzwürmer oder Fliegen, die gern mal ihr Geschäft mitten auf der Kunst erledigen und sie damit schädigen können.

Hugo mit der schiefen Nase

Hugo hatte übrigens, wie das Röntgenbild ergab, früher eine schiefe Nase. Diese wurde aber im Laufe des Malprozesses korrigiert. Bis allerdings Hugos Schäden vom Diebeszug fachgerecht beseitigt werden, dauert es etwas, denn seine Restauratorin hat wenig Zeit für ihn. In der Zwischenzeit können die kleinen und großen Kunst-Interessierten das Würfelspiel „1,2,3, gerettet“ ausprobieren, das in Anlehnung an „Mensch, ärgere dich nicht“ die verschiedenen Stationen der präventiven Konservierung erklärt.

Irgendwann aber gibt es ein Happyend – so viel sei schon einmal verraten. Hugo landet frisch restauriert und stolz wie Bolle wieder an seinem angestammten Platz im Museum. „Das ist ein Buch für alle, die Kunst mögen und sie umsichtig behandeln“, sagt Wulff, die gerade wegen ihres Bucherfolgs „auf Wolke sieben“ schwebt. Ob die Geschichte von Hugo eine Fortsetzung erlebt, weiß sie nicht. „So eine schöne und bereichernde Teamarbeit kann man nicht toppen“, meint Wulff, die jetzt erst einmal ein anderes Projekt beenden möchte: ihre Dissertation.

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