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Die Arbeitspsychologen Martin Zeschke und Prof. Dr. Hannes Zacher von der Universität Leipzig werden Ende November ihr Buch „Homeoffice“ veröffentlichen. Es fasst die Forschung der vergangenen Jahre zu dieser Thematik zusammen. Im Interview erklärt Zeschke unter anderem, wie das heimische Arbeiten unsere Arbeitswelt verändert hat, was meist gut läuft und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.

Wie lange genau haben Sie zu dem Thema geforscht und welche Methoden haben Sie dabei angewandt?

Für unser Buch haben wir zwei Jahre recherchiert, wissenschaftliche Studien und Überblicksartikel ausgewertet und Praxisbeispiele zusammengetragen, immer aus der Perspektive von Beschäftigten, Führungskräften, Teams und Unternehmen. Wir wollten wissen: Welche Folgen hat Homeoffice für die Beteiligten? Was können sie beachten, damit die Vorteile von Homeoffice maximiert und die Nachteile vermieden werden? Durch die Covid-19-Pandemie hat das Thema natürlich stark an Bedeutung gewonnen, und auch jetzt ist das Thema immer noch hochaktuell. Mittlerweile geht es nicht mehr um die Frage, wie Beschäftigte mehr oder weniger freiwillig fünf Tage die Woche im Homeoffice arbeiten können, sondern darum, ob Homeoffice in Unternehmen ermöglicht wird, unter welchen Bedingungen und wie es aktiv gestaltet werden kann.

Ist Ihr Buch die deutschlandweit bislang umfassendste Forschungsarbeit zum Thema Homeoffice?

Ja – die umfassendste und aktuellste. Außerdem bieten wir mit unserem Buch einen systematischen, evidenzbasierten Ansatz an, damit Homeoffice in Unternehmen gelingt. Dabei schauen wir uns nicht nur die Rolle von einzelnen Beschäftigten an, sondern geben einen Überblick, was das Homeoffice für Mitarbeitende, Führungskräfte und Teams bedeutet und was alle Beteiligten tun können, um Homeoffice erfolgreich umzusetzen.

An wen richtet sich Ihre Veröffentlichung in der Hauptsache?

Mit unserem Buch richten wir uns an Beschäftigte, Führungskräfte, Teams und Unternehmen. Auch politische Entscheidungsträger:innen können von der Lektüre des Buchs profitieren. Homeoffice ist nichts, was eine Person allein erfolgreich umsetzen kann. Hierfür braucht es einen Sinneswandel in Unternehmen und für Beschäftigte die Unterstützung und das Vertrauen der Führungskraft und des Teams. Diese brauchen wiederum die Unterstützung durch das Unternehmen. Mit unserem Buch wollen wir die möglichen Vor- und Nachteile von Homeoffice transparent und klar darstellen, wie man typische Fallstricke vermeidet und was Beschäftigte, Führungskräfte, Teams und Organisationen tun können, um hybride Arbeit erfolgreich umzusetzen.

Was waren für Sie persönlich die überraschendsten Erkenntnisse bei der Recherche und beim Verfassen des Buchs?

Überrascht hat uns, wie schnell sich die Beschäftigten an die Arbeit zu Hause gewöhnt haben. Relativ unvorbereitet sind viele während der Pandemie ins Homeoffice gewechselt, ohne viel Vorlaufzeit und ohne die beste technische Ausstattung. Für Führungskräfte war die Situation natürlich mindestens ebenso belastend. Der Umgewöhnungsprozess ging sehr schnell und ohne große Leistungseinbußen einher. Viele Menschen waren sehr resilient gegenüber einer Pandemie, die mit zusätzlichen Herausforderungen wie sozialer Isolation, Führung aus der Ferne und Homeschooling einherging. In der jüngsten Zeit hat uns überrascht, dass etwa ein Viertel der Unternehmen „nach Ende der Pandemie“ das Homeoffice nicht mehr ermöglichen will. Gleichzeitig haben viele Beschäftigte die Vorteile der Arbeit von zu Hause für sich entdeckt und wollen auch weiterhin zumindest teilweise im Homeoffice tätig sein. Das wird in Zukunft noch zu Frustration und vielleicht auch Fluktuation führen. Mit unserem Buch wollen wir hier eine Hilfestellung für Beschäftigte, Führungskräfte und Unternehmen bieten, sich diesen Fragen und Problem aktiv und lösungsorientiert zu stellen.

Wie hat das Homeoffice unsere Arbeitswelt verändert?

Das Homeoffice geht mit neuen Formen der Kommunikation und des Wissensmanagements einher, die auch für Beschäftigte, die in Präsenz arbeiten, gewinnbringend sein können. Ein erfolgreiches Beispiel ist digitales Onboarding in einigen Unternehmen, in denen neue Beschäftigte mit Hilfe von Aufgabentools alle wichtigen Informationen erhalten – für alle in gleicher Form aufbereitet, unabhängig davon, ob im Büro oder zu Hause gearbeitet wird. Zudem finden viele Austauschprozesse, zum Beispiel Meetings, digital statt und die Wissenssammlung wird zeitgleich digital durchgeführt. So werden heute oftmals nicht mehr Whiteboards und Notizzettel genutzt, bei denen es oft zu Informationsverlusten an andere kommen kann. Stattdessen werden die Ergebnisse unmittelbar digital gesichert, in Protokollen oder Aufgabenboards, die allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.

Ist das Arbeiten im Homeoffice nach mehr als zwei Jahren Pandemie nun eine Selbstverständlichkeit geworden, die auch künftig zu unserem Arbeitsalltag gehören wird?

Man kann schon sagen, dass wir jetzt in einer neuen Normalität leben und dass das Homeoffice gekommen ist, um zu bleiben. Gleichzeitig gibt es große Unterschiede in der Umsetzung in verschiedenen Organisationen. Während manche Homeoffice noch immer zu einhundert Prozent erlauben, ist es in anderen Firmen nur noch teilweise oder gar nicht mehr möglich. Das Ganze wird sich vermutlich in den nächsten Jahren „einruckeln“. Die Mehrheit der Beschäftigten, Führungskräfte und Unternehmen werden die Vorteile der Arbeit im Homeoffice, aber auch der Arbeit im Büro schätzen lernen und ein hybrides Modell umsetzen, in dem Beschäftigte im Büro, aber eben auch ganz selbstverständlich zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten.

Was klappt noch nicht so gut – sowohl aus Arbeitnehmer-, als auch aus Arbeitgebersicht?

Ein großes Problem in vielen Unternehmen ist Misstrauen. Führungskräfte sehen nicht, was ihre Beschäftigten zu Hause tun und ob sie wirklich arbeiten. Im Büro arbeiten auch nicht alle Beschäftigten einhundert Prozent ihrer Arbeitszeit konzentriert an ihren Aufgaben, aber im Homeoffice ist das für viele Führungskräfte ein Problem. Führungskräfte müssen aus diesem Grund anders führen und die Beschäftigten ermutigen, autonom und flexibel zu arbeiten. Als Führungskraft sollte man nicht mehr unbedingt den Weg, sondern das Ziel überprüfen, zum Beispiel in regelmäßigen Gesprächen oder einfach mit Blick auf die ausgearbeiteten Ergebnisse.
Ein anderes Problem ist, dass die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen können. Während man früher eine räumliche und damit auch geistige Trennung zwischen Arbeit und Freizeit hatte, zum Beispiel durch die Arbeit im Büro, den Weg zur Arbeit, Arbeitskleidung oder das „Einstempeln“, fällt es vielen Beschäftigten schwer, klare Grenzen zu ziehen. Während die einen das gut finden, gibt es auf der anderen Seite viele, die sich schwertun, nach Feierabend abzuschalten. Sie denken dann weiterhin an die Arbeit oder greifen nochmal zum Laptop und beantworten E-Mails oder arbeiten weiter. Hier braucht es Routinen, die Beschäftigten im Homeoffice signalisieren: Jetzt fange ich an zu arbeiten, jetzt habe ich Pause oder jetzt höre ich auf und mache Feierabend. Dazu können das Holen oder Wegbringen des Laptops zählen oder ein Spaziergang vor oder nach der Arbeit. Führungskräfte können hierbei ein großer Einflussfaktor sein, ob Beschäftigte nach der Arbeit wirklich abschalten können.

Welcher Arbeitszeit-Anteil ist optimal, auch um nicht die persönlichen Kontakte zu Kolleg:innen zu verlieren?

Die Forschung, die zum Großteil bereits vor der Covid-19-Pandemie durchgeführt wurde, zeichnet ein eindeutiges Bild: Etwa zwei Tage Homeoffice pro Woche sind ideal, um Leistung und Wohlbefinden der Beschäftigten, aber auch das Verhältnis zu Führungskraft und Team zu verbessern. Bei mehr Homeoffice wird es schwieriger, ein Teamgefühl aufrecht zu erhalten. Das heißt nicht, dass es unmöglich ist, aber hier müssen Führungskraft und Team besonders gut kommunizieren und mittels digitaler Tools zusammenarbeiten.

Nutzen viele Arbeitgeber das Homeoffice als Chance, Kapazitäten wie beispielsweie Büroräume einzusparen?

Ja, das ist oft der große Vorteil, den Firmen sehen und das ist vielleicht das spannendste Thema derzeit. Wenn Organisationen wissen, dass nicht mehr permanent alle Beschäftigten einen Arbeitsplatz benötigen, bietet das natürlich das Potenzial, Arbeitsplätze und langfristig auch Büroräume einzusparen. Dabei bieten sich sogenannte Shared-Desk-Konzepte an, bei denen Beschäftigte keinen festen Arbeitsplatz mehr haben, sondern sich an Tagen, in denen sie im Büro arbeiten, einen freien Tisch wählen, um an diesem zu arbeiten. Dafür braucht es eine sehr gute digitale Infrastruktur im Unternehmen. Beschäftigte müssen von jedem Arbeitsplatz aus auf ihre Unterlagen zugreifen können. Auch bietet es sich an, keine stationären PCs mehr zu nutzen, sondern Beschäftigte mit Dienstlaptops auszustatten, die am Arbeitsplatz mit der Dockingstation verbunden werden. Das Modell birgt die Gefahr, dass sich die Angestellten im Büro nicht mehr so wohlfühlen wie früher, da es „ihren“ Arbeitsplatz nicht mehr gibt, mit dem sie sich identifizieren können und den sie persönlich gestalten, zum Beispiel mit Fotos. Dann wird die Arbeit im Homeoffice natürlich wieder attraktiver, immerhin ist man dort zu Hause. Unternehmen müssen hier darauf achten, kurzfristige Mietkostenersparnisse nicht durch langfristige Kosten durch Fluktuation zu verlieren.

Wie sieht das Homeoffice beziehungsweise das Büro der Zukunft für Sie aus?

In Zukunft werden hybride Formen der Arbeit, teils im Büro, teils im Homeoffice, die mit höherer Autonomie und mehr Vertrauen einhergehen, in vielen Unternehmen der Standard sein. Auch werden neue Formen der Zusammenarbeit ausprobiert werden, zum Beispiel gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zu arbeiten oder in Satellitenbüros tätig zu sein. So müssen Beschäftigte nicht mehr zwingend umziehen und können in ihrem Wohnort arbeiten. Viele, vor allem jüngere Beschäftigte, geben an, dass sie aufs Land ziehen würden, wenn Homeoffice dauerhaft möglich ist. Auch auf das Pendeln könnten viele dann öfter verzichten. Während die größere Flexibilisierung der Arbeit für viele eine gute Möglichkeit darstellt, Arbeit und Privatleben besser zu vereinbaren, besteht gleichzeitig die Gefahr, dass Beschäftigte nicht mehr wirklich abschalten oder ihre Ruhezeiten nicht einhalten. Hier wird auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur verpflichtenden Zeiterfassung spannende Entwicklungen anstoßen.

 

  • Terminhinweis:
    Martin Zeschke und Prof. Dr. Hannes Zacher präsentieren am 24.11.2022 um 19:15 Uhr im Felix-Klein-Hörsaal (Campus Augustsplatz) im Anschluss an die Veranstaltung "Digitalisierung und mobile Arbeit: Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation“. Die interessierte Öffentlichkeit und Medienvertreter:innen sind herzlich dazu eingeladen. Zeschke und Zacher stehen Medienvertreter:innen für Interviews zur Verfügung. Um Anmeldung wird gebeten, mehr Informationen sind online zu finden.

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