Was haben Sie studiert, und über welche Stationen führte Ihr Weg an die Universität Leipzig?
Ich habe Soziologie in München studiert, noch ganz klassisch auf Diplom und auch nicht in der vorgegebenen Regelstudienzeit. Überraschend wurde mir zum Abschluss 2006 eine Doktorandenstelle angeboten. Eigentlich wollte ich erst mal nach Indien. Als Postdoc durfte ich eine Professur für Wirtschaftssoziologie in Nürnberg vertreten. 2016, da waren meine beiden Töchter noch ganz klein, sind wir mit Sack und Pack nach Schweden, ans Institute for Analytical Sociology, eine gute Stunde südlich von Stockholm. Das international ausgerichtete Forschungsinstitut war eine Riesenchance für mich. Der Ruf nach Leipzig kam schließlich während Corona, wie viele andere zu dieser Zeit hatte ich vom Homeoffice aus „vorgesungen“. Wenn ich zurückblicke, bin ich sehr dankbar, wie sich alles zusammenfügte.
Wo liegen Ihre Forschungsinteressen und was fasziniert Sie daran?
Mich beschäftigt, wie sich Menschen gegenseitig beeinflussen und wie sie damit – häufig unbeabsichtigt und schwer zu prognostizieren – soziale Phänomene im Kollektiv hervorbringen. Dazu zählen die Entstehung von Hits und Bestsellern in Kulturmärkten, der oftmals rasche Wandel von Verhaltensnormen im sozialen Miteinander oder das Zustandekommen von geteilten Interpretationen gesellschaftlicher Ereignisse. Während ich anfangs sehr theoretisch an diese Themen heranging, gelingt es mir immer mehr, Fragen von erheblicher Alltagsrelevanz zu bearbeiten. Beispielsweise zur Verbreitung von Falschinformationen auf Online-Plattformen, zu den Narrativen, die den öffentlichen Diskurs während der sogenannten Flüchtlingskrise prägten, oder zu Themen wie Landflucht und räumliche Ungleichheit. Das fasziniert mich.
Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?
Ich habe das Glück, in Leipzig die Einführungsvorlesung in die Soziologie halten zu dürfen. Das gibt mir ganz schön viel Definitionsmacht darüber, was unsere Studierenden unter Soziologie verstehen. Mir ist es wichtig, ein zeitgemäßes Bild zu vermitteln und für das Fach zu begeistern. Statt Theoriegeschichtlichem stehen im ersten Semester Einblicke in aktuelle Forschungsfelder im Vordergrund: Wir arbeiten mit modernen empirischen Methoden, um Erkenntnisse bereitzustellen, die soziale Phänomene erklären und hoffentlich auch zur Lösung von einigen sozialen Problemen beitragen können. Den ersten Durchlauf im vergangenen Wintersemester haben die Studierenden toll unterstützt. Diesen Weg möchte ich weitergehen. Im Master möchte ich vor allem meine Forschungsperspektive einbringen und Akzente im Bereich Computational Social Science setzen. Hier geht es darum, mit digitalen Daten, Online-Experimenten und Computer-Simulationen neue Antworten auf zentrale Fragen der Soziologie zu finden.
Bitte beenden Sie folgenden Satz: „Die Universität Leipzig ist für mich …“
…ein Ort beeindruckender Tradition, den wir gemeinsam in die Mitte des 21. Jahrhunderts führen.
Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?
Persönlich treibt mich die Klimakrise um. Hier gibt es extrem starke sozialwissenschaftliche Bezüge. Ich hoffe, dass wir hier entscheidend weiterkommen.
Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?
Nach meiner Promotion galt bei mir lange „Zwischen 30 und 40 muss man brennen“, ich will da gar nicht lügen. Heute würde ich weniger aufgeregt „Sich regen bringt Segen“ sagen. Und in schwierigen Wochen denke ich daran, dass auch der späte Vogel schon großartige Würmer gefunden hat.
Verraten Sie uns bitte noch, wann und wo Sie geboren sind?
Ich kam 1980 in München als Kind österreichischer Einwanderer zur Welt.
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