Frau Dr. Schoeder, können Sie vom Institut für Wirkstoffentwicklung in 100 Tagen ein computergestütztes Vakzin bereitstellen?
Das ist eine spannende Frage. Es wird uns vielleicht nicht beim ersten Mal sofort gelingen. Im Zuge der Projektlaufzeit haben wir aber immer wieder die Chance, unsere Arbeitsweise anzupassen und Methoden zu optimieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für einige der vorgegebenen Viren durchaus gelingt. Dazu sei gesagt, dass dieses Verfahren ein iterativer Prozess von Design und experimenteller Validierung ist. Das heißt, wir erstellen, testen und überarbeiten einen Ablauf so lange, bis wir mit dem finalen Ergebnis zufrieden sind.
Manchmal ist die Lösung, um ein virales Glykoprotein zu stabilisieren oder eine konservierte Antikörperbindestelle freizulegen, offensichtlich und erfordert nur wenig Anpassung – dann geht es schnell. Manchmal ist das Problem aber sehr komplex oder uns fehlen essentielle Informationen, weil die Immunantwort gegen das Virus nicht eingehend charakterisiert ist. Dann ist es oft schwierig, weil man viele Versuche unternehmen muss. Nach den Experimenten können wir sagen, ob unser Design erfolgreich war oder ob wir zurück an den Computer gehen werden, unsere Hypothesen neu überprüfen und einen neuen Versuch wagen. Eine Vorhersage ist schwer zu treffen, denn jedes virale Glykoprotein verhält sich anders.
Für welche Viren werden Sie versuchen, Vakzine zu entwickeln und wieso ist es gerade für diese zehn so wichtig?
Es handelt sich hierbei vor allem um solche Erreger, die großes pandemisches Potenzial haben, aber bisher nur zu sehr kleinen Patientenzahlen geführt haben. Daher werden diese Viren bei der klassischen Vakzinentwicklung oft vernachlässigt. Wie wir an COVID-19 mit dem SARS-Cov-2-Virus erfahren haben, kann es passieren, dass gerade ein solches Virus eine Pandemie hervorruft. Ein Expertenteam sucht zehn Viren aus, die gefährlich werden können und für die wir noch keine optimalen therapeutischen Optionen haben. Dazu gehören unter anderem das Lassavirus, welches klinisch leichte bis schwere Fieberschübe auslösen kann, und das Nipahvirus, welches nur sehr selten auf den Menschen überspringt, dann aber Todesraten bis zu 50 Prozent hervorrufen kann. Am Ende steht die Aufgabe, für jede Art von Virus vorbereitet zu sein und im Ernstfall schnell reagieren zu können.
Viele dieser Viruserkankungen treten heutzutage vor allem in tropischen und subtropischen Gebieten auf. Aber wir beobachten mit dem Klimawandel immer mehr neue Viruserkrankungen, die nach Deutschland und auch nach Sachsen kommen. Ein Beispiel hierfür ist das West-Nil-Virus, das klinisch oft unauffällig ist. Manchmal kann es grippale Infekte verursachen und in seltenen Fällen auch schwere Erkrankungen, wie Gehirnhautentzündungen.
Was soll genau in dem aktuellen Forschungsprojekt passieren?
Unsere Aufgabe ist es, durch computergestütztes Proteindesign die viralen Glykoproteine, also die Antigene für die Antikörpererkennung, optimal in einem Impfstoff zu präsentieren. Oft gibt es Probleme bei der Überführung dieser viralen Bestandteile in eine Impfung bei der Stabilität des Proteins und dadurch eine verminderte Wirkung. Mit dem Design im Computer können wir viele tausende Kombinationen von stabilisierenden Mutationen durchspielen. Basierend auf unseren Analysen suchen wir einige davon aus, um sie auch experimentell im Labor zu überprüfen. Nicht immer sind unsere Vorhersagen korrekt und es ist völlig normal, dass wir an einem Protein immer wieder Optimierungen vornehmen.
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