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So richtig rund war das Jubiläum eigentlich nicht, aber trotzdem haben mindestens drei Universitäten weltweit den 135. Geburtstag des Philosophen Karl Marx am 5. Mai 1953 zum Anlass genommen, sich nach dem in Trier geborenen Begründer des Marxismus zu benennen: Die Alma Mater Lipsiensis, die heutige Corvinus Universität in Budapest und die Wirtschaftshochschule im bulgarischen Sofia. Aus der Universität Leipzig und der Budapester Universität wurden am 5. Mai 1953 die Karl-Marx-Universität beziehungsweise schon am 14. März 1953 die Károly Marx University of Economics, die Hochschule in Sofia ehrte den Philosophen am 20. März 1953 damit, dass sie seinen Namen von da an offiziell führte.

Und es dauerte in allen drei Fällen rund 13 500 Tage, bis sie sich von den ideologisch belasteten Namen trennten. Am 23. Februar 1990 wurde die Károly Marx University of Economics in Corvinus Universität umbenannt, in Sofia war der Tag der Umbenennung der 27. April 1990 – im Fall der Leipziger Karl-Marx-Universität ist es gar nicht so leicht, ein konkretes Datum zu nennen: Im Februar 1991 gab es eine Sitzung des Konzils, in der der erste demokratisch gewählte Rektor seit 1933 in sein Amt gewählt wurde, zugleich wurde die Rückbenennung in Universität Leipzig beschlossen. Doch wie es in Deutschland häufig so ist: Erst müssen übergeordnete Instanzen zustimmen, erst dann sind solche Beschlüsse rechtskräftig. Das Wissenschaftsministerium in Dresden gab sein Plazet am 9. Juli 1991 und die Umbenennung der Leipziger Alma Mater wurde rückwirkend zum 11. März 1991 wirksam.

So waren die Hochschulen unterschiedlich schnell mit der Umbenennung: Knapp vorne lag nach vorliegenden Informationen die Corvinus Universität Budapest, die Marx nach 13 495 Tagen aus ihrem Namen tilgte, es folgte die Universität in Sofia, die Marx 13 552 Tage als Namensgeber führte, während es bei der Universität Leipzig 13 824 Tage dauerte, bis sie wieder ihren alten Namen trug. Übrigens: In Marx' Heimatstadt Trier wurde während der Studentenbewegung Ende der 1960er-Jahre ebenfalls über eine Umbenennung der dortigen Hochschule diskutiert, eine solche aber nie vorgenommen. In Frankfurt am Main taufte der Sozialistische Deutsche Studentenbund zu dieser Zeit die Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität symbolisch auf den Namen des Denkers.

In Leipzig gab Marx der Universität in dieser Zeit nicht nur einen Namen, sondern jahrelang auch tatsächlich ein Gesicht. Das in Leipzig ansässige Künstlerkollektiv Frank Ruddigkeit, Rolf Kuhrt und Klaus Schwabe schuf ein Bronzerelief mit dem Titel „Das revolutionäre, weltverändernde Wesen der Lehre von Karl Marx“. Am 5. Oktober 1974 wurde es über dem Eingang des Hauptgebäudes enthüllt und dann kurzweg „Marx-Relief“ genannt. Damit erfüllte sich eine Vorhersage, denn der damalige Rektor Georg Mayer hatte am 5. Mai 1953 prophezeit: „Von heute an wird nun eine der ältesten und ruhmreichsten deutschen Universitäten seinen Namen tragen und ich bin optimistisch genug zu hoffen, dass in Bälde Marxens gewaltiges Denkerhaupt vom Giebelfeld der neu erbauten Leipziger Universität sinnend und lächelnd zugleich auf das Gewühl des nach ihm benannten Platzes blicken wird.“

Der genannte Platz hieß schnell nach der Friedlichen Revolution wieder „Augustusplatz“ und im Zuge der Um- und Neubauarbeiten für den neuen Leipziger Universitätscampus wurde das Relief 2006 abmontiert. 2008 wurde es zusammen mit einem erläuternden Begleittext auf dem Campus Jahnallee aufgestellt. Wer es sich dort noch tatsächlich anschaut, ist ungewiss. Da ist die Stadt Chemnitz anders vorgegangen: Am 10. Mai 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannt, nahm die Kommune am 1. Juni 1990 ihren alten Namen wieder an. Das am 9. Oktober 1971 eingeweihte, etwa 40 Tonnen schwere Karl-Marx-Monument aus Bronze – im Volksmund auch „Nischel“ genannt – blieb im Zentrum der Stadt erhalten und ist ein bei Touristen beliebtes Fotomotiv.

 

Jörg Arberger

Kommentare

  • Kommentar von Sebastian Schulz, 4.5.2022, 11:33 Uhr
    Das Bild mit Blick auf den Augustusplatz ist übrigens von 1973 und nicht von 1991, sonst wäre das 1974 installierte Marx-Relief zu sehen.

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