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„Hassrede kommt in erster Linie durch den ausgedrückten Inhalt zum Tragen“, sagt Sprachwissenschaftlerin Juniorprofessorin Dr. Julia Fuchs. Sie forscht zu Hassrede aus linguistischer Sicht. In der Wissenschaftskommunikation könne Hate Speech Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleichermaßen treffen, sagt sie und sprach dazu auch auf der diesjährigen t.e.a.m. UP-Vernetzungsveranstaltung im Rahmen des UNIBUND Halle - Jena - Leipzig. Das t.e.a.m.-Programm der Universität Leipzig unterstützt Frauen in allen Phasen ihrer akademischen Laufbahn.

Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist Hassrede aus linguistischer Sicht. Was genau untersuchen Sie dabei?

Bei der Untersuchung von Hassrede aus sprachwissenschaftlicher Sicht geht es darum, die sprachlichen Erscheinungsformen von Hassrede zu erfassen, zu beschreiben und zu analysieren. Verschiedene Bereiche der Sprachwissenschaft untersuchen dabei unterschiedliche Ebenen der Sprache. Zum Beispiel befasst sich die Morphologie mit dem Aufbau von Wörtern, die Syntax mit dem Aufbau von Sätzen, und die Pragmatik mit der Bedeutung von Sprache im jeweiligen Kontext. Hassrede kann auf all diesen Ebenen vorkommen. Neben der linguistischen Sicht auf Hassrede interessiere ich mich auch für Hassrede an der Schnittstelle von Sprachwissenschaft und Recht. Schließlich treibt mich die Frage um, wie sich Hassrede im Internet verbreitet und welche sprachlichen Merkmale besonders zu einer schnellen Verbreitung beitragen. 

Unser t.e.a.m.-Programm unterstützt Frauen in jeder Qualifikationsphase. Es bietet Studentinnen, Promovendinnen, Postdoktorandinnen, Habilitandinnen und Juniorprofessorinnen in verschiedenen Programmlinien ein abgestimmtes Mentoring, Workshops und Vernetzungsmöglichkeiten.

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Wie definieren Sie Hassrede aus linguistischer Perspektive und welche sprachlichen Merkmale sind besonders prägend für diese Form der Kommunikation?

Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Hassrede, die sowohl über verschiedene Disziplinen als auch international akzeptiert ist. Vielmehr ist es so, dass unter dem Label „Hassrede“ teils verschiedenartige Phänomene zusammengefasst werden. Das ist eine unbefriedigende Situation. Mein Verständnis von Hassrede orientiert sich an formalen Definitionsmodellen. Dabei basiert Hassrede auf den ausgedrückten Inhalten und deren Form und nicht etwa per se auf negativen Intentionen der Person, die sie äußert, und den Folgen für die, die sie hört oder liest. Hassrede kommt also in erster Linie durch den ausgedrückten Inhalt zum Tragen. Hier orientiere ich mich an den relevanten Straftatbeständen bei Hassrede, zum Beispiel die Volksverhetzung oder die Aufforderung zu und Billigung von Straftaten. In der Regel richtet sich Hassrede gegen Gruppen oder deren Mitglieder, obwohl auch Einzelpersonen das Ziel sein können. Meine Definition unterscheidet zwischen dem wörtlich Gesagten und dem, was implizit gemeint ist. Diese Unterscheidung ist in der Sprachwissenschaft üblich, besonders in der Pragmatik, die sich mit der Bedeutung von Äußerungen im Kontext beschäftigt. Hate Speech kann auf zwei Ebenen vorkommen: Auf der wörtlichen Ebene, ohne explizite Hasswörter, wie beispielsweise „Wir sollten das Mittelmeer loben, es hat am meisten Flüchtlinge aufgenommen“ oder mit klaren Hasswörtern wie „Du total verblödetes Miststück“*. Auf der impliziten Ebene erschließen Sprachkundige die Bedeutung, zum Beispiel bei ironischen Aussagen wie „Die ach so friedlichen Muslime“ in einem islamfeindlichen Kontext. Zwar wird Hassrede typischerweise durch klare, wörtliche Beleidigungen ausgedrückt, aber sie hat viele Gesichter und muss nicht immer krasse Beleidigungswörter enthalten. [Anmerkung: Die zitierten, authentischen Hassrede-Beispiele stammen aus einer Belegsammlung der Hanns-Seidel-Stiftung.] 

Gibt es sprachliche Strategien, die in der Wissenschaftskommunikation eingesetzt werden, um Hassrede zu verhindern oder darauf zu reagieren, und wie effektiv sind diese Ansätze aus Ihrer Sicht?

Es gibt zum Beispiel das Konzept der Gegenrede, die darin besteht, Hassrede im Netz aktiv argumentativ zu begegnen – unter anderem mit dem Ziel, dem stillen Einverständnis entgegenzuwirken. Als Einzelperson dürfte es schwer bis unmöglich sein, die Effektivität derartiger Gegenstrategien verlässlich einzuschätzen. 

Welche Herausforderungen sehen Sie in der Analyse und Bekämpfung von Hassrede im Netz, insbesondere in der Wissenschaftskommunikation?

Bei der Untersuchung von Hassrede im Netz stehen Forschende vor einigen Herausforderungen. Dazu gehört etwa der Zugang zu echten Daten und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen, vor allem bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Besonders schwierig ist es, die Grenze zwischen strafbarer Hassrede und der Meinungsfreiheit zu ziehen – ein Thema, das im sogenannten „Künast-Fall“ stark diskutiert wurde. Die Politikerin ging wegen Hasskommentaren gegen sie bis zum Bundesverfassungsgericht, das ein vorausgehendes Urteil eines anderen Gerichts aufhob und eine neuerliche Prüfung anordnete. Ein weiteres Problem betrifft die Wissenschaftskommunikation: Forschende könnten davor zurückschrecken, ihre Erkenntnisse außerhalb von Fachzeitschriften zu teilen, aus Angst, selbst Ziel von Hassrede zu werden. Ein Beispiel dafür ist der Virologe Christian Drosten, der einer breiteren Öffentlichkeit durch seinen ‚Corona-Podcast‘ bekannt ist. 2022 wurde er auf einem Zeltplatz so heftig beleidigt, dass es deshalb einen Gerichtsprozess gab. Dieses Beispiel zeigt, dass Hassrede nicht immer schriftlich sein muss, auch wenn sie im Netz am häufigsten vorkommt.

Die t.e.a.m. UP-Vernetzungsveranstaltung am 26. September 2024 im Rahmen des UNIBUND Halle - Jena - Leipzig bot neuen und scheidenden Mentees und Mentorinne die Möglichkeit, an spannenden Austauschformaten teilzunehmen, wertvolle Kontakte zu knüpfen und tiefere Einblicke in das t.e.a.m.-Programm sowie die Kooperation des UNIBUND Mentoring-Programms zwischen Halle-Jena-Leipzig zu gewinnen. 

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