Nachricht vom

Jeder Mensch ist anders. "Und demnach im Grunde auch jeder Patient, der eine möglichst maßgeschneiderte Therapie braucht", sagt Peter Hildebrand. Er ist Professor am Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Universität Leipzig und seit über drei Jahren Teil des "SFB1423". "Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und -Signaltransduktion", so lautet die detaillierte Bezeichnung des Sonderforschungsbereichs. Professor Peter Hildebrand erforscht an der Medizinischen Fakultät genau diese Dynamiken. Er ist Teil eines größeren Ganzen, in dem Biochemiker, Bioinformatiker, Pharmakologen und Mediziner an G-Protein-gekoppelten Rezeptoren forschen. Mit Humboldtprofessor Jens Meiler schaut er gemeinsam gern über den jeweiligen Tellerrand.

Der SFB 1423 wurde 2020 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Antrag der Universität Leipzig bewilligt und verknüpft 19 Einzelprojekte. Und das nicht nur intern an unserer Universität, sondern auch mit anderen renommierten Institutionen, etwa der Berliner Charité, dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, der Universität Düsseldorf und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Die beteiligten Wissenschaftler:innen betreiben Grundlagenforschung, betont Professor Hildebrand, aber nicht nur.

Die Mediziner sind mit im Boot, weil diese Rezeptoren auch höchst krankheitsrelevant sind. "Man kennt etwa viele Mutationen, die Adipositas auslösen. Da arbeitet man dann tatsächlich mit Patientenkohorten und untersucht, was passiert da eigentlich bei so einer Mutation. Und wir untersuchen, was diese Mutationen auf dem atomaren Level auslösen." Obwohl GPCRs bereits seit Jahrzehnten erforscht werden, so Hildebrand, seien viele grundlegende Aspekte immer noch nicht verstanden. Vor allem, da diese Rezeptoren flexibel sind, also ihre Struktur je nach Funktion verändern.

Wie binden Medikamente an Rezeptoren?

Das soll sich ändern, auch dank des SFB1423, der von der Biochemie-Professorin Annette Beck-Sickinger geleitet wird. Denn in Zusammenarbeit verschiedener Expert:innen sollen dynamische Strukturmerkmale aufgeklärt und deren Konsequenzen für die Rezeptor-Funktionen erarbeitet werden. Bei Medikamenten, Schmerzmitteln etwa, sei es wichtig zu wissen, an welche Rezeptoren diese binden und wie sie ihre Wirkung entfalten. Die Funktionsweise von Rezeptoren lässt sich letztendlich aber nur über ihre dynamischen Eigenschaften erklären.

"Diese Dynamik spielt eine wesentliche Rolle bei der Antwort auf die Frage, wie stark ein Medikament letztendlich an der Zellaußenseite bestimmter Rezeptoren bindet und diese aktiviert. Und auch, warum der Rezeptor daraufhin an der Zellinnenseite an das eine G-Protein andockt, an das andere aber nicht." Davon hänge am Ende ab, wie die Zelle auf einen bestimmten Wirkstoff, etwa ein Medikament, antwortet. Manche Antworten sind erwünscht, andere pharmakologisch oder physiologisch eben nicht. "Dem sind wir jetzt auf der Spur, da machen wir Fortschritte", freut sich Professor Hildebrand.  

Optimistisch schaut auch Prof. Dr. Jens Meiler auf erste Erkenntnisse im SFB. Seine Forschung am Institut für Wirkstoffentwicklung verbindet computergestützte Verfahren mit experimentellen Methoden, um Proteine und deren Wechselwirkungen mit Wirkstoffen und anderen Biomolekülen besser zu verstehen. Die beiden Professoren nähern sich dem Ziel von unterschiedlichen Richtungen, entdecken dabei aber immer mehr Schnittstellen. "Peter und ich ergänzen uns hervorragend. Während Peter die Bewegung der Rezeptoren im Detail verstehen kann, entwickelt mein Labor Computeralgorithmen, um letztendlich neu Wirkstoffe zu entdecken. Vor allem auf dem neuen Feld der künstlichen Intelligenz, zum Studium von GPCRs, werden wir in Zukunft eng kollaborieren", sagt Professor Meiler.

Das beste aus beiden Welten verbinden

"Jens interessiert sich besonders für diese Seite, auf der die Medikamente binden und die für das Design neuer Medikamente wichtig ist. Und ich interessiere mich sehr dafür, wie eigentlich das Signal von dort in die Zelle gelangt und wie das dazu führt, dass ganz bestimmte Signalwege angesteuert werden." Ihre jeweils genutzten Methoden, so Professor Hildebrand, seien lange Zeit voneinander getrennt gewesen.

Seine biophysikalische Methodik basiere darauf, mit sehr aufwendigen Methoden die Dynamik der Prozesse auf atomarer Ebene zu berechnen. Die Technik, die Professor Meiler verwendet, ist dagegen eine Methodik aus der Bioinformatik, die es etwa erlaubt, in sehr kurzer Zeit Millionen möglicher Wirkstoffe auf ihre pharmakologischen Eigenschaften zu testen. "Die Dynamik spielte dabei bisher eine eher untergeordnete Rolle. Und nun schauen wir beide über unseren jeweiligen Tellerrand und entwickeln gemeinsam neue digitale Werkzeuge, um das Beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden."

Mit ersten Erfolgen nach knapp drei Jahren: "Es ist noch nicht so, dass wir morgen schon dort angekommen wären, dass alles im Detail verstanden ist und ein neues Medikament auf dem Tisch liegt. Das braucht noch viele gemeinsame Anstrengungen. Aber durch die fachübergreifende Forschungsarbeit im SFB gelingt es uns immer besser, die Rolle der Dynamik für die Wirkungsweise von Rezeptoren nachzuvollziehen." Und darauf, so der Professor, lasse sich definitiv aufbauen.    

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Ihr Kommentar

Hinterlassen Sie gern einen Kommentar. Bitte beachten Sie dafür unsere Netiquette.