Charlott Resske, Marvin Neubauer, herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung. Mit dem Preis wurden Sie für die Tagung „Im Namen des Volkes“ geehrt, die Sie 2018 gemeinsam mit zwei weiteren Kommilitonen – Max Stange und Frederik Doktor – organisiert haben. Sie befanden sich damals beide noch mitten im Jura-Studium. Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, eine studentische Tagung zu veranstalten?
Charlott Resske: Wir haben als Studierende gerne die Chance genutzt, an Tagungsformaten teilzunehmen. Und dann dachten wir uns, dass es auch eine wertvolle Erfahrung wäre, eine eigene Tagung zu gestalten und selber das Programm zu bestimmen. Aus einer studentischen Perspektive gibt es sicherlich auch nochmal andere Schwerpunkte, die bei der Organisation und Durchführung gesetzt werden und einen Mehrwert für die Diskussion bringen. Und schließlich hatten wir auch einfach Lust, eine Tagung genau zu diesem damals – aber auch noch heute – sehr aktuellen Thema zu besuchen.
Wie kamen Sie auf das Thema?
Marvin Neubauer: Zu der Zeit als wir mit der Organisation der Tagung anfingen, war Donald Trump gerade zum Präsidenten der USA gewählt worden und die AfD ist erstmals in den Deutschen Bundestag eingezogen. Sie behaupteten, sie hätten das Volk auf ihrer Seite und wären die ‚wahren‘ Volksvertreter:innen. Das war eine Kampfansage an die Personen und Institutionen, die qua Verfassung im Namen des Volkes sprechen: an Regierung, Gerichte, Parlament und Präsident:in. Dieses Phänomen fanden wir sehr spannend und wichtig zu hinterfragen. Was bedeutet es eigentlich, „im Namen des Volkes zu sprechen“ und unter welchen Bedingungen kann man sagen, „Ja, diese Person spricht wirklich im Namen des Volkes, die behauptet das nicht nur“? Dann kann man nämlich weitergehen und fragen, wie auch unser Recht und unsere Institutionen in dieser Hinsicht noch verbessert werden können.
Wie sind Sie die Organisation angegangen? Hatten Sie eine feste Aufgabenverteilung?
Neubauer: Weil wir alle etwas anderes studiert haben, sind wir uns im Alltag nicht so oft über den Weg gelaufen. Deshalb haben wir uns in regelmäßigen Abständen zu „Meilensteintreffen“ verabredet. Dort haben wir – gemütlich beim Kaffee oder beim Abendessen – erst die Themenwahl besprochen, später dann über Referent:innen nachgedacht oder die Finanzierung organisiert und schließlich den Tagungsband geplant.
Charlott Resske: Prinzipiell haben wir immer alle alles gemacht, aber natürlich konkrete Aufgaben im Team aufgeteilt. Dabei haben wir uns auch danach gerichtet, wer gerade zeitliche Kapazitäten hat. In Prüfungsphasen konnte sich dann auch mal aus der Organisation herausgezogen werden. Marvin hat als initiativer Ideengeber immer alle Stränge zusammengehalten – das war sehr wichtig, da so ein studentisches Projekt wegen der fehlenden Infrastruktur sicherlich etwas mehr Zeit braucht und somit Gefahr besteht, dass sich doch alles im Sande verläuft.
Wie haben Sie die Finanzierung der Tagung geregelt?
Neubauer: Wir haben uns finanzielle Unterstützung gesucht und zum Glück gefunden. Wir konnten die Tagung maßgeblich mit Fördermitteln der Alexander von Humboldt-Stiftung realisieren, die uns Prof. Dr. James Conant zur Verfügung stellte. Das war ein großer Vertrauensvorschuss, der uns auch weiter bestärkt hat.
Wie haben Sie die Dozent:innen gewonnen?
Neubauer: Man muss sich am Anfang entscheiden, ob man einen Call for Papers veröffentlicht, also eine allgemeine Themenbeschreibung, auf die sich Referent:innen mit Vortragsvorschlägen bewerben können, oder ob man sich selbst grob die Themen und die Tagungsdramaturgie überlegt und dann eigenständig Personen anschreibt. Ersteres ist auf jeden Fall viel weniger Aufwand, aber die Tagungsvorträge sind dann normalerweise auch ein bisschen zusammengewürfelt. Wir haben uns deshalb für den zweiten Weg entschieden und uns aktiv mit einem konkreten Themenvorschlag an Leute gewandt, die wir gern dabei haben wollten.
Resske: Teils haben wir Personen – die wir zum Beispiel aus Vorlesungen oder Seminaren kannten – persönlich angesprochen. Größtenteils haben wir uns aber einfach per E-Mail an die jeweiligen Wissenschaftler:innen gewandt und unser Projekt vorgestellt. Wir haben dabei wirklich nur positive Rückmeldungen für unser Projekt bekommen und auch viele Zusagen. Alle waren sehr aufgeschlossen – auch bei studentischen Projekten sollte man also keine Scheu haben, Referent:innen zu gewinnen. Die allermeisten freuen sich, wenn sie von Studierenden angefragt werden. Es hilft aber auch, wenn man schon zwei, drei bekanntere Referent:innen von der eigenen Universität gewonnen hat und das bei weiteren Anfragen erwähnen kann.
Welche Unterstützung hatten Sie seitens der Universität?
Neubauer: Uns haben verschiedene Professor:innen und Mitarbeiter:innen der Universität, vor allem aus der Rechtswissenschaft und der Philosophie, beraten und sehr tatkräftig unterstützt. Wir sind einfach zu den Personen hin, die wir gut fanden oder die wir schon etwas kannten, und haben gefragt, ob sie uns in dieser oder jener Hinsicht unterstützen wollen. Fast niemand hat gesagt „Ne, damit will ich nichts zu tun haben.“ Das war toll. Alleine hätten wir das nicht geschafft.
Resske: Außerdem hat uns das Sekretariat des Leipziger Instituts für Philosophie ganz praktisch bei der – oft sehr bürokratischen – Vor- und Nachbereitung der Tagung unterstützt. Als wunderschönen Tagungsort durften wir die Villa Tillmanns nutzen, welche uns die Research Academy Leipzig zur Verfügung gestellt hat.
Wie haben Sie die Tagung beworben?
Resske: Wir hatten – wie für alle Aufgaben – einen eigenen Dropbox-Ordner, in welchem wir verschiedene Werbungskanäle gesammelt und gemeinsam abgearbeitet haben. Dafür haben wir Plakate und Flyer gedruckt, die wir aufgehangen und verteilt haben. An allen Orten, wo sich potenzielle Tagungsbesucher:innen aufhalten. Dazu haben wir viele Mails verschickt und natürlich auch die sozialen Medien genutzt.
Was ist denn besonders gut gelaufen und was eher nicht so?
Neubauer: Insgesamt sind wir mit der Tagung sehr zufrieden. Die Vorträge waren klasse und wir hatten viele Besucher:innen – bei manchen Themenblöcken war kein Platz mehr frei. Das war natürlich toll und hat uns sehr gefreut. Der Weg dahin war allerdings manchmal sehr zäh – das hätte besser laufen können. Als Studierende lief die Tagungsorganisation immer „nebenbei“ und hätte an einigen Stellen sicher effizienter sein können. Aber so ist das eben, wenn nebenbei noch Prüfungen und Hausarbeiten geschrieben werden müssen.
Die Ergebnisse der Tagung sind sogar veröffentlicht worden. Wie ist es dazu gekommen?
Resske: Ein Verlag kam auf uns zu und hat angefragt, ob wir die Tagungsergebnisse veröffentlichen wollen. So kamen wir erst auf die Idee der Veröffentlichung. Dank dieses Anstoßes haben wir dann ein Konzept für den Tagungsband ausgearbeitet, damit finanzielle Unterstützung gesucht und schließlich sogar unseren Wunsch-Verlag überzeugen können.
Welche Voraussetzungen müssen Studierende mitbringen, die selbst eine Tagung organisieren wollen? Haben Sie vielleicht Tipps, die Sie weitergeben möchten?
Resske: Ausdauer und Mut. Ausdauer, weil – wie schon angedeutet – die studentische Organisation etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt und es sich aber trotzdem lohnt, am Ball zu bleiben. Und Mut, trotz fehlender akademischer Titel auf Professor:innen und Institute zuzugehen und um Unterstützung bitten. Wir wurden immer mit offenen Armen empfangen und hätten am Anfang selbst nicht geglaubt, die Tagung so professionell ausrichten zu können und sogar mit einem Tagungsband zu beenden. Neubauer: Man sollte auf jeden Fall Studierende aus anderen Fächern in die Organisation einbinden. In unserem Tagungsteam haben einige selbst mehrere Fächer studiert, sodass am Ende Jura, Philosophie, Gräzistik, Kulturwissenschaft und Geschichte vertreten waren. Das macht die inhaltliche Kommunikation und Themenfindung anspruchsvoller. Außerdem kann man – als Studierende:r – bei der Organisation tausend Fehler machen und die blödesten Fragen stellen und niemand nimmt es einem übel. Das ist ein Vorteil, den man nicht unterschätzen sollte. (lacht)
Last but not least – bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Mit der Juristenfakultät verbinde ich…
Charlott Resske: …eine sehr prägenden Zeit in meinem Leben. Sicher auch verbunden mit einigen Sinnkrisen, gerade wenn ich an die Examensvorbereitung zum Schluss des Studiums denke. Aber zum Glück auch verbunden mit vielen interessanten fachlichen und persönlichen Begegnungen und Freiheiten – so auch die Freiheit, eine eigene Tagung zu organisieren.
Neubauer: Ja, Jura ist ein tolles Fach, aber das Studium schafft es leider nicht immer, das zu vermitteln. Die Lehrinhalte sind zu sehr auf die Examensprüfung ausgerichtet, allgemein schwebt die Examensprüfung über allem. Das ist aber sicher an jeder Uni so. Wo es aber tatsächlich um Recht ging und die Vermittlung des Prüfungsstoffs in den Hintergrund rückte, war das Studium in Leipzig super.
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