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Abwechslungsreich sind nicht nur die Stationen von Tübingen über London, die Prof. Dr. Focke Ziemssen auf seinem bisherigen Forschungsweg beschritten hat. Seit September 2021 ist er neuer Professor an der Medizinischen Fakultät für das Fach Augenheilkunde, das für ihn nicht nur von hochtechnologischen Fortschritten, sondern auch von Ästhetik und Liebe zum Detail geprägt ist. Als zugleich neuer Leiter der deutschlandweit ältesten Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig erforscht und behandelt er insbesondere Netzhaut- und diabetische Augenerkrankungen.

Was haben Sie studiert – und wo?

Den größten Teil meines Medizinstudiums habe ich in Bochum absolviert.

Was waren im Anschluss Ihre wichtigsten beziehungsweise Ihre letzten beruflichen Stationen?

Geprägt haben mich die beiden Stationen Tübingen und London: Die große Augenklinik in Tübingen mit über 400 Mitarbeitenden arbeitet eng verzahnt mit vielen Gruppen eines großen Forschungsinstituts innerhalb eines Exzellenzzentrums für Neurosensorik. In der kleinen schwäbischen Stadt durfte ich fast 20 Jahre mit tollen Forschenden zusammenarbeiten. Unter anderem wurde hier in dieser Zeit der weltweit erste Netzhaut-Chip implantiert und die erste deutsche Gentherapie für eine Netzhaut-Erkrankung entwickelt und in die Anwendung gebracht. Während zweier längerer Aufenthalte in London lernte ich die Liebe zu einer klaren Struktur und Sprache sowie die Selbstironie der Briten zu schätzen.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und was sind Ihre Schwerpunkte?

Während der Alltag in der Augenheilkunde davon geprägt ist, mit mikrochirurgischen Methoden und handwerklichem Geschick dankbaren Menschen helfen zu dürfen, profitieren wir von den großen Fortschritten, die es nach wie vor auf dem spannenden Feld der Sinnesphysiologie, aber auch in der optischen Industrie und digitalen Hochtechnologie gibt. Daher waren meine bisherigen Forschungsaktivitäten recht vielseitig und reichen von Ansätzen, bereits bei kleinen Kindern die Entwicklung einer starken Kurzsichtigkeit zu verhindern, über die Mechanismen der diabetischen Augenerkrankungen bis hin zu neuen Möglichkeiten der Bilderkennung.

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Universität Leipzig ein bestimmtes Forschungsziel gesetzt? Welches?

Es würde mich freuen, wenn das ganze Team der Leipziger Augenklinik einen Beitrag dazu leisten kann, noch mehr Menschen vor vermeidbarer Sehbehinderung und Erblindung zu bewahren. Dazu muss vor allem die personalisierte Medizin besser werden, um das Risiko von Netzhauterkrankungen, wie einer Makuladegeneration oder Diabetes-Komplikationen genauer vorherzusagen. Ähnliches gilt auch für die schonende Diagnostik der häufigsten Krebsform, wo wir gerne über Blutwerte die Wahrscheinlichkeit für späte Lebermetastasen vorhersagen würden. Wir müssen sichere und verträgliche Medikamente entwickeln, um bereits vor einer irreversiblen Schädigung der neurosensorischen Netzhaut Einfluss nehmen zu können.

Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?

Wenn es die Finanzmittel nach den Corona-Auswirkungen einmal zulassen, würde ich mich sehr freuen, wenn wir die bereits gute Ausstattung der LernKlinik noch weiter verstärken könnten. Es gibt heute Spaltlampen mit digital simulierten Befunden, sodass im Rahmen der Ausbildung kein:e Patient:in geblendet werden muss. Außerdem haben wir in der dreidimensionalen Bildgebung kräftig gegenüber der Radiologie aufgeholt und können Befunde der Netzhautschichten mittels VR-Brillen betrachten. Die Augenheilkunde ist ein Fach, das von der Abwechslung lebt. Mikrochirurgie, der Sinn für Ästhetik, die Liebe zum Detail, aber auch die Bereitschaft, sich auf komplexe Zusammenhänge einzulassen, diese Begeisterung möchte ich mit möglichst vielen jungen Medizinstudierenden teilen.

Bitte beenden Sie folgenden Satz: „Die Universität Leipzig ist für mich…“

…eine tolle Mischung aus langer Tradition und attraktiver Zukunft, der weltoffene und herzliche Teil Sachsens, der junge Menschen dazu ermutigt, eigene Ideen zu verfolgen.

Welche Entdeckung, Erfindung oder Erkenntnis wünschen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Es wäre schön, wenn die Informationstechnologie zum medizinischen Nutzen entwickelt werden und regelmäßig zum Einsatz kommen könnte. Wenn es uns gelingt, beispielsweise nur einen kleinen Teil der sächsischen Expertise von dem kommerziellen Bereich in den Gesundheitssektor zu bringen, sind viele Entdeckungen und Erkenntnisse möglich.

Welche Hobbys haben Sie?

Abgesehen von sportlichen Interessen bin ich gerne mit meiner Nichte und der Familie in der Natur unterwegs. Außerdem freue ich mich als Violinist auf die kulturellen Angebote in Leipzig. Aus zeitlichen Gründen bin ich zuletzt leider kaum dazu gekommen zu Quilten (Patchworken).

Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?

Wenn man sieht, mit welchem Bewusstsein zum Beispiel Paul Gerhardt und Johann Sebastian Bach, der letztlich an den Folgen einer Augenoperation durch den Okulisten John Taylor verstorben ist, in ihrer Zeit immer wieder schweren persönlichen Schicksalsschlägen getrotzt haben und sich Glauben, Demut, Freude und Fleiß bewahrt haben, kann ich als Christ nur dankbar sein, wie gut es mir heute geht.

Verraten Sie uns bitte noch wann und wo Sie geboren sind?

Obwohl ich selbst in Dortmund geboren bin, habe ich mit Willmar Schwabe und Arthur Heffter direkte Leipziger Vorfahren quasi in der vierten und fünften Generation.

 

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