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Filme, Romane, journalistische Texte oder auch Apps nutzt Dr. Mariam Goshadze gern, um Studierende an ihr Fachgebiet heranzuführen. Seit 1. April 2023 ist sie Juniorprofessorin für Religionsgeschichte am religionswissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig. Studierende auf diese Weise dazu zu bringen, Argumente analysieren und entwickeln zu können, die ihre eigenen Weltanschauungen sowohl unterstützen als auch in Frage stellen, das ist eines ihrer Anliegen in der Lehre.

Was haben Sie studiert - und wo?

Ich wurde an der Harvard University in Religionswissenschaften promoviert. In meiner Dissertation mit dem Titel "The Noise Silence Makes: The Ghanaian State Negotiates Ritual Ban on Noise Making in Accra" (Der ghanaische Staat verhandelt das rituelle Verbot von Lärmerzeugung in Accra) untersuchte ich die im Rahmen eines Erntedankfestes der Ga-Gemeinschaft in Accra auferlegten akustischen Beschränkungen und was die Beteiligung des Staates an der Regulierung dieser Beschränkungen über die Säkularität in Ghana aussagt.

Ich habe außerdem zwei MA-Abschlüsse in Religionswissenschaft und Nationalismusforschung von der University of Missouri, Columbia und der Central European University. Ich habe im Bachelor Geschichte an der Amerikanischen Universität in Bulgarien studiert.

Was waren im Anschluss Ihre wichtigsten beziehungsweise Ihre letzten beruflichen Stationen?

Bevor ich an die Universität Leipzig gewechselt bin, war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der Universität Bayreuth und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kollegforschungsgruppe 2344 „Multiple Secularities“ hier in Leipzig.

Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet und was sind Ihre Schwerpunkte?

Es gibt einen roten Faden, der sich durch meine Forschungsprojekte zieht: Die Frage der Macht im Kontext von Westafrika und in geringerem Maße auch von Georgien. Mein Hintergrund spielt dabei keine geringe Rolle. Da ich aus einer Region stamme, die historisch gesehen als "peripher" galt, neige ich zu einer postkolonialen Sichtweise in der Religionswissenschaft und möchte religiöse Wege und Lebenswelten untersuchen, die an den Rand gedrängt worden sind. Meine Versuche, den Stimmen der delegitimierten und zum Schweigen gebrachten Menschen genauer zuzuhören, sind sowohl symbolischer als auch wörtlicher Natur. In meiner jüngsten Arbeit, die sich mit Klangstudien befasst, habe ich die Klangprofile traditioneller afrikanischer Religionen und die auditiven Vorlieben nicht-menschlicher Wesen in der säkularen öffentlichen Sphäre nachgezeichnet. Die kritische Hinterfragung der glaubensorientierten Linse, die in der Religionswissenschaft allgegenwärtig ist, führte auch zu meiner Faszination für Fragen in Bezug auf gelebte Religion, materielle Religiosität und multiple Säkularitäten.

Haben Sie sich für Ihre Tätigkeit an der Universität Leipzig ein bestimmtes Forschungsziel gesetzt? Welches?

Im Rahmen meines Interesses an Diskursen der Religions- und Kulturbildung freue ich mich, ein neues Forschungsprojekt an der Universität Leipzig in Angriff zu nehmen. Ziel ist es, die genealogische Konstruktion von African Traditional Religion als konzeptionelle Kategorie in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts in der anglophonen afrikanischen akademischen Welt zu untersuchen. Das Projekt ist sowohl historisch als auch ethnographisch angelegt, da es sich auf Archivrecherchen in verschiedenen nationalen und universitären Archiven sowie auf Interviews mit afrikanischen Wissenschaftler:innen stützt, die sich in der Lehre und im Denken mit afrikanischen Religionen beschäftigen. Eine solche Untersuchung der traditionellen afrikanischen Religion verspricht unschätzbare Einblicke in die Art und Weise, wie die traditionellen Religionen heute gesehen und dargestellt werden.

Würden Sie bitte kurz einige Schwerpunkte nennen, die Sie in der Lehre setzen wollen?

Mein geografisches Interesse gilt vor allem Westafrika. Deshalb habe ich eine Vorliebe für Kurse, die postkoloniale und kritische Ansätze zur Erforschung der Religion und insbesondere der afrikanischen Religionen, die körperlichen und sinnlichen Dimensionen gelebter Religion und die Rolle der Religion in Projekten der Moderne und des Nationenaufbaus untersuchen. Ich bin immer bestrebt, zeitgenössische kulturelle Artefakte – Filme, Romane, journalistische Beiträge, Apps, Lieder, Werbung oder Gemälde – in den Unterricht einzubringen und sie als Primärquellen zu nutzen, um die Welten zu untersuchen, in denen sich die Studierenden bewegen. Das übergeordnete Ziel meines Unterrichts ist es, nicht nur versierte Lernende, sondern auch engagierte Bürgerinnen und Bürger heranzubilden, die Argumente analysieren und entwickeln können, die ihre eigenen Weltanschauungen sowohl unterstützen als auch in Frage stellen.

Bitte beenden Sie folgenden Satz: "Die Universität Leipzig ist für mich..."

… eine intellektuelle Heimat, in der ich mich sofort wertgeschätzt und ermutigt fühle, innovative Forschung zu betreiben. Ich befinde mich in der Gesellschaft hervorragender Kolleg:innen aus einer Vielzahl von Disziplinen, die bereit sind, Feedback zu geben und an neuen Projekten mitzuarbeiten, sowie außergewöhnlicher Mitarbeiter:innen, die die Räder der Universität am Laufen halten.

Welche Hobbys haben Sie?

Ich liebe es, Zeit mit Freunden und Familie in Gemeinschaft zu verbringen: Lange Spaziergänge oder Radtouren mit meinem Partner und meiner Tochter, Reisen, um neue Orte zu entdecken und alte wiederzuentdecken, für Freunde kochen oder ein Picknick im Park.

Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Ihnen auch über schwierige Phasen hilft?

Wenn das Leben besonders herausfordernd wird und ich mich in einem Meer von Aufgaben und Emotionen verloren fühle, sage ich mir gerne, dass ich langsamer werden und "einen Schritt nach dem anderen machen" soll. Eine Herausforderung nach der anderen anzugehen hilft mir, den oft lähmenden Lärm des Alltags auszublenden und kleinere Erfolge zu schätzen. 

Verraten Sie uns bitte noch, wann und wo Sie geboren sind?

Ich wurde 1986 in Tiflis geboren.

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